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LAIRE/107: Argumente der "Klimaskeptiker" überbewertet (SB)


Unterschied zwischen "Klimaskeptikern" und "Klimabefürwortern" nur marginal


Dramaturgisch geschickt inszeniert wurden kurz vor der Weltklimakonferenz im Dezember in Kopenhagen E-Mails veröffentlicht und kräftig skandalisiert, die belegen sollen, daß Klimaforscher ihre Daten, mit denen sie den menschlichen Einfluß auf die Erderwärmung nachweisen, zielführend manipuliert haben. Schnell machte der Begriff "Climategate" die Runde, eine Anspielung auf den Watergate-Skandal. Damit soll der Eindruck vermittelt werden, daß eine umfängliche Interessensgleichheit, Absprache oder gar Verschwörung unter Klimaforschern und Politikern existiert. Als nächstes wurde bekannt, daß eine Zahlenangabe im Weltklimabericht 2007, derzufolge bereits im Jahr 2035 die Gletscher des Himalaya-Gebirges verschwunden sein könnten, wissenschaftlich nicht belastbar ist und von der Arbeitsgruppe II in Kapitel 13 des IPCC-Sachstandsberichts ungeprüft kolportiert wurde.

Mittlerweile buddeln "Klimaskeptiker" weitere mutmaßliche Ungereimtheiten aus, beispielsweise daß der weithin bekannte Bericht von Sir Nicholas Stern über die Kosten des Klimawandels auf übertriebenen Zahlenangaben beruht und auch daß die Aussage, der Amazonas-Regenwald könnte um bis zu 40 Prozent verschwinden, falls die Niederschlagsmenge auch nur geringfügig abnimmt und einen Schwellenwert unterschreitet, nicht wissenschaftlich abgestützt ist.

Die Absicht, mit der "Klimaskeptiker" nach Schwachpunkten und Widersprüchen im Weltklimabericht suchen oder den Behauptungen von Wissenschaftlern, die auf die verheerenden Folgen des Klimawandels aufmerksam machen, entgegentreten, liegt auf der Hand. Sie wollen die Klimaschutzkampagne diskreditieren und so sehr erschüttern, daß die Regierungen keine nennenswerten Klimaschutzmaßnahmen hinsichtlich der Einsparung von Energie und Reduzierung von Treibhausgasen ergreifen. Diese Anstrengung könnten sich die Klimaskeptiker eigentlich sparen, denn es werden von den Regierungen ohnehin keine nennenswerten Klimaschutzmaßnahmen vereinbart, wie der Kopenhagen-Gipfel bewiesen hat.

Tragen die "Klimaskeptiker" das Licht der Aufklärung in die Finsternis, in der die Menschheit gefangen ist oder gar absichtsvoll von ihresgleichen gefangen gehalten wird? Sicherlich nicht. Mit ihrer Argumentation begeben sie sich aufs gleiche Feld der Wahrheit wie die Mainstream-Wissenschaftler, nur mit dem unbedeutenden Unterschied, daß sie eine andere Wahrheit vertreten. Dort treffen sich beide Varianten, so konträr sie zunächst auch erscheinen mögen. In der Konsequenz dürfte sich die Weltbildvariante der "Klimaskeptiker" noch mörderischer auf die Lebensverhältnisse der Menschen, die heute schon unter dem Klimawandel leiden, auswirken.

Klima ist der Inbegriff für Wandel, insofern könnte man Klimawandel als eine Art Pleonasmus bezeichnen, eine unnötige sprachliche Verdoppelung. Das ist keine Frage der Form, sondern des Inhalts. Denn da heute bereits zig Millionen Menschen von Dürren, Überschwemmungen, Stürmen oder Frostperioden heimgesucht werden, bedarf es keiner Prognose zum Klimawandel, um festzustellen, daß das Klima tödliche Folgen haben kann. Setzen sich die Klimaskeptiker für die betroffenen Menschen ein? Davon war bisher jedenfalls nicht die Rede.

Vielleicht haben die IPCC-Forscher an einigen Stellen übertrieben, wie die "Klimaskeptiker" behaupten. Vielleicht haben sie an anderer Stelle untertrieben und, um einen Konsens zu finden, relativ konservative Szenarien entworfen. Beispielsweise entzieht sich das Verhalten natürlicher Prozesse der wissenschaftlichen Vorhersage weitgehend, wenn es sich um Kippunkte handelt, die, einmal überschritten, hochdynamische Entwicklungen einleiten, die ein System fundamental verändern können, bis es sich auf einen gänzlich anderen "Zustand" einpendelt.

Wer sich als Klimaskeptiker aufspielt und - teils hämisch - auf Fehler oder Widersprüche im Weltklimabericht verweist, in seiner sogenannten Kritik aber völlig unterschlägt, daß Millionen Menschen in unwirtlichen Klimazonen leben und von ihren Regierungen wie auch der internationalen Staatengemeinschaft ignoriert oder gar am Verlassen dieser Regionen gehindert werden - siehe Hightech-Befestigungsanlagen an der Südgrenze der USA, in Ceuta, Melilla und an der Ostgrenze der Europäischen Union sowie Internierungslager in Nordafrika -, der betreibt das gleiche Spiel wie die Herrschenden, die es sich leisten können, einen Klimagipfel zum Scheitern zu bringen, da sie um die Sicherung ihrer Privilegien, nicht aber um den Schutz von Leben und die Herstellung dauerhaft erträglicher Lebensverhältnisse in den klimatisch benachteiligten Regionen der Erde besorgt sind.

28. Januar 2010