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WALD/700: Waldexperten fordern besseres Schutzkonzept für die bayerischen Wälder (BN)


BUND Naturschutz in Bayern e.V. - München, 24. Juni 2016

Waldexperten fordern mehr Waldnaturschutz

Bessere Konzepte für Waldnaturschutz warten auf Umsetzung


Beim jährlichen Seminar des Bund Naturschutz in Ebrach im Steigerwald vergangenes Wochenende rieten Experten dringend zu einem besseren Schutzkonzept für die bayerischen Wälder. "Wir zählen die Bücher während die Bibliothek brennt", so der Lagebericht. Ein Drittel der waldbewohnenden Arten ist zwingend auf ungenutzte Schutzgebiete angewiesen. Ein Netz nutzungsfreier Schutzgebiete auf 5% der Waldfläche und die sofortige Umsetzung naturnäherer Methoden in staatlichen Wirtschaftswäldern können den Brand noch löschen. Der Nordsteigerwald soll mit dem Prädikatstitel "Nationalpark" auch für die Region zum Highlight werden. Prof. Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND Naturschutz, forderte: "Wir wollen ungestörte Waldentwicklung dort, wo es sinnvoll ist und keine "pauschale Flächenstilllegung". Tausende Bürger setzen sich ehrenamtlich für die Wälder der Bayerischen Bevölkerung ein. Wir wollen, dass unsere Vorschläge ernst genommen und in den zuständigen Ministerien ehrlich und offen diskutiert werden." Bei der Podiumsdiskussion mit Landtagsabgeordneten von CSU, Grünen und SPD wurde von allen Seiten die Bereitschaft signalisiert, das vorgestellte Konzept in den betreffenden Ausschüssen zu diskutieren.

Das traditionelle BN-Waldseminar in Ebrach startete mit einer Führung des ehemaligen Ebracher Forstamtsleiter Dr. Georg Sperber und des BN-Waldreferenten Dr. Ralf Straußberger in das aufgehobene Waldschutzgebiet. Auf 500 Hektar wurden über 6.000 Starkbäume kartiert, die Teilnehmer waren beeindruckt von den herrlichen Altwaldgebieten.

Ebrachs Bürgermeister Max-Dieter Schneider kündigte an, sich auf den bisherigen Erfolgen nicht auszuruhen. "Nach der Ausweisung des Waldschutzgebietes wurden wir überhäuft mit Anfragen von Gruppen, die ein unberührtes Stück Wald sehen wollten. Die Region braucht einen Nationalpark, um sich touristisch weiter zu entwickeln."

Martin Mößlein, Vorstand des regionalen Vereins Nationalpark Steigerwald, freut sich, dass der Bürgerverein inzwischen mit 1.100 Mitglieder der größte Nationalparkförderverein Deutschlands ist. Er forderte im Dialogprozess die genaue Aufklärung über alle Optionen und bekräftigte das Festhalten am Nationalpark.

Der rheinland-pfälzische Förster Dr. Claus-Andreas Lessander las aus seinem Buch "Der Ruf nach Wildnis" über das erfolgreiche Brennholzkonzept für die lokale Bevölkerung im Nationalpark Hunsrück-Hochwald, wo Holz aus der Pflegezone bereitgestellt wird. Zu derartigen Konzepten rät die Bundesregierung, sie werden auf jede Region zugeschnitten.

Nur Verzahnung von Schutz- und Nutzwald kann Naturerbe erhalten

Aktuelle Erkenntnisse aus der Waldforschung stellten die renommierten Waldökologen Dr. Wolfgang Scherzinger und Dr. Claus Bässler vor: Je älter ein Baum, desto mehr Strukturen wie abstehende Rinde oder Höhlen bilden sich und desto mehr Arten siedeln sich an oder finden hier Nahrung. Nur auf uralten Bäumen leben bestimmte Flechten-, Insekten- oder Pilzarten, die sich sehr langsam entwickeln. Das Fazit der Wissenschaftler: Uraltbäume, Altbestände und ungestörte Waldböden sind auch mit aller Technik nicht herstellbar oder simulierbar. Mehr nutzungsfreie, darunter auch große Wald-Schutzgebiete, sind unverzichtbar. Gleichzeitig müssen im Wirtschaftswald mehr Totholz, Uralt- und Biotopbäume, Sonderstrukturen wie Wurzelteller und Störungsflächen belassen werden. Alte, sog. Klasse-1-Waldgebiete, sollten sofort aus der Holzproduktion genommen werden, um die letzten Reste wertvoller Altwaldreliktarten zu sichern.

Naturwaldverbundsystem soll Bayerns Vielfalt sichern

Dr. Ralf Straußberger, Waldreferent des BN und Gesche Jürgens, Waldkampaignerin von Greenpeace, stellten ein von beiden Vereinen erarbeitetes Naturwaldverbundsystem für Bayern vor. Das von Horst Seehofer 2007 im Kabinett mitbeschlossene Ziel von 5% Waldfläche ohne Holznutzung, wurde von den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Hamburg bereits erreicht, andere arbeiten daran. Bayern, das bundesweit den geringsten Anteil natürlicher Waldentwicklung hat, verweigert seine Mitarbeit. Das nun vorgeschlagene Konzept umfasst verschieden große Flächen, deren Funktionen vom Erhalt anspruchsvoller Arten und natürlicher Waldentwicklung (groß) bis hin zum Trittstein für Wanderungsbewegungen (klein) reicht. Es soll die im öffentlichen Wirtschaftswald geforderten effektiveren Naturschutzmaßnahmen ergänzen. Straußberger kritisiert die Bayerischen Staatsforsten scharf: "Das seit 10 Jahren existierende Trittsteinkonzept des Forstbetriebs Ebrach ist bisher nur im Steigerwald umgesetzt, wo es eine Nationalpark-Diskussion gibt."

Bei der abschließenden Podiumsdiskussion ...

... diskutierten die Landtagsabgeordneten Horst Arnold (SPD), Markus Ganserer (Bündnis 90/ die Grünen), Walter Nussel (CSU) sowie Prof. Dr. Hubert Weiger (BN) über das Naturwaldverbundsystem für Bayern. Alle bis auf Walter Nussel forderten hierbei effektiveren Naturschutz im Wirtschaftswald sowie die Ausweisung von mehr Schutzgebieten und einen Nationalpark im Steigerwald.

Von allen Abgeordneten wurde die Diskussion des vorgestellten Waldverbundsystems in den entsprechenden Ausschüssen in Aussicht gestellt.

Nähere Informationen:
Ulla Reck, Freundeskreis Nationalpark Steigerwald,
Tel: 09553/98 90 42


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Podiumsdiskussion (von links nach rechts: Markus Ganserer, B'90/Die Grünen; Horst Arnold, SPD; Eva Lell, Bayerischer Rundfunk; Walter Nussel, CSU; Prof. Dr. Hubert Weiger, BN)


Download:
http://www.bund-naturschutz.de/uploads/tx_news/PM-062-16-Seminar_Waldexperten_fordern_mehr_Waldnaturschutz_W_230616.pdf

mehr zum Thema
http://www.bund-naturschutz.de/wald.html

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Quelle:
Presseinformation, 24.06.2016
Herausgeber:
BUND Naturschutz in Bayern e.V.
Landesgeschäftsstelle
Dr.-Johann-Maier-Str. 4, 93049 Regensburg
Tel. 0 941/ 2 97 20-0, Fax 0 941/ 2 97 20-30
E-Mail: info@bund-naturschutz.de
Internet: www.bund-naturschutz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2016

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