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LAIRE/286: Müll - Plastikwuchten, Plastiktod ... (SB)



Schaubild zur Frage 'Wie kommt das Mikroplastik ins Meer?' - Grafik: eskp.de/CC BY 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.en]

Plastikmüll im Meer - Mikropartikel sind der unsichtbare Teil eines globalen Problems, dessen Folgen längst nicht ausgelotet sind.
Grafik: eskp.de/CC BY 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.en]

Der Plastikmüll der menschlichen Konsumgesellschaft sammelt sich in riesigen Strudeln auf den Ozeanen, ist an den tiefsten Meeresböden zu finden, verteilt sich als Mikro- und Nanopartikel in der gesamten Wassersäule der Weltmeere und wird an die Küsten und Strände rund um den Globus angespült. Besonders betroffen ist Indonesien, das weltweit nach China den zweitgrößten Berg an Meeresmüll produziert und darüber hinaus Sammelpunkt für Müll aus anderen Ländern ist. Auf Platz drei kommen die Philippinen und den vierten Rang nimmt mit Vietnam ebenfalls ein asiatisches Land ein.

Die indonesische Regierung hat kürzlich eine weitere Aufräumkampagne mit mehreren hundert Müllsammlern und einer Armada von Booten gestartet. In der zurückliegenden Woche seien jeden Tag 40 Tonnen Plastikmüll zusammengetragen worden, sagte ein Behördensprecher gegenüber AFP [1].

Schätzungen zufolge produziert Indonesien jährlich 1,29 Mio. Tonnen Meeresmüll. Global sind es mehr als zehn Millionen Tonnen - rechnerisch landet jede Minute eine Lkw-Ladung Plastikmüll im Meer [2]. Innerhalb Indonesiens sind die Meeresgebiete rund um die Hauptstadt Jakarta Schwerpunkt der Plastikvermüllung. Im Zentrum der aktuellen Aufräumaktion steht jedoch ein Gebiet, das "Tausend Inseln" genannt wird und ungefähr eine Tagesreise entfernt liegt.

Wie problematisch der Müll für Schildkröten und andere Meeresbewohner ist, zeigen die toten Tiere, die gefunden und aufgeschnitten werden. Der Magen eines Pottwals, der vergangene Woche in einem Meeresschutzgebiet bei der indonesischen Insel Wakatobi in der Provinz Sulawesi angeschwemmt worden war, enthielt 115 Plastikbecher, 25 Plastiktüten, vier Plastikflaschen, einen Nylonsack, zwei Flipflop-Sandalen und über 1000 weitere Plastikteile. Das Gesamtgewicht des Plastikmülls im Magen des Meeressäugers betrug 5,9 Kilogramm [3].

Im Dezember vergangenen Jahres haben die indonesischen Behörden einen "Abfallnotstand" ausgerufen, nachdem ein Küstenabschnitt der Insel Bali mit Müll zugeschwemmt worden war. Vor allem zur Jahreszeit der Monsunniederschläge mit ihren teils weitflächigen Überschwemmungen wird Plastikmüll vom Land ins Meer gespült und landet dann unter anderem auf dieser von vielen Touristen besuchten Insel. Das malerische Strandambiente wird dann doch sehr von dem getrübt, was Mensch unter seinen nackten Fußsohlen unangenehm zu spüren bekommt: Joghurtbecher, Eßbesteck, Kronkorken, Plastikflaschen, Plastiktüten, Kinderspielzeug und jede Menge keinem bestimmten Objekt mehr zuzuordnende Plastikstücke. Manche Hotels säubern jeden Morgen in der Früh, bevor die Urlauber auf den Beinen sind, ihre Strände und versuchen, dem Trend entgegenzuwirken, daß die Touristen wegen des Mülls wegbleiben [4].

Wobei sich eine Säuberung der Strände notgedrungen darauf beschränkt, daß der mit bloßem Auge gut sichtbare Teil des Mülls zusammengeharkt und eingesammelt wird, wohingegen die winzigen Plastikpartikel, die stellenweise bereits einen nicht zu vernachlässigenden Teil der gesamten Masse des Strands ausmachen, auf dem die Touristen ihre Decken ausbreiten, liegenbleiben.

Im Jahr 2017 hat die Regierung des 260-Millionen-Volks einen "Action Plan" vorgestellt, demzufolge 70 Prozent des Plastikmeeresmülls bis 2025 reduziert werden sollen. Für die Maßnahme wird eine Milliarde US-Dollar jährlich aus dem Haushalt bereitgestellt [5]. Vier Flüsse Indonesiens - Brantas, Solo, Serayu and Progo - zählen zu der Gruppe der 20 schmutzigsten Flüsse der Welt, auf die wiederum schätzungsweise 67 Prozent des gesamten Plastikmüllaufkommens der Weltmeere entfallen, wie im vergangenen Jahr eine Forschergruppe in "Nature Communications" berichtete [6].

Plastik ist in aller Munde, sowohl was das Thema Müll betrifft als auch sprichwörtlich. Denn in Fischen und anderen Meeresbewohnern, die auf dem Speiseplan der Menschen stehen, akkumulieren sich winzige Plastikpartikel. Wer allerdings aus diesem Grund auf den Fischverzehr verzichtet und statt dessen an Land erzeugte Nahrung bevorzugt, entkommt dem Problem nicht, da auch landwirtschaftliche Flächen mit Plastikteilen kontaminiert sind.

Produkte aus Kunststoff gab es zwar schon vor Jahrhunderten - der Technikatlas verweist auf den Augsburger Benediktinerpater Wolfgang Seidel, der 1531 einen Magerkäse solange erhitzte und erkalten ließ, bis daraus Kunsthorn wurde [7] -, doch die massenhafte Ausbreitung des Plastikmülls setzte erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ein. Der Autor dieser Zeilen hat es selbst miterlebt, daß eines Tages Käse nicht mehr nur am Stück oder frisch geschnitten angeboten wurde, sondern in einer Plastikverpackung, wobei zusätzlich noch jede einzelne Scheibe mit Folie umhüllt war, die abgezogen werden mußte. Auch wenn sich solche Einzelverpackungen der Käsescheiben nicht durchgesetzt haben, ist das Beispiel typisch für einen bis heute anhaltenden Trend zur Verpackung in der Verpackung in der Verpackung.

Inzwischen wird zwar versucht, gegenzusteuern, wie das Beispiel Indonesien zeigt, doch noch nimmt die weltweite Menge an Plastikmüll zu. Dessen wachsender Berg ist Ergebnis einer Konsum- und Warenwelt, die in den Industriestaaten ihren Anfang genommen hat. Aus der nachholenden Entwicklung der Entwicklungs- und Schwellenländer wurde inzwischen eine voranschreitende.

Plastik ist praktisch, und da Plastikverpackungen für die Produzenten ein vergleichsweise geringer Kostenfaktor sind, können sie Klein- und Kleinstportionen anbieten und damit ihre Umsätze noch steigern. Hier koppelt sich die Warenwelt mit den vorherrschenden gesellschaftlichen Lebensverhältnissen, die auf eine zunehmende Vereinzelung hinauslaufen. Die wöchentliche Plastikmüllmenge von fünf Einzelhaushalten dürfte um einiges größer sein als die eines Fünf-Personen-Haushalts. Dabei hat das Plastikmüllproblem nur zum Teil mit dem zu tun, was Verbraucherinnen und Verbraucher wegwerfen. Mehr als die Hälfte des Plastikmülls entsteht ganz woanders, nämlich irgendwo im Vorfeld der Produktionskette, bis daß die Ware das Supermarktregal, den Baumarkt oder andere Einzelhandelsgeschäfte erreicht.


Fußnoten:

[1] http://www.terradaily.com/reports/Indonesian_island_clean-up_nets_40_tons_of_rubbish_daily_999.html

[2] https://www.weforum.org/agenda/2018/03/8-steps-to-solve-the-oceans-plastic-problem/

[3] https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2018-11/indonesien-toter-pottwal-gestrandet-kueste-wakatobi-plastikmuell

[4] https://www.abc.net.au/news/2018-02-21/bali-beaches-swamped-by-garbage/9467974

[5] tinyurl.com/yag9cazg

[6] https://www.nature.com/articles/ncomms15611#t1.

[7] http://www.technikatlas.de/~tb4/geschichte.htm

30. November 2018


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