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WALD/667: Vögel als Waldbauern (Unser Wald)


Unser Wald - 1. Ausgabe, Januar/Februar 2012
Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald

Vögel und Gehölze stehen in vielerlei Beziehungen. Bäume und Sträucher können Vogelarten als Nistplatz, Deckungsort, Nahrungsraum und Sitzwarte dienen. Zahlreiche Vögel verbreiten die Samen der Bäume durch Verstecken von Baumsamen und beim Verzehr von Früchten und Beeren. Vögel wirken hier also als "Waldbauern".

Vögel als Waldbauern

von Olaf Schmidt



Gehölze an Waldrändern bieten Vogelarten gute Versteck- und Nistmöglichkeiten. Intakte Waldmäntel tragen als Grenzlinien besonders zur Strukturvielfalt bei. Sie bedürfen der Pflege, wobei es das Ziel ist, reich strukturierte Waldränder im Innen- und Außenbereich aufzubauen und zu erhalten.

In unserem mitteleuropäischen Wald sind die meisten Bäume in ihrer Ausbreitung auf den Wind angewiesen. Nur wenige Baumarten besitzen schwere Früchte, die von Tieren verbreitet werden. Bekannte Beispiele sind Eichelhäher - Eiche und Tannenhäher - Zirbe. Bei hochwüchsigen Bäumen haben Samen mit Flugorganen (z.B. Fichte, Kiefern, Linde, Ahorn, Esche) bessere Chancen, durch den Wind weit verfrachtet zu werden.

Bei den eher niedrig wüchsigen Straucharten würde eine solche Windverbreitung nicht die gewünschte Ausbreitung garantieren. Die meisten unserer einheimischen Sträucher lassen daher ihre Samen über beerenfressende Vogelarten verbreiten. Nicht zuletzt deswegen sind viele der Früchte unserer einheimischen Straucharten auffällig rot oder schwarzblau gefärbt. Hier bestehen enge ökologische Beziehungen zum gegenseitigen Nutzen der Partner.

Unermüdlicher Eichensäer - der Eichelhäher
In den letzten beiden Jahrzehnten wurde die Bedeutung, die der Eichelhäher für die Ausbreitung der Eiche in unseren Wäldern hat, immer deutlicher. Gerade unter Forstleuten, die naturnahen Waldbau betreiben, hat der Eichelhäher sehr viele Freunde gewonnen. Durch das Verstecken von Eicheln und Bucheckern im Boden fördert der Eichelhäher die wünschenswerte natürliche Verjüngung des Waldes auch in Zeiten des Klimawandels und reichert die Bestände mit Laubbaumarten, vor allem der Eiche, an. Oft ist es zu beobachten, dass gerade in Kiefern- oder Fichtenwäldern junge Eichen stehen, die nicht vom Menschen gepflanzt wurden, sondern einzig der Saat des Hähers zu verdanken sind.

100.000 Zirbensamen
Die große forstliche Bedeutung des Tannenhähers bei der natürlichen Verjüngung und Ausbreitung der Zirbelkiefer ist seit langem gerade in den Gebirgsländern Österreich und Schweiz bekannt. Die relativ schwerfrüchtige Zirbe ist bei ihrer Verjüngung und Ausbreitung auf den Tannenhäher angewiesen. Nach Untersuchungen aus der Schweiz werden von einem einzelnen Tannenhäher bei schlechter Ernte im Durchschnitt 47.000 und bei guter Ernte etwa 109.000 Zirbensamen versteckt. Als größte Transportdistanz konnten dabei 15 Kilometer festgestellt werden. Obwohl der Tannenhäher den meisten Samen wieder entdeckt und verzehrt, sichern doch die übrigen Zirbensamen die natürliche Verjüngung dieser Baumart gerade an der wichtigen Waldgrenze.

Kleiber und Eibe
Während manche Vogelarten wie die Drossel bei den Eibenfrüchten nur Interesse am roten Samenmantel (Arillus) zeigen, ist für den Kleiber der eigentliche Samen von Interesse. Diesen Samen zieht er geschickt aus dem Arillus und versteckt ihn gerne in Felsspalten, Mauerfugen und Borkenritzen. Daneben benutzt der Kleiber diese Orte auch zum Aufmeißeln härterer Samen, ähnlich den Spechtschmieden. Das gezielte Suchen und Verstecken von Eibensamen durch den Kleiber führt zur Ausbreitung der Eibe. Jungeiben, die aus Mauern wachsen, gehen daher eindeutig auf diese Tätigkeit des Kleibers zurück.

Passive Verbreitung
Vögel bekommen über die Beeren Nahrung und verbreiten im Gegenzug die genutzte Strauchart über die Samen in ihren Ausscheidungen weiter. Allerdings gibt es auch Vogelarten, die von den Früchten nur die Samen fressen und den Fruchtmantel unberücksichtigt lassen, z.B. Kernbeißer, Grünfink.
Von allen untersuchten Gehölzen weist die Vogelbeere mit 63 nachgewiesenen Vogelarten, die sich von ihren Beeren ernähren, die höchste Artenzahl auf. Sie trägt ihren deutschen Namen also vollkommen zu Recht.
Sehr beliebt bei Vögeln sind auch der Schwarze Holunder mit 62 nachgewiesenen Vogelarten und der Traubenholunder mit 47 Vogelarten. Aber nicht nur die reine Artenzahl, sondern auch die Verfügbarkeit der Beerenfrüchte zu verschiedenen Jahreszeiten ist sehr wichtig.
Während beim Traubenholunder die Hauptreifezeit im August liegt, fällt z.B. die Hauptnutzzeit des Gemeinen Schneeballs für Vogelarten in die Monate Dezember bis Februar. Gerne fressen Rotkelchen und Mönchsgrasmücke die Beeren des Traubenholunders. Sehr lange bis in den April/Mai hinein, stehen den Vögeln z.B. die Beeren des Efeus zur Verfügung. Die Vielfalt der einheimischen beerentragenden Sträucher als Nahrungsgrundlage für viele überwinternde und durchziehende Vogelarten z.B. Seidenschwänze, zu erhalten und zu fördern, ist eine Aufgabe des naturnahen Waldbaus.

Autor
Olaf Schmidt ist Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft; E-Mail: Olaf.Schmidt[at]lwf.bayern.de

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Der Eichelhäher unterstützt die natürliche Verbreitung der Eiche.
Tannenhäher sind im Herbst beim Sammeln der Nüsse am besten zu beobachten.

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Quelle:
Unser Wald - Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, S. 9-10
1.‍ ‍Ausgabe, Januar/Februar 2012
Herausgeber:
Bundesverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V., Bonn
Redaktion: Meckenheimer Allee 79, 53115 Bonn
Telefon: 0228 / 945 98 30, Fax: 0228 / 945 98 33
E-Mail: unser-wald@sdw.de
Internet: http://www.sdw.de
 
Erscheinungsweise: zweimonatlich
Bezugspreis: Jahresabonnement 17,50 Euro
einschl. Versandkosten und 7% MwSt.
Einzelheft: Preis 3,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2012