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LAIRE/174: US-Regierung läßt Umweltfolgen des Frackings untersuchen (SB)


Um Jahre zu spät

US-Energieministerium beruft Ausschuß zur Untersuchung der Gesundheits- und Umweltauswirkungen des Frackings ein


Ebenso wie vom "Streßtest" deutscher Atomkraftwerke nicht zu erwarten war, daß die damit beauftragte und von Industrieinteressen dominierte Reaktorsicherheitskommission den sofortigen Verzicht auf Atomstrom vorschlägt, dürfte auch die von US-Energieminister Stephen Chu Anfang des Monats initiierte Bewertung der unkonventionellen Gasförderung nicht das Aus dieser umweltschädlichen Energiegewinnungsform bedeuten. Seit ungefähr Mitte des vergangenen Jahrzehnts erlebt die Förderung von sogenanntem Shale Gas in den USA einen enormen Boom. Binnen weniger Jahre haben die Vereinigten Staaten den bisherigen Spitzenreiter der Gasförderung, Rußland, vom weltweit ersten Platz verdrängt.

Unkonventionelles Gas liegt nicht in großen Kavernen vor, die angezapft werden können, sondern ist im porösen Gestein eingebettet und muß regelrecht herausgebrochen werden. Bei dem dabei verwendeten Fracking-Verfahren wird der Untergrund zunächst senkrecht, dann, innerhalb der gasführenden Schicht, waagerecht angebohrt. Anschließend wird unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Untergrund gepreßt, damit sich die vielen kleinen Klüfte weiten und - dank des Sands - auch dann noch offen bleiben, wenn das Gemisch wieder hinaufgepumpt wird. Erst nach dieser Prozedur kann die Förderung von Gas beginnen.

Die Umweltfolgen des Frackings sind insofern nicht unerheblich, da ein Teil des Gemischs im Untergrund bleibt und das Grundwasser kontaminieren kann. Zudem muß das hinaufgepumpte Gemisch umweltgerecht entsorgt werden, und daß in den Shale-Gas-Feldern bis zu sechs Bohrungen pro Quadratkilometer ausgebracht, jeweils Zufahrtswege geschaffen und Tanks für das Gemisch aufgestellt werden, übt einen erheblichen Einfluß auf das Landschaftsbild aus.

Selbst der US-Regierung ist anscheinend zu Ohren gekommen, daß bei der Gasförderung nicht eitel Sonnenschein herrscht. Am 5. Mai 2011 sandte US-Energieminister Chu ein Memorandum an den Vorsitzenden des Secretary of Energy Advisory Board (SEAB), William J. Perry, und berichtete, daß er am 30. März von Präsident Obama angewiesen worden sei, im Kooperation mit anderen Institutionen für die Sicherheit der Shale-Gas-Entwicklung zu sorgen [1].

Zu diesem Zweck wies Chu das SEAB an, ein Unterkomitee zum Thema Fracking zu bilden, an dem auch außenstehende Experten aus der Industrie, der Umweltbewegung und der Bundesstaaten beteiligt werden. Der Energieminister räumte dem Unterkomitee eine Frist von 90 Tagen ein, damit es Vorschläge für unverzügliche Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Umweltschutzes unterbreitet; binnen sechs Monaten solle ein behördenübergreifender Konsens (zwischen der Umweltschutzbehörde EPA, dem Innenministerium und dem Energieministerium) zur Shale-Gas-Extraktion ausgearbeitet werden, um die Gesundheit der Bevölkerung und die Umwelt zu schützen. Dieser Aufgabe erteilte der Energieminister höchste Priorität.

Was genau das Komitee vorschlagen wird, steht naturgemäß nicht fest, aber wenn US-Präsident Obama keinerlei Bedenken gehabt hätte, daß das Fracking Gesundheits- und Umweltprobleme auslösen könnte, hätte er gar nicht erst eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Doch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit werden die USA die Förderung von unkonventionellem Erdgas nicht einstellen, sondern allenfalls von den beteiligten Gasförderunternehmen strengere Sicherheitsmaßnahmen verlangen. Auch das wäre vergleichbar mit der Einstellung der schwarz-gelben Bundesregierung zur Atomenergie, die auf absehbare Zeit nicht vollständig aufgegeben wird.

Frankreich hat der Förderung von unkonventionellem Erdgas eine Absage erteilt. Auch in Deutschland und anderen Ländern wie England und Südafrika regt sich Widerstand in der Öffentlichkeit gegen die Methode. Wenn aber die Alternative zum unkonventionellen Erdgas darin besteht, daß Deutschland weiterhin konventionelles Erdgas beispielsweise aus Rußland, Tadschikistan oder Algerien bezieht, dann werden die Umweltzerstörungen nicht vermieden, sondern externalisiert - wie bei anderen endlichen Rohstoffen, auf deren Verbrauch die westliche Industriegesellschaft zwingend angewiesen ist. Organisierte und unorganisierte Umweltschützer, die lediglich im eigenen Vorgarten (oder Naherholungsgebiet) keine Gasförderung sehen wollen, aber kein Problem damit haben, wenn es aus ein paar tausend Kilometern hierhergebracht wird, beteiligen sich letztlich am Spiel der herrschenden Kräfte, die sogar erklärtermaßen das Militär einsetzen würden, um den Nachschub an Erdgas aus fernen Weltregionen und damit den für sie vorteilhaften gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. Gesichert oder - in Neusprech - "verteidigt" wird nicht nur der Ressourcennachschub, sondern auch, daß die Umweltzerstörungen durch die Rohstofförderung woanders stattfinden.


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Quellen:
[1]
http://www.energy.gov/news/documents/Fracking_subcommittee_charge.pdf

[2] "France bans 'fracking' after months of protest", Andrew MacLeod für The Tyee, 13. Mai 201
http://thetyee.ca/Blogs/TheHook/BC-Politics/2011/05/13/FranceFracking/

18. Mai 2011