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WIESE/020: Grüne Vielfalt (naturmagazin)


naturmagazin
Berlin - Brandenburg
Ausgabe 1/2015

Grüne Vielfalt
Grünland kann vieles: artenreich bis monoton und feucht bis trocken

Von Frank Zimmermann


Grünland prägt Brandenburg seit Jahrhunderten. Vor allem in den großen Luchlandschaften und den Talräumen von Elbe und Oder sind Grünlandbiotope noch heute die bestimmenden Landschaftselemente. Pfeifengraswiesen und Reiche Feuchtwiesen, Frische Flachlandmähwiesen, Hochstaudenfluren und ausgedehnte Landröhrichte gehören auf Niedermooren und anderen grundwassernahen Standorten zur Kulturlandschaft - ebenso wie die über das Land verstreuten Sandtrockenrasen und die seltenen Steppen-Trockenrasen des Odergebietes. Mit der Mitte des 18. Jahrhunderts begonnenen und in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts großflächig "vollendeten" Melioration und Intensivnutzung der Niedermoore verschwanden viele buntblühende Wiesen nach und nach. Heute sind sie nicht selten "Pflegefälle". Nicht besser geht es den Trockenrasen. Intensive Grünlandnutzung gehört seit langem zum typischen Bild Brandenburgs, sei es als Weideland oder als mehrfach jährlich gemähte Wiesen. Doch längst werden nicht nur die artenreichen Wiesen und Trockenrasen immer seltener, auch das Intensivgrünland heute vielerorts in Gefahr!


Nahezu 300.000 Hektar - fast zehn Prozent der Fläche Brandenburgs - waren einst von Mooren bedeckt. Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist dies ein Spitzenwert. Die meisten dieser Flächen, in der Regel Niedermoore, wurden über Jahrhunderte zunächst nur gering entwässert und extensiv genutzt. In Abhängigkeit von Wasserstand, Nutzungsart und -intensität sowie dem Nährstoffangebot entstanden großflächig verschiedenste Feucht- und Streuwiesentypen. Im Havelländischen Luch oder im Fiener Bruch waren beispielsweise bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts noch ausgedehnte artenreiche Feuchtwiesen vorhanden. Doch die Komplexmelioration der 70er Jahre, verbunden mit dem Umbruch der Grünlandflächen und der Einsaat von Nutzgräsern, bis hin zur Ackernutzung der früheren Niedermoore, haben schließlich zur Degradierung riesiger Moorflächen geführt. Oft kann man sie heute nur auf alten Karten erkennen, denn von der einstigen Pflanzenwelt und dem aus unterschiedlichen Torfablagerungen bestehenden Moor ist in vielen Fällen kaum etwas geblieben. Etwa ein Viertel aller Moorflächen Brandenburgs sind auf diesem Weg unwiederbringlich verschwunden.

Feuchtwiesen sind Lebensräume, die unter dem Einfluss menschlicher Nutzung entstanden sind. Sie wurden früher nicht (oder wenn, nur wenig) gedüngt, waren relativ nährstoffarm und wurden ein- bis zweimal jährlich gemäht, manchmal auch extensiv beweidet. Die bisweilen unregelmäßig und zumeist nur einmal jährlich gemähten Pfeifengraswiesen besiedeln die nährstoffärmeren Standorte. Daher auch der Begriff "Arme Feuchtwiesen". Er hat nichts mit der Anzahl der dort vorkommenden Arten zu tun. Im Gegenteil, sie gehören zu den an Pflanzenarten reichsten Biotopen Mitteleuropas. Zu den charakteristischen Pflanzenarten zählen unter anderem das namengebende Pfeifengras, die Färberscharte, die Kümmelsilge und die Blutwurz. Den besonderen Wert machen jedoch einige heute leider sehr selten gewordene Raritäten wie Lungenenzian, Prachtnelke, Sibirische Schwertlilie oder Großer Wiesenknopf aus. Letztere Art ist übrigens Futterpflanze für die Raupen von gleich zwei seltenen und nach FFH-Richtlinie besonders zu schützenden Tagfalterarten. Überhaupt sind Feuchtwiesen aufgrund ihres Blütenreichtums, der sich im Jahresverlauf in verschiedenen Blühaspekten widerspiegelt, Lebensraum zahlreicher Schmetterlinge und anderer, speziell angepasster Insekten.

Als "Reiche Feuchtwiesen" werden hingegen gering oder mäßig gedüngte, durch regelmäßige, meist einschürige Mahd bewirtschaftete Wiesen feuchter, etwas nährstoffreicherer Standorte bezeichnet. Sie gehören - wie auch die Pfeifengraswiesen - zu den artenreichsten Biotopen unserer heimischen Natur überhaupt. Als nutzungsbedingt entstandene Biotope sind sie auf eine regelmäßige, aber extensive Bewirtschaftung angewiesen. Wer kennt sie nicht, die Sumpfdotterblumenwiesen, die alljährlich im Mai ihre bunte Blütenpracht entfalten. Aber auch Honiggras-Wiesen und die in größeren Niederungen oder in bachbegleitenden Wirtschaftswiesen der Jungmoränengebiete noch etwas häufigeren Kohldistel-Wiesen gehören dazu. Neben den namengebenden Arten dieser Pflanzengesellschaften zählen unter anderem Kuckucks-Lichtnelke, Scharfer Hahnenfuß, Wiesenschaumkraut und Schlangen- Knöterich zum charakteristischen Artenspektrum der Reichen Feuchtwiesen. Oft enthalten sie aber auch zahlreiche gefährdete Pflanzenarten, unter anderem verschiedene Wiesenorchideen und unter diesen vor allem Knabenkräuter. Über Jahrhunderte prägten sie das Erscheinungsbild der feuchten Wiesen, sind heute aber immer seltener anzutreffen - ein sicheres Indiz für den extremen Wandel, dem die Grünlandnutzung derzeit unterworfen ist.

Feuchte Wiesen wurden traditionell erst dann gemäht, wenn Aufwuchs und Wasserstände es zuließen. Das konnte in manchen Jahren erst recht spät der Fall gewesen sein, in anderen früher. Manchmal ermöglichte ein erster Schnitt im Mai einen zweiten im Spätsommer. Aber es gab auch Jahre, in denen sommerlich hohe Wasserstände eine Mahd gänzlich unmöglich machten. Als Folge dieser Nutzungsvielfalt entwickelte sich auf diesen Standorten eine besonders große Artenvielfalt.

Heute werden aus naturschutzfachlicher Sicht Mahdtermine festgelegt, um die sensiblen Arten der Feuchtwiesen effektiv zu schützen. Allerdings sind sich dabei selbst die Naturschützer bei weitem nicht immer einig! Um Nährstoffe abzuschöpfen, sollte möglichst zeitig im Jahr gemäht werden. Aber auch die Brutzeit verschiedener Vogelarten ist zu beachten. Und manchmal sind es auch Pflanzenarten, für deren Erhalt sich eine sehr späte Mahd empfiehlt. In die Abläufe einer "modernen" Landwirtschaft lässt sich dies kaum integrieren.


Nutzung und Schutz - ein Widerspruch?

Alle Feuchtwiesen unterliegen dem Biotopschutz des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes. Doch mit Schutz allein lassen sich diese Lebensräume keineswegs sichern. Ganz im Gegenteil, Feuchtwiesen werden mitunter "totgeschützt", wenn man sie der regelmäßigen Nutzung entzieht! Wie kaum ein anderer Lebensraum der mitteleuropäischen Kulturlandschaft sind Feuchtwiesen von einer angepassten Nutzung abhängig. Bleibt sie aus, verschwinden zuerst besonders empfindliche Arten wie Orchideen, bevor im Zuge der natürlichen Sukzession zunächst Hochstaudenfluren, später Gebüsche und schließlich Vorwälder entstehen. Aber auch bei Nutzungsintensivierung, starker Düngung oder falschem Zeitpunkt der Mahd kommt es rasch zu einer Artenverarmung.

Andererseits gibt es kaum andere Lebensräume, die - vorausgesetzt, die Flächen wurden nicht zu stark entwässert - mit relativ einfachen Mitteln wieder in artenreiche Bestände umgewandelt werden können. Selbst über viele Jahre ungenutzte oder sogar intensiv bewirtschaftete Wiesen können bei entsprechender Pflege schon nach wenigen Jahren wieder floristische Raritäten enthalten. Die unmittelbare Nachbarschaft noch vorhandener artenreicher Restbestände wirkt sich dabei fördernd aus.

Das eigentliche Problem liegt jedoch darin, dass Feuchtwiesen spätestens seit der Wende kaum noch als genutzte Wiesen benötigt werden. Gäbe es den bezahlten Vertragsnaturschutz, das Kulturlandschaftsprogramm mit seinen Fördermöglichkeiten oder gezielte Renaturierungsmaßnahmen im Rahmen von Naturschutzgroßprojekten nicht, wären Feuchtwiesen bald vollständig aus unserer Landschaft verschwunden - und mit ihnen zahlreiche an diesen Lebensraum gebundene Tier- und Pflanzenarten.


Intensivgrünland - Ist artenarm gleich schlecht zu setzen?

Selbstverständlich ist aus Naturschutzsicht eine möglichst extensive Grünlandnutzung - je nach Standort ohne oder mit wenig Düngung - stets wünschenswert. Doch wer hätte noch vor zehn Jahren gedacht, dass wir uns auch über eine intensive Grünlandnutzung, vor allem in den großen Luchlandschaften Brandenburgs, freuen würden? Zwar ist die Artenvielfalt auf Wiesen, die jährlich mindestens drei- bis viermal maschinell gemäht werden, begrenzt. Und auch die mit hohem Viehbesatz genutzten Weiden bieten nur relativ wenigen Pflanzen- und Tierarten Lebensraum. Dennoch hat selbst eine intensive Grünlandnutzung vor allem auf Niedermooren und anderen grundwassernahen Standorten einen entscheidenden Vorteil: Vorausgesetzt, dass der Wasserstand in der Vegetationszeit nicht zu stark abgesenkt wird, schützt eine geschlossene Grasnarbe auf Wiesen und Weiden den Boden. Gerade auf Niedermooren ist aus Sicht des Natur-, Boden- und Klimaschutzes daher jede Art von Grünlandnutzung einer Ackernutzung vorzuziehen. Werden bestimmte Grundwasserflurabstände nicht unterschritten, ist Grünlandnutzung stets auch Moorschutz.


Wenn die Ökonomie über der Ökologie steht - "Umbruchlose Grünlanderneuerung" und "Maiswahn"

Die Bilder werden immer häufiger. Tausende Hektar Intensivgrünland werden landesweit alljährlich "totgespritzt". Glyphosat heißt das "Wundermittel", welches, in großer Menge flächig aufgebracht, in kürzester Zeit alles Pflanzenleben tötet. Einige Zeit später wird dann eine neue, höhere Erträge versprechende Saatgutmischung ausgebracht. Und das nicht nur einmalig, sondern auf manchen Flächen sogar im Jahresrhythmus oder im Abstand weniger Jahre. Selbst wenn dies im Rahmen einer "ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Bodennutzung" möglich ist, normal oder gar gesund kann das nicht sein. Die Großlieferanten von Glyphosat oder anderer Mittel mit gleichem Wirkstoff können auf eine Zulassung verweisen. Allerdings werden - wie so üblich - nur die eigentlichen Wirkstoffe auf ihre Wirkungen auf Mensch und Umwelt getestet, nicht jedoch die Zusatzstoffe oder jene Stoffe, die eine effektive Ausbringung und Anwendung erst ermöglichen. Bei Glyphosat sind das vor allem Träger-Tenside, deren Auswirkungen wiederum auf die Tierwelt seit langem bekannt und erwiesenermaßen fatal sind. In den angrenzenden Oberflächengewässern schädigen sie Organismen - allen voran Amphibien - und gelangen schließlich in das Grundwasser. In den großen Niedermoorgebieten Brandenburgs, wie dem Rhin-Havelluch, gehört die intensive Grünlandnutzung großer Flächen bereits seit Jahrzehnten der Vergangenheit an. Die Flächen wurden schon zu DDR-Zeiten intensiv als Äcker genutzt. Mit "innovativen" Methoden wie der Tiefpflug-Sanddeckkultur versuchte man, möglichst hohe Erträge unter vermeintlicher Schonung der Torfe zu gewinnen. Der Moorkörper wurde dadurch letztlich genauso zerstört, nur eben langsamer, aber ebenso unwiederbringlich.

Ein aktuelleres Problem: Der stetig zunehmende industrielle Maisanbau macht auch vor den Niedermoorgebieten keinen Halt. Ganz im Gegenteil. Im Havelländischen Luch - mitten im Europäischen Vogelschutzgebiet - wird Mais inzwischen sogar noch häufiger angebaut als in Brandenburgs Normallandschaft. Fast möchte man sich die vorherige intensive Grünlandnutzung zurückwünschen, betrachtet man die fatalen Folgen dieses Maisanbaus auf die Tier- und Pflanzenwelt.


Grünland im Trockenen - Wie steht es um unsere Sandtrockenrasen und Steppenrasen?

Die in Brandenburg weit verbreiteten nährstoffarmen Sanderflächen und Talsande sowie die vor allem am Rand der Urstromtäler und Niederungen liegenden Dünen und Flugsandfelder sind bevorzugte Wuchsorte von Sandtrockenrasen. Das sind kurzrasige oder lückige, ungedüngte Grasfluren, in denen die durchlässigen, gering wasserspeichernden Böden das Vorkommen speziell angepasster Pflanzenarten erlauben. Viele dieser Arten waren ursprünglich in wärmeliebenden Wäldern zu Hause. Typisch sind vor allem die charakteristische Grasnelke und die Sandstrohblume, aber auch Bergsandknöpfchen, Heide- und Karthäusernelke verleihen diesen Trockenrasen im Frühsommer ein farbenfrohes Bild.

Ohne entsprechende Pflege fassen aber auch auf diesen armen Standorten bald erste Gehölze Fuß - meist Kiefern oder Birken - und leiten die Entwicklung zu entsprechenden natürlichen Waldgesellschaften ein. Auf armen Dünensanden sind das in erster Linie verschiedene Kiefernwald-Gesellschaften, auf etwas reicheren Standorten entstehen letztlich Traubeneichen-Kiefern-Mischwälder. Jedem Landwirt ist es wohlbekannt, dass von Sandtrockenrasen "nicht viel zu holen ist". Selbst genügsame Schafrassen kann man alleine von der Beweidung von Trockenrasen nicht ernähren, man braucht auch Flächen mit vernünftigem Aufwuchs. Doch an diese Flächen kommen die immer weniger werdenden Schafhalter Brandenburgs aufgrund des enormen Bedarfs der industriellen Landwirtschaft kaum noch heran.

Sandtrockenrasen können infolge von Baumaßnahmen auf Rohböden oder infolge aufgegebener landwirtschaftlicher Nutzung von Flächen mit niedriger Bodenwertzahl auch immer wieder neu entstehen. Aber die nach wie vor anhaltende Nährstoffanreicherung (Eutrophierung) der Landschaft gefährdet fast überall die an nährstoffarme Bodenverhältnisse angepasste Flora und Fauna der Trockenrasen. Und Brachen, auf denen sie neu entstehen könnten, gibt es kaum noch. Landesweit sank ihr Anteil von etwa 15 Prozent im Jahr 1997 auf derzeit unter ein Prozent.

Großflächig und in mosaikartigem Wechsel mit anderen Biotoptypen sind Sandtrockenrasen noch heute auf einigen ehemaligen oder noch genutzten Truppenübungsplätzen Brandenburgs vorhanden. Aufgrund der oft jahrzehntelangen Zerstörung des Gehölzaufwuchses und der oberen Bodenschichten sind dort große Trockenrasen- und Heideflächen entstanden. Weiter bestehen könnten sie nur bei ähnlicher Nutzung. Da jedoch nach Einstellung des Übungsbetriebs große Flächen der natürlichen Sukzession überlassen blieben, ist die Vegetationsentwicklung auf den reicheren Standorten heute bereits großflächig weit vorangeschritten. Was vor 20 Jahren noch Trockenrasen und Heiden waren, sind heute meist mehr oder weniger dichte Vorwälder.

Nicht besser geht es den vom subkontinentalen Klima geprägten Halbtrocken- und Steppenrasen an den Oderhängen und weiteren Relikten dieses seltenen Biotops in anderen Landesteilen. Seit Beginn der intensiven Landnahme in der Jungsteinzeit und der Waldrodung im späten Mittelalter wurden dort große Freiflächen für Weidevieh geschaffen. Dies bot unter den besonderen klimatischen Bedingungen günstige Voraussetzungen für das Einwandern zahlreicher Pflanzenarten aus den osteuropäisch-westsibirischen Steppengebieten. Verschiedene Federgräser, die Wiesen-Kuhschelle und als prominentester Vertreter das Frühlings-Adonisröschen prägen die Steppenrasen.

Ihre Hauptverbreitung hatten die kontinentalen Trockenrasen in Brandenburg Mitte des 19. Jahrhunderts, als große Schafherden die Flächen beweideten. Mit dem Zusammenbruch der europäischen Wollwirtschaft zum Ende des 19. Jahrhunderts begann die immer weiter fortschreitende Verbuschung und spontane Wiederbewaldung. Die Pflege und Erhaltung der bunt blühenden Oderhänge stellt eine besondere Herausforderung dar, denn in unserer heutigen Kulturlandschaft und unter den gegenwärtigen Agrar-Förderbedingungen haben sie scheinbar keinen Platz mehr. So wird versucht, über verschiedene Förderinstrumente des Naturschutzes (LIFE) und der Landwirtschaft möglichst viele Trockenrasenflächen mit Schafen und Ziegen zu beweiden. Doch die derzeit ausgereichten Mittel hierfür sind kaum für eine einträgliche Bewirtschaftung ausreichend, und auch die neue Förderperiode verspricht hierfür nichts Gutes.


Nutzungsvielfalt schafft Naturvielfalt

Vielfalt entsteht durch Vielfalt. Beispielsweise, wenn verschiedenste Lebensräume auf unterschiedlichste Art und Weise genutzt werden. Wenn die Kulturlandschaft dann auch noch natürliche Elemente wie Seen und naturnahe Wälder enthält, kennt die Vielfalt kaum noch Grenzen. Allerdings mit großen Abhängigkeiten: Von jeder Pflanzenart in extensiv genutzten Feuchtwiesen oder in Steppenrasen leben direkt oder indirekt etwa sieben bis zehn Tierarten! Führt man sich vor Augen, dass auf gut ausgeprägten Flächen über 50 oder sogar 100 Pflanzenarten auf kleinem Raum nebeneinander vorkommen, wird deutlich, dass Grünland zu den artenreichsten Lebensräumen unserer Kulturlandschaft gehört. Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings auch, dass das Verschwinden einer Pflanzenart auch das Verschwinden der an sie gebundenen Tierarten nach sich zieht. Eine angepasste, möglichst extensive Nutzung ist daher der beste Garant für hohe Artenvielfalt.

Doch wie bereits erwähnt, hat selbst intensiv genutztes Grünland seinen Platz in unserer Kulturlandschaft und ist aus Naturschutzsicht der intensiven Ackerbewirtschaftung vorzuziehen. Zwar reglementieren rechtliche Rahmen heute beispielsweise die Umwandlung von Grünland in Acker auf Moorstandorten. Doch auch dort werden Wege gefunden, dies zu umgehen. Grünland wird beispielsweise mittels Glyphosat "auf Null" gesetzt, später wird dann dort Getreide eindrillt. Das ist dann zwar kein Umbruch, wohl aber eine Umwandlung.

Wie die Entwicklung in der modernen Landwirtschaft weitergeht, vermag niemand wirklich vorherzusehen. Was wir aber in unserer Landschaft deutlich sehen und beweisen können ist, dass die intensive landwirtschaftliche Nutzung, die aktuell noch weiter intensiviert wird, seit Jahrzehnten der Hauptgefährdungsfaktor für zahlreiche bedrohte und immer öfter aussterbende Pflanzen- und Tierarten ist. Die intensive Grünlandnutzung steht dabei längst nicht mehr an erster Stelle.

Von 2003 bis 2011 sind in Brandenburg etwa 5.000 Hektar Dauergrünland verloren gegangen, das ergab die Antwort der Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage. Das mag nicht nach viel klingen. Aber der Trend dürfte sich in den vergangenen Jahren weiter verschärft haben, trotz entsprechender Regelungen auf europäischer und nationaler Ebene. Will man Biodiversität in Brandenburg schützen und - wie es ein neues Maßnahmeprogramm der Landesregierung formuliert - bis 2020 die Artenvielfalt sogar wieder erhöhen, muss man sich neben verschiedensten anderen Handlungsfeldern wohl insbesondere den Lebensräumen des Grünlandes widmen. Neue und besser ausgestattete Maßnahmen müssen her, die auf die spezifischen Erfordernisse bestimmter, besonders gefährdeter Arten in extensiv genutzten Feuchtwiesen und Trockenrasen abzielen. Und es bedarf eben auch Förderprogrammen, die den Erhalt oder die Mehrung jeglichen Grünlands wieder attraktiver machen als das Bewirtschaften industrieller Mais-Monokulturen.

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Quelle:
naturmagazin, 29. Jahrgang - Nr. 1, Februar bis April 2015, S. 4-9
Herausgeber: Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin
Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V., Landesverband Brandenburg
Naturschutzfonds Brandenburg/Naturwacht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2015

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