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WASSER/224: 2. WRRL-Bewirtschaftungsperiode - Trübe Aussichten für den Rhein (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1058, vom 18. März 2015 - 34. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

2. WRRL-Bewirtschaftungsperiode: Trübe Aussichten für den Rhein


Für das gesamte internationale Rheineinzugsgebiet (rd. 200.000 km²) hat die Internationale Rheinschutzkommission (IKSR) in Absprache und Abstimmung mit den Rheinanliegerländern einen Entwurf für einen Bewirtschaftungsplan vorgelegt, der "A-Plan" genannt wird. Der Entwurf zum "A-Plan" für die Internationale Flussgebiets-Einheit (IFGE) beschreibt im Kapitel 2.1 "Hydromorphologische Beeinträchtigungen und Abflussregulierungen" die Folgen dieser "menschlichen Tätigkeiten und Belastungen":

"Vielfältige wasserbauliche Maßnahmen führten zu großen hydromorphologischen Veränderungen, die erhebliche Auswirkungen auf die ökologische Funktion des Rheins haben. Zu nennen sind unter anderem die fast vollständige Einschränkung der Flussdynamik, der Verlust von Überschwemmungsgebieten, die Verarmung der biologischen Vielfalt und die Behinderung der Fischwanderung. Durch Begradigung und Uferbefestigung wurden der Laufweg verkürzt und durch Deichbau auf weiten Strecken die Auen von der Flussdynamik abgetrennt. Dadurch fehlen heute die natürliche Strukturvielfalt und wichtige Strukturelemente, die für eine natürliche Artenvielfalt und intakte Lebensgemeinschaften notwendig sind. (...) In den Stauräumen von Hochrhein und südlichem Oberrhein fehlen Habitate für rheophile Arten wie Äsche und Nase, so dass deren Häufigkeiten und Biomassen dort entsprechend niedrig sind."

Der Entwurf zum "A-Plan" stellt des Weiteren fest, dass die überwiegende Mehrzahl der Wasserkörper im Rheinhauptstrom und seinen Nebengewässern mit einem Einzugsgebiet (EZG) über 2.500 km² Größe als "erheblich verändert" (HMWB) eingestuft worden ist. Damit gilt für diese Wasserkörper das herabgestufte "gute ökologische Potenzial (GÖP)" als Umweltziel.

"Ein gemeinsames Verständnis" vom "Guten ökologischen Potenzial"?

Dass die Zusammenarbeit zwischen den Rheinanliegerländern immer noch nicht optimal verläuft, ist u.a. daran erkennbar, dass die Verfahren zur Ableitung des GÖP bisher nicht interkalibriert worden sind. Die IKSR hebt deshalb hervor, dass es im Hinblick auf die fehlende Interkalibrierung "umso wichtiger" sei, "dass über das GÖP ein gemeinsames Verständnis in der IFGE Rhein besteht". Der Entwurf für den zweiten "A-Plan" erinnert daran, dass im ersten Bewirtschaftungsplan das ökologische Potenzial mit Hilfe des so genannten "Prager Ansatzes" als maßnahmenbasierte Vorgehensweise bestimmt worden sei. Ausgangspunkt sei die gemeinsame Definition des höchsten ökologischen Potenzials (HÖP) gewesen - also der Gewässerzustand, der sich durch die Umsetzung aller technisch machbaren Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung eines Wasserkörpers ohne signifikant negative Auswirkungen auf die spezifizierten Nutzungen oder die Umwelt im weiteren Sinne (gemäß Artikel 4 (3) WRRL) einstellen würde. Das GÖP wurde als Abstufung hiervon verstanden, indem alle Maßnahmen mit nur geringen ökologischen Wirkungen vom HÖP abgezogen wurden.

Die IKSR stellt anschließend fest, dass für den 2. Bewirtschaftungsplan in den Staaten der IFGE Rhein die Rheinanliegerländer für die Bewertungsverfahren "teilweise unterschiedliche Ansätze gewählt" hätten - mithin zeigt sich auch bei den Bewertungsverfahren eine große Biotopvielfalt unter den Staaten und Regionen im internationalen Rheineinzugsgebiet. Die IKSR bleibt deshalb nichts anderes übrig, als im "A-Plan" fatalistisch die Folgen der mangelnden Koordination zu beschreiben:

"Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Verfahren sind für die Abstimmung der Bewertungsergebnisse an den Grenzwasserkörpern von Bedeutung und in der IFGE Rhein fachlich intensiv diskutiert worden. Nach wie vor wird in allen nationalen Verfahren - mit Ausnahme der Schweiz - das HÖP auf der Grundlage von Maßnahmen definiert. In den Niederlanden und Deutschland werden die ökologischen Wirkungen der Maßnahmen bei der Bestimmung des ökologischen Potenzials berücksichtigt. In Frankreich fließt der Grad der hydromorphologischen Belastung in die Bewertung des ökologischen Potenzials ein. Für einige Komponenten konnte am deutsch-französischen Oberrhein keine gemeinsame Bewertung gefunden werden. Im "A-Plan" wird deshalb festgehalten, dass die verschiedenen Bewertungsmaßstäbe "2015 in der IKSR weiter diskutiert werden" müssten. Eine unmittelbare Vergleichbarkeit der nationalen Verfahren sei "nur auf der Maßnahmenebene (d.h. über generalisierte Maßnahmenkataloge) möglich".

2021: Zwei Prozent der Fließgewässer im "guten ökologischen Zustand"

Jenseits der mangelnden Zusammenarbeit der Rheinanliegerländer frustriert die Diskrepanz zwischen den Zielen der EG-WRRL und der tristen Wirklichkeit. Denn derzeit sind nur zwei Prozent der Wasserkörper im Rheineinzugsgebiet in einem guten Zustand; 73% wurden mäßig oder schlechter bewertet. Für ein Viertel der Wasserkörper liegen keine Angaben vor. Im Rheinhauptstrom wurden 37 Prozent der Wasserkörper als mäßig, 18% als unbefriedigend und 9% als schlecht eingestuft. Für 36 % wurden keine Angaben vorgelegt. Auch die Prognosen klingen wenig vielversprechend:

"Demnach wird erwartet, dass im Jahr 2021 aufgrund der zwischenzeitlich durchgeführten Maßnahmen voraussichtlich 2% der Oberflächenwasserkörper in der IFGE Rhein (EZG > 2500 km²) den guten ökologischen Zustand / das gute ökologische Potenzial erreichen. 55% werden mäßig oder schlechter bewertet werden (Zielerreichung unwahrscheinlich). Für 43% der Wasserkörper wurde keine Prognose vorgelegt (Zielerreichung unklar, Status noch zu bestimmen oder keine Daten)."

Das der Prozentsatz von Wasserkörpern im guten Zustand mit zwei Prozent nach der Prognose für 2021 genauso gering wie derzeit ausfallen soll, ist erklärungsbedürftig: Zum einen liegt das am "One out - All out-Prinzip" (s. RUNDBR. 765/3-4) der Wasserrahmenrichtlinie - soll heißen: Der schlechteste Parameter zählt, womit auch die gut ausfallenden Parameter und die Gesamtbewertung in die Tiefe gerissen werden. Zum anderen haben sich die Anforderungen im Bereich der Gewässerchemie derart verschärft, so dass wegen einiger ubiquitärer Schadstoffe (Quecksilber, Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe sowie einiger Spurenstoffe) kaum noch ein Gewässer den guten chemischen Zustand erreichen wird.

Mangelnde Koordination der deutschen Rheinanliegerländer

Was auf der internationalen Ebene der IKSR nur unzureichend funktioniert, klappt auch auf der Ebene der deutschen Rheinanliegerländer nicht so richtig. Die mangelnde Zusammenarbeit der deutschen Rheinanliegerländer im ersten Bewirtschaftungszyklus war auf Kritik der EU-Kommission gestoßen. Die Europäische Kommission hatte "die teilweise unterschiedlichen Umsetzungsansätze in der Bundesrepublik" auch in den deutschen Rheinanliegerländern bemängelt. U.a. hatte die EU-Kommission moniert, dass es für das deutsche Rheineinzugsgebiet im ersten Bewirtschaftungszyklus keinen nationalen Bewirtschaftungsplan gegeben hatte. Die deutschen Rheinanliegerländer hatten diesen Vorwurf mit dem Argument gekontert, dass es ja den "A-Plan" der IKSR geben würde. Im Hinblick auf die internationale Koordination im Rheineinzugsgebiet würde sich ein deutscher Rhein-Bewirtschaftungsplan erübrigen. Gleichwohl musste man der nörgelnden EU-Kommission irgendwie entgegenkommen: "Zur Verbesserung der Zusammenarbeit auch im Hinblick auf die internationale Koordination beim Gewässerschutz im deutschen Einzugsgebiet des Rheins" hatten sich die deutschen Rheinanliegerländer (einschließlich der Bundesrepublik) deshalb zum 1. Januar 2012 zur Flussgebietsgemeinschaft Rhein (FGG Rhein) zusammengefunden. Zur Dokumentation der intensivierten Zusammenarbeit zwischen den deutschen Rheinanliegerländern hat die FGG Rhein den Entwurf für ein gemeinsames "Chapeau-Kapitel" veröffentlicht. Das "Chapeau-Kapitel" soll "die gemeinschaftlichen Anstrengungen zur harmonisierten Vorgehensweise in der Gewässerbewirtschaftung im deutschen Einzugsgebiet des Rheins" darstellen. Ferner soll das "Chapeau-Kapitel" "einen Rahmen für die Bewirtschaftungspläne" der Bundesländer im deutschen Rheineinzugsgebiet bilden. Mit dem Chapeau-Kapitel will man also vornehmlich der Kritik aus Brüssel begegnen.

Zielerreichung im dt. Rheineinzugsgebiet: Deprimierende Risikoanalyse

Interessant ist das "Chapeaukapitel", weil es die mangelnde Zielerreichung für die zweite Bewirtschaftungsperiode für die Oberflächenwasserkörper im deutschen Rheineinzugsgebiet ("Risikoanalyse") aufzeigt. Die Tabelle auf S. 3 verdeutlicht, dass wahrscheinlich 10% der Fließgewässer im deutschen Rheineinzugsgebiet einen "guten ökologischen Zustand" bzw. ein "gutes ökologische Potenzial" bis 2021 erreichen werden. Demgegenüber werden etwa 58% der Wasserkörper ohne weitere ergänzende Maßnahmen den "guten ökologischen Zustand" voraussichtlich verfehlen. Für ca. 32% der Oberflächenwasserkörper sei "aufgrund der Datenlage eine Prognose derzeit nicht möglich".

 Zielerreichung bis 2021 / Zahl der Oberflächenwasserkörper 
Land
wahrscheinl.
unwahrscheinl.
unklar
Ba.-Wü:
0     
122     

Bayern:
8     
138     
56 
Hessen:
7     
207     
17 
Nieders.:
0     
44     

NRW:
86     
425     
517 
Rh.-Pf.:
99     
241     
20 
Saarl.:
6     
46     
61 
FGG insges.:
207     
1.224     
679 


An anderer Stelle äußert sich das Chapeau-Kapitel noch depressiver: Danach müsse man zusammenfassend feststellen, "dass ca. 81% der Flusswasserkörper (...) den guten ökologischen Zustand/das gute ökologische Potenzial nicht erreichen" werden. Nationale Biodiv-Strategie: 10% der Fließgewässer im guten Zustand Im Jahr 2007 hatte die Bundesregierung eine ehrgeizige Biodiversitätsstrategie verabschiedet (s. RUNDBR. 875/1-2). Damals wurde auch versprochen, die Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie regelmäßig zu überprüfen und in einem Indikatorenbericht zu dokumentieren (siehe Kasten). Der jüngste Indikatorenbericht (A4, 81 S.) ist im Febr. 2015 als Bundestags-Drs. 18/3995 veröffentlicht worden. Der Bericht ist gut aufgemacht - die Ergebnisse sind allerdings mehr als betrüblich. In fast allen Bereichen der Biodiversitätspolitik muss der Indikatorenbericht große Zielverfehlungen vermelden - so u.a. auch bei der Revitalisierung der deutschen Flusslandschaften. Hier wird zunächst an die Zielsetzung aus dem Jahr 2007 erinnert: Damals hatte sich die Bundesregierung vorgenommen, bis 2015 in den Fließgewässern "mindestens" einen guten ökologischen und chemischen Zustand nach den Vorgaben der EG-Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen.

Ferner war seinerzeit postuliert worden, dass in den Bächen und Flüssen bis zum Jahr 2015 die ökologische Durchgängigkeit "wiederhergestellt" sei - und weiter: "Der Bestand der für das jeweilige Fließgewässer charakteristischen Fischfauna ist dauerhaft gesichert." Bei der Überprüfung der knapp 9.000 Wasserkörper in den deutschen Flüssen und Bächen hat sich allerdings gezeigt, dass nur zehn Prozent der Fließgewässer den guten Zustand erreicht haben. Als "die häufigsten Ursachen für Beeinträchtigungen" benennt der Bericht die "Veränderungen der Gewässerstruktur und hohe Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft". Außerdem wird festgestellt, dass die Fließgewässer "durchschnittlich alle 2 km durch ein Wehr für Organismen und Sediment nicht mehr durchgängig" seien.

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1058
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2015

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