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LAIRE/155: Stuttgart 21 wird weitergebaut - dank Geißelheiners Zungenfertigkeit (SB)


Die inszenierte Bürgerbeteiligung - Zukunftsmodell der Demokratie


Die umstrittene Tieferlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs geht im neuen Jahr mit neuem Schwung voran. Die Taktik der Stuttgart 21-Befürworter ging auf. Die breite Bürgerbewegung gegen das Projekt wurde mit der uralten Herrschaftsmethode der Zuckerbrot und Peitsche ausmanövriert.

Im September vergangenen Jahres waren die S21-Gegner bei einer Demonstration zunächst zusammengeknüppelt und von der Straße gefetzt worden, so daß ihnen Hören und vor allem Sehen verging. Anschließend schob man ihnen vermeintlich einlenkend den janusköpfigen Geißelheiner unter, der mit seiner zersetzenden Rede die Bewegung weiter aufspaltete und den Widerstand entscheidend schwächte. Der frühere CDU-Generalsekretär hat unter Beweis gestellt, daß er es noch drauf hat.

Am Montag werden die während der Schlichtung unterbrochenen Bauarbeiten am Stuttgarter Hauptbahnhof fortgesetzt. Witterungsmäßig kommt der Zeitpunkt gelegen. Der Energiekonzern EnBW wird die Verlegung einer 220 Meter langen Starkstrom-Kabeltrasse vorbereiten, und im nördlichen Bereich des Bahnhofs wird eine Maßpegelstelle für die Regulierung des Grundwassers eingerichtet. Tags darauf gehen die Bauarbeiten auf dem abgezäunten Gelände weiter. Eine Sprecherin des Bahnprojekts beteuerte, daß für "diesen" Teil des Bahnprojekts keine Baumfällungen oder -verpflanzungen notwendig seien.

Für diesen Teil nicht, aber für andere, wäre zu ergänzen. Und was die "Notwendigkeit" für irgendwelche Abriß- oder Fällarbeiten betrifft, die von den S21-Befürwortern argumentativ ins Feld geführt wird, so ist sie selbst produziert. Eine andere Notwendigkeit besteht nicht.

Das Schlichtungsverfahren könne Vorbild für zukünftige Konflikte sein, befand die Presse. Auch begannen einzelne Politiker darüber nachzusinnen, ob nicht neue Formen der demokratischen Partizipation eingeführt werden sollten. Vorbei die Zeiten, als eine Regierung noch als Regierung identifizierbar war und so die Möglichkeit zur eindeutigen Opposition schuf! In Zukunft sitzt das Volk mit am Tisch der Herrschenden und darf so tun, als werde es an politischen Entscheidungsprozessen maßgeblich beteiligt.

Winterolympiade 2018 in München? Sicher doch - falls die NGOs bei den Verhandlungen für die alpine Fauna Ausweichsräume durchsetzen dürfen. Ein Alternativstandort zum atomaren Endlager Gorleben? Aber ja, wenn nur die Forderung von Anti-Akw-Aktivisten berücksichtigt wird, größere Abstände zwischen den Strahlenbehältnissen zu lassen. Nur auf den ersten Blick klingt es paradox: Durch eine stärkere Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungsfindungsprozessen werden die herrschenden Interessen besser geschützt als bei einem konfrontativen Politikstil.

8. Januar 2011