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LAIRE/078: Pseudo-Demokratie - Aus für Volksbegehren gegen neue Tagebaue (SB)


Volksbegehren "Keine neue Tagebaue in Brandenburg" aus Systemgründen gescheitert


Der Energiekonzern Vattenfall darf in der brandenburgischen Lausitz sieben Dörfer abreißen, mehrere Tausend Menschen entwurzeln, die Landschaft für neue Braunkohletagebaue aufreißen und damit einer extrem umweltschädigenden Energiegwinnungsform Vorschub leisten. Denn das Volksbegehren gegen neue Tagebaue wurde abgeschmettert. Im folgenden soll dargelegt werden, warum der Vorgang der vermeintlich direkten Demokratie eine Farce ist und das Begehren des Volkes nur zur einen Hälfte abgefragt wurde.

Zwischen Oktober 2007 und Mai 2008 hatten sich in ganz Brandenburg 26.574 Einwohner durch ihre Unterschrift gegen den Ausbau der Förderung von Braunkohle in der Lausitz ausgesprochen. Für diese Volksinitiative waren 20.000 Unterschriften erforderlich, das Ziel wurde somit weit übertroffen. Aber was folgte daraus? CDU und SPD des Landtags haben die Initiative nahezu geschlossen abgeschmettert.

Runde 2. Noch ein Versuch. Dazu genügte nicht die ursprüngliche Menge an Unterschriften, gefordert war jetzt die vierfache Menge. 80.000 Unterschriften müssen gesammelt werden, damit die Bürger Brandenburgs ein sogenanntes Volksbegehren untertänigst vortragen dürfen. Aber nicht nur das. Die Unterschrift darf in diesem Bundesland einzig und allein auf den Einwohnermeldeämtern in die Listen eingetragen werden. Es ist klar, daß das eine gewaltige Hürde ist. Der Mobilisierungsaufwand, um Menschen nicht nur zu einer politischen Stellungnahme in Form ihrer Unterschrift zu bewegen, sondern sie auch noch dazu zu motivieren, daß sie zu berufsfeindlichen Öffnungszeiten einen häufig viele Kilometer weit entfernten Ort aufsuchen, den die meisten Menschen von vornherein meiden, da er mit erniedrigender Bittstellung bis hin zu kafkaesken Verhängnissen assoziiert wird, ist enorm.

Schon das war ein wichtiger Grund, warum das Volksbegehren gegen den Ausbau des Braunkohletagebaus in der Lausitz scheiterte. Am 9. Februar hatten sich 25.168 Bürger in die Listen eingetragen. Das sind ziemlich viele, aber in einer repräsentativen Demokratie bedeuten sie nichts.

Dumm gelaufen? Keineswegs, vielmehr wurden die Gegner der neuen Tagebaue für dumm verkauft! Das liegt am System. Die nackte Zahl von 25.168 besagt nichts über das Ausmaß der Ablehnung der Braunkohleförderung in Brandenburg. Es wurden Äpfel mit Birnen verglichen. Hier wird die Unterschriftenzahl in ein Verhältnis zur Einwohnerzahl Brandenburgs gesetzt. Das ist hinterlistig! Dadurch wird der Eindruck erweckt - und um mehr handelt es sich nicht -, als sei die große Mehrheit für den Tagebau. Durch das System wird somit die passive Masse, die sich aus welchen Gründen auch immer gar nicht geäußert hat, denjenigen zugeschlagen, die die Initiatoren des Volksbegehrens dazu bewegen wollten, keine neuen Braunkohletagebaue zu genehmigen. Das kann man nur Pseudo-Demokratie nennen.

Es gäbe eine einfache Möglichkeit, ein getreueres Abbild des tatsächlichen "Begehrens" des Volkes zu erstellen: Auch den Befürwortern des Tagebaus hätte vier Monate Zeit eingeräumt werden müssen, um die Einwohner Brandenburgs zu mobilisieren, damit sie auf die Ämter gehen und ihre Unterschrift FÜR den Tagebau abgeben. Dann wären nicht Äpfel mit Birnen verglichen worden, sondern Äpfel mit Äpfeln - und beide Sorten wären gewiß nicht faul gewesen. Nur so hätte sich ein aussagekräftiges Verhältnis ergeben.

Wohingegen an dem nun zustandegekommenen Ergebnis einiges ganz gehörig faul ist. Denn die eine Seite des Vergleichs brauchte gar nichts zu tun, sondern konnte einfach nur abwarten, während sich die andere auf den Weg machen mußte, seine Meinung per Unterschrift abzugeben. In dem System werden also meinungsabgebende Personen mit meinungsnichtabgebenden Personen verglichen, um anschließend den Initiatoren des Volksbegehrens zu sagen: Pech gehabt, die Leute wollen den Tagebau gar nicht verhindern. Falsch! Die Mehrheit hat sich gar nicht geäußert, man weiß nicht, welche Meinung sie hat. Deshalb dürfen sie nicht, wie von den Bestimmungen des Volksbegehrens vorgesehen, faktisch als Befürworter gerechnet werden.

So bleibt als Resümee festzuhalten: Wie erfährt man den Willen des Volkes? Indem man es befragt, und nicht, indem man alle Nicht-Befragten einer Seite in einer politischen Auseinandersetzung zuschlägt.

12. Februar 2009