BUND MAGAZIN - 2/2019
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany
Was ist gemeinnützig?
von Olaf Bandt
Politisch aktive Vereine stützen die Demokratie. Doch ihr Einfluss führt vermehrt zu Kritik - und zu Versuchen, ihnen die Gemeinnützigkeit streitig zu machen. Hier muss der Gesetzgeber reagieren.
In den vergangenen Jahren häufen sich Angriffe aus Justiz und Politik
auf Umweltverbände und andere Vereine der Zivilgesellschaft: So entzog
kürzlich das Bundesfinanzgericht »Attac« die Gemeinnützigkeit. Kreise
der AFD, FDP und Union fordern, auch der Deutschen Umwelthilfe die
Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Ähnlich erging es dem BUND 2011 in
Hamburg, als er einen Volksentscheid unterstützte, um die Hamburger
Stadtwerke zu rekommunalisieren.
Der Verlust der Gemeinnützigkeit ist für die Betroffenen existenzbedrohend. Das Finanzamt verlangt dann die Einkommensteuern, die Mitglieder und Spenderinnen per Spendenquittung gespart haben, von der Organisation zurück. Da dies oft rückwirkend für mehrere Jahre erfolgt, kann der Entzug kleine und große Vereine in den Ruin treiben. Seit dem Urteil gegen Attac fragen sich deshalb viele, wie sie politisch aktiv bleiben können.
Die scharfen Angriffe auch aus etablierten Parteien sind in Deutschland neu. In Ländern wie Ungarn dagegen sind massive Angriffe und die Behinderung von Stiftungen und Vereinen längst an der Tagesordnung. Wer unliebsam ist und sich etwa für die Umwelt oder Geflüchtete einsetzt, den will Victor Orban per Sondergesetz »wegputzen«.
In Deutschland galt das bislang als undenkbar. Doch nun wird uns und anderen offen unterstellt, wir seien (statt für inhaltliche Ziele) nur aktiv, um Spenden einzuwerben. In der Kritik stehen grundsätzlich alle Vereine, die politische Entscheidungen angeblich zu stark beeinflussen.
Dabei erfüllen Vereine und Verbände eine zunehmend wichtige Rolle in modernen Demokratien. Indem wir mehr Klimaschutz oder eine artgerechte Tierhaltung fordern, greifen wir Anliegen auf, die sich auf große Mehrheiten in der Gesellschaft stützen. Und wir bieten Menschen, die sich sonst nicht vertreten fühlen, ein parteiübergreifendes Engagement an. Wir rufen zur Teilnahme an Wahlen oder Volksentscheiden auf, eine Säule der Demokratie. Droht das künftig unsere Gemeinnützigkeit zu gefährden?
Rein formal beruhen die Angriffe auf einer engen Auslegung der Abgabenordnung, die gemeinnützige Spendenzwecke bestimmt. Beim BUND sind dies der Naturund Umweltschutz und die Landschaftspflege, die als eindeutig gemeinnützig gelten. So urteilte das Bundesfinanzgericht 2017, der BUND dürfe bei der Verfolgung dieser Ziele auch politisch Einfluss nehmen, was das Grundgesetz im Kern den Parteien vorbehält. Uns droht daher zur jetzigen Zeit kein Entzug unserer Gemeinnützigkeit.
Viel schwerer wiegt dies bei Attac oder Campact, die gemeinnützig wurden, weil sie die politische Bildung fördern. Laut Bundesfinanzgericht schließt das einen gezielten Einfluss auf politische Entscheidungen aus - eine sehr enge Auslegung von politischer Bildung.
Wegen der Bedeutung vieler politisch aktiver Vereine für unsere Demokratie bedarf es dringend einer Rechtsreform, wonach demokratisches politisches Engagement selbstverständlich gemeinnützig ist. Nur so lassen sich die Meinungsfreiheit und das Engagement vieler Vereine für eine lebendige Demokratie sichern.
Olaf Bandt leitet als Bundesgeschäftsführer die Politik
und Kommunikation des BUND.
*
Quelle:
BUND MAGAZIN 2/2019, Seite 26
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
E-Mail: redaktion@bund.net
Internet: www.bund.net/bundmagazin
Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr
veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2019
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang