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STANDPUNKT/134: Die umweltgerechte Reform der EU-Agrarpolitik ist dringend notwendig (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Februar 2011

STANDPUNKT: Die umweltgerechte Reform der EU-Agrarpolitik ist dringend notwendig!

Von Wolfgang Köck


Vor wenigen Wochen hat das Bundeskabinett den "Indikatorenbericht 2010 zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt" beschlossen. Darin wird nach drei Jahren Laufzeit Zwischenbilanz gezogen im Hinblick auf die Ziele, die sich die Bundesregierung in Sachen Biodiversität bis 2020 gestellt hat. Und die offenbart nur mäßige Erfolge. So liegt von den 12 Indikatoren mit quantitativen Zielwerten mit der "nachhaltigen Forstwirtschaft" nur einer in der Nähe des Zielbereiches. Bei den übrigen ist der Zielerreichungsgrad gering bzw. sehr gering. Dies gilt auch und gerade für die Ziele, die die Landwirtschaft betreffen.

Will man bei der Ökologisierung der Landwirtschaft einen entscheidenden Schritt weiterkommen, muss das Hauptaugenmerk auf einer wesentlich konsequenteren gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) liegen. Doch wie sehen die aktuellen Pläne dazu aus? Ende des Jahres 2010 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Mitteilung(*), in der sie Einblick in ihre Reformpläne zur GAP gibt. Danach soll die GAP auch weiterhin aus zwei Säulen bestehen (1. Säule: Direktzahlungen; 2. Säule: Entwicklung des ländlichen Raums einschließlich Agrarumweltmaßnahmen) und dabei drei Hauptziele verfolgen: Rentable Nahrungsmittelerzeugung, nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und Klimamaßnahmen, ausgewogene räumliche Entwicklung.

Erreicht werden sollen die Ziele durch eine "grünere" erste Säule. Dabei scheint der Kommission bewusst zu sein, dass das Festhalten an den Direktzahlungen nur gerechtfertigt werden kann, wenn über die Einhaltung bestimmter Vorschriften ("cross compliance") hinaus für ökologische Leistungen gesorgt wird. Innerhalb der zweiten Säule sollen Schwerpunkte stärker als bislang auf Wettbewerbsfähigkeit, Innovation, Klimawandel und Umwelt liegen. Zum Gewichtungsverhältnis der ersten und zweiten Säule und auch zu den insgesamt zur Verfügung stehenden Geldmitteln äußert man sich leider nicht. Gegenwärtig entfallen 75% (2008: 49,9 Mrd. Euro) auf die erste Säule und 25% auf die zweite Säule. Da jedoch Agrarumweltmaßnahmen einen wichtigen Teilbereich der zweiten Säule bilden, sollte es im Zuge der Reform auf jeden Fall darum gehen, die zweite Säule zu stärken. Ob dies gelingen wird, ist fraglich. Kritikwürdig ist meines Erachtens ebenso, dass mit Blick auf die Umweltbeeinträchtigungen durch die Landwirtschaft nach wie vor nicht das Verursacherprinzip der Ausgangspunkt für Handlungsoptionen ist, sondern sozioökonomische Überlegungen, deren empirische Basis fragwürdig ist. So wird daran festgehalten, dass die Direktzahlungen an die Landwirtschaft zur Aufrechterhaltung der Ernährungssicherheit in Europa auch aufgrund des "wachsenden weltweiten Nahrungsmittelbedarfs" zu erfolgen hat. Dabei wissen wir doch, dass sich die Probleme der Welternährung nicht mit europäischen Überschüssen lösen lassen, sie sogar kontraproduktiv auf die Funktionsfähigkeit der lokalen Märkte in Schwellen- und Entwicklungsländern wirken. Ebenso möchte ich die These infrage stellen, dass die Entwicklung ländlicher Räume auch heute noch maßgeblich an Arbeitsplätze in der Landwirtschaft gebunden ist. Hängt die Entwicklung ländlicher Räume nicht vielmehr von einer Kombination der Entwicklung regionaler Märkte und der Bewahrung regionaler Landschaften ab? Der dafür notwendige Paradigmenwechsel ist in der Kommissions-Mitteilung zwar angedeutet, aber für meine Begriffe noch nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht.

Im Ansatz überzeugender - weil besser mit dem Verursacherprinzip vereinbar - ist für mich die Forderung des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU), Zahlungen an die Landwirtschaft nur für die Bereitstellung öffentlicher Güter zu leisten. Nach den Vorstellungen des SRU sollte die neue GAP eine ökologische Grundprämie für Landwirte vorsehen, die 10% ihrer landwirtschaftlichen Nutzflächen als ökologische Vorrangflächen bereitstellen. Darüber hinausgehende Vergütungen an die Landwirte sollen für punktuelle Maßnahmen entsprechend den bisherigen Agrarumweltprogrammen gezahlt werden. Eine solche Konzeption steht auch im Einklang mit dem jüngst auf der CBD-Vertragsstaatenkonferenz im japanischen Nagoya erarbeiteten "Strategischen Plan 2011-2020", der u. a. das Ziel formuliert, bis 2020 alle Subventionen zu beenden, die negative Auswirkungen auf die Biodiversität haben.

Es bleibt zu hoffen, dass die Reformvorstellungen der Kommission und die Forderungen, die von Seiten der Umweltexperten, etwa aus dem Sachverständigenrat, an diese Reform herangetragen werden, wenn schon nicht im Ansatz, so doch im Ergebnis konvergieren werden. Auf den europäischen Gesetzgebungsvorschlag zur neuen GAP und dessen Schicksal im weiteren Gesetzgebungsverfahren dürfen wir gespannt sein. Von dessen Ergebnis wird es maßgeblich abhängen, ob die 2020-Biodiversitätsschutzziele erreicht werden können.

(*) "Die GAP bis 2020: Nahrungsmittel, natürliche Ressourcen und ländliche Gebiete - die künftigen Herausforderungen"

Prof. Dr. Wolfgang Köck ist Leiter des Departments Umwelt- und Planungsrecht am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und Direktor des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht an der Juristenfakultät der Universität Leipzig. In einem Beitrag für das 2010 erschienene Buch "Focus Biodiversität - Wie Biodiversität in der Kulturlandschaft erhalten und nachhaltig genutzt werden kann" (Stefan Hotes und Volkmar Wolters, oekom-Verlag) befasst er sich ausführlich mit dem Verhältnis von Landwirtschaft und Naturschutzrecht. e-mail: wolfgang.koeck[at]ufz.de


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Quelle:
UFZ-Newsletter Februar 2011
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Mai 2011