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WALD/685: Streß von allen Seiten - fünf Gefahren für den Wald (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 3/14
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Stress von allen Seiten
Fünf Gefahren für den Wald.

von Nele Rißmann



Unnatürliche Waldstrukturen

Wenn der Mensch in den letzten Jahrhunderten den Wald nicht so massiv verändert hätte, gäbe es vor allem verschiedene Laubmischwälder. Heute aber dominieren bundesweit Nadelforsten. Obwohl das Bewusstsein für die Notwendigkeit des Waldumbaus gestiegen ist und teils mit viel Mühe und Geld umgesetzt wird, können immer noch gut die Hälfte der Wälder in Deutschland als Plantage bezeichnet werden, gekennzeichnet durch eine Baumart, alle Bäume sind etwa gleich alt, ein Baum gleicht dem anderen.

Die Monokulturen bergen ein erhebliches Risiko. Sie sind extrem anfällig für Stürme und Feuer und spezialisierte Insekten, wie Borkenkäfer und Schmetterlingsarten, die sich von den Nadeln ernähren, finden beste Lebensbedingung, vermehren sich massenhaft und können so ganze Waldflächen zum Absterben bringen. Um die betroffenen Wälder vor den gefräßigen Insekten zu schützen, werden diese mit Pestiziden behandelt - tödliche Nebenwirkungen auf die sogenannten Nicht-Zielorganismen nicht ausgeschlossen.

Wachsende Holznachfrage

Die Nachfrage nach dem wertvollen und vielseitig verwendbaren Rohstoff Holz ist weltweit gestiegen. Dabei ist Holz immer mehr in den Fokus als Energielieferant geraten. Wir Deutschen verbrauchen jährlich rund 140 Millionen Kubikmeter Holz. Vor allem problematisch ist die Entwicklung der Holzverwendung für die Energie- und Wärmegewinnung. Dafür wird gut die Hälfte des jährlichen Holzverbrauches eingesetzt und davon wiederum die Hälfte wird in privaten Öfen, das heißt in Kaminen, Wohnzimmeröfen, Pellet- und Hackschnitzelheizungen verbrannt. Zum Großteil wird Frischholz verwendet. Meist werden dazu dünne Bäume geschreddert, die bei der Durchforstung von Wäldern geerntet werden.

Obwohl das Holz auch geeignet wäre, dauerhaftere Produkte wie Parkett, Möbel oder Tischplatten herzustellen, wird es direkt verbrannt und steht somit einer weiteren Nutzung nicht mehr zur Verfügung. Sinnvoller wäre, aus Holz langfristiger Produkte herzustellen. Erst wenn diese entsorgt werden müssen, könnten daraus beispielsweise Holzplatten (OSB, Weichfaserplatten) hergestellt werden und wenn diese ihren Dienst erfüllt haben, könnten sie in modernen und effizienten Wärmkraftwerken verbrannt werden.

Mit der gestiegenen Holznachfrage wurden die Preise für die meisten Sortimente erhöht. Dies hat zur Folge, dass heute viel dünnes und qualitativ minderwertiges Holz aus dem Wald geerntet, was sich auf Grund der hohen Kosten bisher nicht lohnte. Für den Wald selbst, aber auch für viele Tiere sind diese Hölzer von besonderer Bedeutung. Dünnes Holz hat einen verhältnismäßig hohen Rinden- und Feinastanteil mit vielen Nährstoffen, die wichtig für das zukünftige Wachsen des Waldes sind.

Bodenversauerung und Luftschadstoffe

Die Säurebelastung der Böden durch Schadstoffe aus der Luft - vor allem durch den Anstieg des Verkehrs - sowie durch Stickstoff aus der Landwirtschaft hat in den letzten Jahrzehnten sehr stark zugenommen. Dies führt dazu, dass die Wälder in Deutschland so schnell wie nie zuvor wachsen. Gleichzeitig besteht allerdings die Gefahr, dass die Pufferkapazität der Böden gegenüber Schadstoffen verringert wird und die Nährstoffverfügbarkeit der Waldböden verringert wird. Verantwortlich dafür sind bodenchemische und -biologische Prozesse. Diese führen zu Nährstoffverlusten bei Calcium, Kalium und Magnesium, aber auch zu einem Anstieg der Aluminium- und Nitratgehalte in Trink- und Quellwasser.

Die erhöhte Feinstaubbelastung ist für den Wald ebenfalls gefährlich, da die vor Verdunstung schützende Wachsschicht der Blätter und Nadeln angegriffen wird. Forscher haben herausgefunden, dass Salzbestandteile des Feinstaubs durch die Luftfeuchtigkeit verflüssigt werden und eine Art Docht bilden, der das Wasser aus den Blättern herauszieht und die Austrocknung der Pflanzen beschleunigt und damit zum Waldsterben beitragen kann.

Verdichtung und Wegebau

Der Einsatz von Forstmaschinen zur Holzernte und damit ein Befahren von Waldböden hat in den letzten Jahren stark zugenommen, gleichzeitig sind die Vollerntemaschinen (Harvester) und Rückzüge (Vorwarder) immer schwerer geworden Durch die Befahrung des Waldes wird die Bodenstruktur dauerhaft zerstört.

Durch eine gleichmäßige Verteilung von engen und weiten Poren ist der Waldboden ein effektiver Wasserspeicher.

Ungestörte Waldböden sind das Produkt eines langen Entwicklungsprozesses, bei dem durch Bodenlebewesen ein reich gegliederter Porenraum vergleichbar eines porösen Schwamms geschaffen und ständig erhalten wird. Durch eine gleichmäßige Verteilung von engen und weiten Poren ist der Boden ein effektiver Wasserspeicher, der gleichzeitig auch gut belüftet ist. Dies ist neben einer ausreichenden Nährstoffversorgung Voraussetzung für die Erschließung durch Baumwurzeln. Bei der Befahrung von Waldböden verdichten sich die Poren. Diese Verdichtungen stören den Luft- und Wassertransport im Boden, beeinträchtigen dadurch den Boden als Lebensraum, vermindern das Pflanzenwachstum und verringert die Wasserspeicherfunktion (Hochwasser, Trockenheitspuffer) erheblich.

Wildverbiss

In deutschen Wäldern leben wahrscheinlich so viele Rehe und Rot- und Damhirsche wie nie zuvor. Diese richten nicht nur jedes Jahr Millionenschäden am Wald an, sondern verhindern auch die dringend notwendig Verjüngung des Waldes mit heimischen Laubbaumarten. Sie scheuern mit ihren Geweihen die Rinde von den Bäumen, schälen sie mit ihren Zähnen herunter, fressen junge Triebe der Bäume oder junge Pflanzen.

Dieser Wildverbiss verursacht im Wald ökologische Langzeitschäden, man spricht auch vom "Waldsterben von unten". Insbesondere der Verbiss der Knospen und der Baumsämling durch Rehe verhindert die Entstehung von baumartenreichen Mischwäldern. Besonders die seltenen Baumarten wie Weißtanne, Vogel-Kirsche, Berg- und Spitzahorn, Bergulme, Esche, Mehlbeere, Speierling, Vogelbeere, Eibe und die Weiden werden besonders gerne gefressen. So überleben in den Wäldern oft nur unempfindliche Arten wie Fichte, Kiefer und Buche. Im Vergleich zu landwirtschaftlichen Wildschäden sind die Schäden an Wald weniger offensichtlich - hinsichtlich ihrer langfristigen Folgen aber umso bedeutsamer.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 3/14, Seite 12 - 13
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2014