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LAIRE/089: Preis der Motorisierung - Tote Zone im Golf von Mexiko (SB)


Bewahrung der Mobilität in der Industriegesellschaft

US-Landwirtschaft soll neben Nahrung zunehmend auch Biosprit produzieren - Hohe Nitratbelastung der Gewässer


Motorisierung bildet einen Stützpfeiler der modernen Industriegesellschaft. Ohne die Fähigkeit der Menschen von heute, weite Strecken in kurzer Zeit zurückzulegen und als flexible biologische Entitäten beispielsweise regelmäßig die ihnen zugewiesenen Arbeitsplätze einzunehmen bzw. sich raschestmöglich der Regeneration ihrer verbrauchten Kräfte zu widmen, um über den Tag hinaus Ausbeutbarkeit zu gewährleisten, wäre die Entstehung des heutigen, hochqualifizierten Verwertungsregimes kaum vorstellbar. Inzwischen tritt jedoch die Endlichkeit des fossilen Energieträgers Erdöl, des wichtigsten Garanten der Motorisierung, deutlich zutage. Der Erdölverbrauch überwiegt die Kapazität der neu erschlossenen Förderfelder bei weitem. Experten rechnen mit einer beträchtlichen Verteuerung des Energieträgers als Folge des Ressourcenmangels.

Um die bestehenden Produktionsverhältnisse aufrechterhalten zu können wurde nach Ersatz gesucht und im sogenannten Biosprit (Ethanol, Biodiesel) gefunden. Welch desaströse Idee! Zu den zahlreichen negativen Effekten, Pflanzen anzubauen, um aus ihnen im großen Maßstab Treibstoff zu gewinnen - an vorderster Stelle ist da sicherlich das Konkurrenzverhältnis zum Anbau von Pflanzen für Nahrung zu nennen -, gehört die Vergrößerung von sauerstoffarmen, sogenannten Toten Zonen. Davon betroffen ist unter anderem der Golf von Mexiko.

Der US-Forscher Donald Scavia von der Universität von Michigan und seine Kollegen warnten am 18. Juni in einem Bericht des Wissenschaftsportals ScienceDaily.com, daß die diesjährige Tote Zone im Golf von Mexiko beinahe Rekordniveau erreichen dürfte. Die Forscher gaben für die Tote Zone eine voraussichtliche Spanne zwischen 19.295 und 21.900 Quadratkilometern an. Das bisher größte Ausmaß einer Toten Zone in dieser Region wurde im Jahr 2002 registriert und lag bei 21.973 Quadratkilometern.

Als Tote Zone (dead zone) gelten hypoxische Meeresregionen. In ihnen herrscht Sauerstoffmangel, der so groß ist, daß in ihnen alles Leben stirbt, abgesehen von Algen. Die binden den Sauerstoff aus dem Wasser, so daß er für andere Lebewesen nicht mehr verfügbar ist. Das Algenwachstum im Golf von Mexiko wird in erster Linie durch Düngereinträge (Stickstoff) aus der Landwirtschaft angeregt. Wobei der Mississippi als Träger dient. Er durchschneidet die landwirtschaftlichen Hauptanbaugebiete der USA und nimmt auf seinem Weg nach Süden reichlich Nährstoffe aufgrund der kräftigen Düngung auf, um schließlich seine schädliche Fracht über ein breites Delta in den Golf von Mexiko zu verteilen.

Die US-Regierung strebt jedoch einen kräftigen Ausbau des Biospritanteils am Treibstoffverbrauch an. In den letzten Jahren hat das Fabriken, in denen Mais zu Ethanol verarbeitet wird, wie Pilze aus dem Boden schießen lassen. Aufgrund des kräftig gesunkenen Weltmarktpreises für Biosprit mußten zwar einige Fabriken wieder schließen, aber der Trend weist in eine andere Richtung. Denn Erdöl wird knapp, also muß Ersatz her. Die Herstellung von Biosprit hat bereits den Düngereintrag aus der Landwirtschaft der USA erhöht.

Somit symbolisiert die alljährlich auftretende Tote Zone im Golf von Mexiko die Destruktivität einer Produktionsweise, die das Anhäufen von Kapital zum Ziel hat. Denn um das zu gewährleisten ist gegenwärtig eine hohe Beweglichkeit und somit Motorisierung der Menschen unverzichtbar.

Es steht zu befürchten, daß die Forderung nach einem Ende der Motorisierung die heutige hochkonsumtive Gesellschaft in ein ökodiktatorisches Regime transformiert wird. In dem werden Mobilität und Motorisierung vermutlich nur deshalb nicht mehr im gleichen Umfang wie heute gebraucht, weil die Menschen unmittelbar neben den Produktionsstätten, in denen sie ihre Arbeitskraft zu Grabe tragen dürfen, angesiedelt sind. Das muß man sich dann wohl wie eine Art Arbeitslager vorstellen.

25. Juni 2009