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LAIRE/218: US-Pipeline geborsten - schlechtes Omen für Keystone XL (SB)


"Größere Ölleckage" in Arkansas

Fischreicher See und beliebtes Freizeitziel entgeht knapp einer Katastrophe



Wenige Wochen nachdem bekannt wurde, daß das Umweltgutachten der US-Regierung für das Okay zu Keystone XL von einer Beraterfirma geschrieben wurde, die "zufällig" für den Hauptinvestor dieses Pipeline-Projekts arbeitet [1], bricht in den USA eine Pipeline und ergießt Tausende Liter Rohöl in die Umwelt. Öl, das mit vergleichsweise großem Aufwand aus kanadischen Teersanden gewonnen wird und dessen Produktion deshalb als besonders klimaschädlich gilt.

Umweltschützer protestieren seit langem gegen die Pipeline Keystone XL, mit der ebenfalls Rohöl aus kanadischen Teersanden befördert werden soll. Zuletzt haben sich Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie die Schauspielerin Daryl Hannah, Robert F. Kennedy (Neffe des früheren US-Präsidenten John F. Kennedy) sowie dessen Sohn Conor, aber auch zahlreiche namentlich nicht genannte Personen, an den Zaun um das Weiße Haus in Washington gekettet, um gegen die Klimapolitik der US-Regierung im allgemeinen und den Beschluß zur Erweiterung und Fertigstellung der insgesamt mehr als 2500 Kilometer langen Ölpipeline zu protestieren.

Am Karfreitag wurde festgestellt, daß die Pegasus-Pipeline des Ölkonzerns ExxonMobil nahe der Stadt Mayflower im Bundesstaat Arkansas gebrochen war und sich Öl in die Umwelt ergossen hatte. Es handelt sich um Rohöl vom Typ Canadian Wabasca Heavy, das von Pakota in Illinois zu Raffinerien in Nederland, Texas, am Golf von Mexiko geleitet werden sollte.

Nachdem das Leck gemeldet wurde, hat Exxon die Verbindung unterbrochen, um ein weiteres Auslaufen zu stoppen. [2] Die Herkunft und damit die Art des Rohöls, das durch eine Pipeline fließt, ist nicht nebensächlich. Denn das Rohöl aus kanadischen Teersanden läßt die Pipelines erheblich schneller korrodieren als konventionelles Erdöl. Nun stellen sich die Einwohner von Mayflower die Frage, ob die ExxonMobil-Pipeline für den Transport dieses Rohöls zugelassen und die Pipeline ausreichend oft auf rostende Stellen hin untersucht worden war.

Nach Einschätzung von ExxonMobil sind mehrere tausend Barrel (1000 Barrel = 159.000 Liter) Öl ausgelaufen. Am Ostersonntag waren allerdings schon rund 12.000 Barrel Öl und Wasser geborgen worden. Wieviel es am Ende sein werden, vermochte das Unternehmen, das sich bei der Bevölkerung für das Entstehen der Schäden und die Unannehmlichkeiten entschuldigt hat, noch nicht abzuschätzen. Abgesehen von dem Rohöl muß reichlich Erde abgetragen werden, denn die klebrige Masse ist auch in einige Vorgärten von Mayflower eingedrungen und hat die Erdabsperrungen getränkt.

Die Pegasus-Pipeline hat einen Durchmesser von 50 Zentimeter - die Keystone-XL-Pipeline wird einen Durchmesser von 90 Zentimeter haben. Bei einer Leckage würden unter Umständen in kurzer Zeit sehr viel größere Mengen auslaufen.

Die Umweltschutzbehörde EPA hat den aktuellen Schaden als "major spill", also als "größere Leckage" eingestuft. 22 Häuser mußten wegen der giftigen Gase, die von dem Rohöl freigesetzt werden, evakuiert werden. Das ausgelaufene Rohöl hat jedoch nicht den nahegelegenen Lake Conway erreicht, teilte die Polizei von Mayflower mit. [3]

Dieser 27 Quadratkilometer große See ist das ausgedehnteste Reservoir, das die Wild- und Fischkommission in den USA angelegt hat. Eine Verseuchung des Sees wurde offenbar nur durch die geistesgegenwärtige Reaktion der örtlichen Bevölkerung (Feuerwehr, Polizei, Stadtangestellte, etc.) verhindert. Das Öl war auf eine abschüssige Straße und in die öffentliche Kanalisation gelaufen, die normalerweise das Regenwasser in eine Bucht des Lake Conway einspeist. Daß das Rohöl diesen Weg nimmt, wurde durch den raschen Aufbau von Sperren aus Erde und Steinen verhindert. Später hat ExxonMobil vorsorglich noch einen weiteren Schutzwall bauen lassen.

Der geplante Streckenverlauf von Keystone XL wurde von der US-Regierung korrigiert, damit die Pipeline nicht mehr über den Einzugsbereich des Ogallala-Aquifers entlanggeführt wird. Hierbei handelt es sich um einen riesigen, fossilen Grundwasserspeicher, den die Farmer des Mittleren Westens der USA ausgiebig nutzen, um ihre Felder zu bewässern. Trotz der Verlegung der Route werden 39 öffentliche und 20 private Brunnen in einem Abstand von weniger als 30 Meter von der Pipeline entfernt liegen. Bei dem "major spill" von Mayflower hat das Öl eine sehr viel längere Strecke zurückgelegt, bevor es eingedämmt werden konnte.

Vergangene Woche wurde Exxon zur Zahlung von 1,7 Mio. Dollar Schadenersatz für eine Ölleckage im Jahr 2011 im Yellowstone River verdonnert. Eine Beförderung von Rohöl per Bahn stellt keine sichere Alternative zum offensichtlich unsicheren Pipeline-Transport dar. So ist vergangene Woche Mittwoch im Bundesstaat Minnesota ein 1,6 Kilometer langer Zug entgleist. Drei Tankwaggons sind zerbrochen, die kanadisches Rohöl enthielten, von dem rund 57.000 Liter ausgelaufen sind. [4]

Erdöl ist ein zentraler Rohstoff der menschlichen Zivilisation. Seine Förderung und Verarbeitung läßt sich nicht von einem Tag auf den anderen stoppen, ohne daß dies katastrophale Folgen nach sich zöge. Aber man könnte sich sehr wohl Schritt für Schritt vom Erdöl verabschieden, und ein erster Schritt seitens der US-Regierung bestünde darin, Keystone XL nicht weiterzubauen, und ein zweiter Schritt wäre, wenn Kanada aufhörte, Teersande auszukochen, um die bitumenartige Masse zu gewinnen und zu Treibstoff zu verarbeiten.

So etwas sind natürlich völlig weltfremde Vorschläge. Das stimmt. Eine Welt, in der ganz Landschaften der industriellen Verwertung zugeführt werden und am laufenden Band "Kollateralschäden" wie in Mayflower auftreten, eine Welt, in der Menschen ihre Produktivkraft dafür einsetzen und ihre Gesundheit in Arbeitsverhältnissen aufreiben, damit das Räderwerk aus Wirtschaftswachstum und technologischem Fortschritt niemals stillsteht, eine solche Welt bleibt vielen Menschen fremd. Keystone XL nicht zu bauen und fortan keine Teersande mehr abzubauen, könnten erste Schritte in eine andere Richtung sein.


Fußnoten:

[1] http://schattenblick.com/infopool/umwelt/meinunge/umme-214.html

[2] http://www.reuters.com/article/2013/03/31/us-exxon-pipeline-spill-idUSBRE92U00220130331

[3] http://www.cityofmayflower.com/archives/6107

[4] http://www.reuters.com/article/2013/03/28/us-usa-derailment-oilspill-idUSBRE92R02V20130328

1. April 2013