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MELDUNG/055: Konkurrenz oder Miteinander - Biodiversität, Landwirtschaft und Jagd (aid)


aid-Newsletter Nr. 43 vom 24. Oktober 2012

Konkurrenz oder Miteinander

Biodiversität, Landwirtschaft und Jagd



(aid) - Jäger und Landwirte sind in einer "Verantwortungsgemeinschaft" für den Erhalt der Biodiversität und die Regulierung der Wildbestände eingebunden. Dieses Fazit einer Tagung beider Berufsgruppen zog Zoologe Professor Hans-Dieter Pfannenstiel. Er leitet südlich von Berlin eine Hegegemeinschaft von 55.000 Hektar, die teilweise in einem Naturschutzgebiet liegt.

Mais ist laut Pfannenstiel nicht die alleinige Ursache für hohe Wildschweinbestände. Die höchsten Wildsauendichten weisen Hessen und Rheinland-Pfalz auf, wo allerdings der wenigste Mais angebaut wird. Die Analyse der Streckenergebnisse der letzten Jahrzehnte zeigt den Anstieg der Wildschweinbestände schon vor dem Biogas-Boom. Milde Winter erhöhen die Überlebensrate der Frischlinge bundesweit. Gegenüber Maisalternativen wie Sudangras bleibt Pfannenstiel skeptisch. Eine Nachbejagung mit Hund werde in diesen übermannshohen und dichten Beständen kaum möglich sein.

Das Anlegen von Bejagungsschneisen erleichtert den Jägern die Arbeit. Und diese können bei richtiger Pflanzenwahl auch die Biodiversität erhöhen und für die Energiegewinnung genutzt werden.

Michael Kuhn vom Netzwerk Lebensraum Feldflur zeigte am Beispiel einer Region bei Würzburg, dass sich das Offenland stark verändert hat. 1965 wurden 1.100 Hektar Fläche noch von 125 Landwirten bewirtschaftet. Heute sind es nur noch rund 20 Landwirte mit entsprechend größeren Schlägen und strukturarmem Offenland.

Im Gegensatz zu den ersten Wildäckern im Rahmen der Flächenstilllegungen gibt es heute Ansaatmischungen, die Ökologie und Ökonomie gleichermaßen bedienen können, so Kuhn. Gräser, Kräuter und Stauden im mehrjährigen Anbau erzielen in der Biogasanlage Methanausbeuten, die mit 250 Normliter Methan je Kilogramm organische Trockensubstanz das untere Ertragsniveau von Mais erreichen. Zudem gibt in jedem Standjahr die wechselnde Dominanz von Pflanzenarten der Landschaft ein anderes Gesicht.

Der Biogaspark Felgentreu bei Berlin erzeugt 8,5 MW Biogas, nutzt die Wärme für ein Gewächshaus und wird künftig auch Biomethan ins Erdgasnetz einleiten. Die Anlage braucht 120.000 Tonnen Biomasse von 5.000 Hektar Futterfläche im Jahr. Manfred Salm, Betriebsleiter in Felgentreu zeigte auf, wie Biodiversität, Bejagung und Energieerzeugung unter einen Hut passen: Die Blühstreifen mit verschiedenen Wildpflanzenmischungen summieren sich auf allen Flächen zu einem 27 Hektar großen Biotop. In einer ausgeklügelten Fruchtfolge des Ackerfutterbaus wird Salm ab 2013 eigene Pflanzenmischungen mit Senf, Raps und zehn weiteren Sorten ausprobieren. 300 Hektar werden stillgelegt und im abgesetzten Verfahren gemulcht - im Frühsommer nur ein 40 Meter breiter Streifen und die Feldmitte, gegen Ende des Sommers dann der Rest. Die Vegetation bietet unterschiedliche Wuchshöhen für mehr Biodiversität und leichtere Bejagung.

Mit Eigeninitiative und Ideenreichtum lassen sich offenbar Lösungen für ein gutes Miteinander von Biodiversität, Landwirtschaft und Jagd finden.

Roland Krieg, www.aid.de

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Quelle:
aid-Newsletter 43/12 vom 24.10.2012
Herausgeber: aid infodienst
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. November 2012