Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → MEINUNGEN

LAIRE/086: UN-Report zur Risikoreduzierung von Naturkatastrophen (SB)


Eine fremde Welt ...


Hunger und Armut unter der Landbevölkerung in ärmeren Weltregionen sind oftmals eine direkte Folge einer von den wohlhabenden Staaten favorisierten, wenn nicht gar diktierten Politik. Wenn das globale Wirtschaftssystem die Großgrundbesitzer bevorteilt, wenn mit Hilfe von Strukturanpassungsmaßnahmen wie die Senkung oder Aufhebung von Zollschranken oder die Rücknahme agrarischer Subventionen die Bevölkerung des ländlichen Raums dem Druck des Weltmarkts ausgesetzt wird, und wenn die Subsistenzwirtschaft verteufelt, die Exportwirtschaft hingegen gefördert wird, dann bleibt Landflucht als Folge dieses Trends nicht aus. Inzwischen leben mehr Menschen in Städten als auf dem Land.

Die Metropolen wachsen unaufhörlich, wobei zunehmend Gebiete besiedelt werden, die bislang aus gutem Grund gemieden wurden. Die Rede ist von Hängen, die bei Starkregen leicht ins Rutschen geraten und Schlammlawinen auslösen können, von niedrig gelegenen Küstengebieten, die durch Sturmfluten gefährdet sind, von Uferregionen, die bei Hochwasser leicht überschwemmt werden, und selbst von aktiven Vulkanen, deren Ausläufer vernünftigerweise gemieden werden sollten.

Der Klimawandel gefährdet die Bewohner dieser hochgefährdeten Slums und Shantytowns zusätzlich. Das befindet eine UN-Forschergruppe in dem am Sonntag von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auf einer Konferenz in Bahrain vorgestellten ersten "Global Assessment Report on Disaster Risk Reduction", dem globalen Sachtstandsbericht zur Minderung des Katastrophenrisikos. [1] Allein im vergangenen Jahr haben weltweit 236.000 Personen im Rahmen von über 300 Naturkatastrophen ihr Leben verloren, weitere 200 Millionen waren unmittelbar betroffen. Die Schadenssumme belief sich auf mehr als 180 Millionen US-Dollar, heißt es in dem 200-seitigen Bericht der United Nations International Strategy for Disaster Reduction (ISDR).

Ban erklärte auf der Konferenz, daß Maßnahmen zur Reduzierung des Katastrophenrisikos eine der besten Investitionen seien, die ein Land tätigen könne. Das klingt allerdings ein wenig belehrend, denn die Regierungen nicht nur der von Katastrophen am schwersten heimgesuchten Länder China, Bangladesh und Indien wissen selbst, was gut und was schlecht für ihre Bevölkerung ist und richten ihre Entscheidungen danach aus. Demgegenüber soll nicht in Abrede gestellt werden, daß die in dem Report präsentierten Vorschläge zur Linderung oder Vermeidung von Katastrophenfolgen nützlich sein können, um wenigstens einigen Menschen ein sichereres Leben zu ermöglichen. Gleichzeitig muß jedoch festgestellt werden, daß sich die Vereinten Nationen nicht vorgenommen haben, das Leid aller Menschen, die durch Naturkatastrophen gefährdet sind, aufzuheben, sondern nur einen Teil. Man will ja realistisch bleiben. Dadurch wird die Not verringert, aber eben auch verwaltet.

Ein fundamental anderer Ansatz hingegen würde darauf hinauslaufen, nicht an den Symptomen einer von Profitmaximierung beherrschten Weltordnung herumzudoktern und das System dadurch erträglicher erscheinen zu lassen, sondern man würde statt dessen die Eigentumsfrage als zentrales Moment von Ausbeutung und Bereicherung in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken. Das setzte zweifelsohne eine völlig andere Gesellschaftsordnung voraus, mehr noch, es würden keine Karten neu gemischt, um andere Profiteure den Thron besteigen zu lassen, sondern es müßte der Thron abgeschafft und die Vergesellschaftung des Menschen aufgehoben werden, so daß nirgendwo wieder jemals ein Thron errichtet werden kann.

Das mag in den Ohren der Systemprofiteure und aller, die sich Chancen ausrechnen, dazuzugehören, weltfremd klingen - aber was ist an einer Welt nicht fremd, in der Menschen vertrieben werden und sich genötigt sehen, in eine Umgebung zu ziehen, die in besonderer Weise von Naturkatastrophen gefährdet ist?


*


Anmerkungen:

[1] http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=30820&Cr=isdr&Cr1=

17. Mai 2009