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ATOM/314: Neue tektonische Bruchzone unter US-Endlager entdeckt (SB)


Heiße Ware auf heißem Grund

US-Endlager soll in einer tektonisch unsicheren Region gebaut werden


Der geplante Endlagerstandort Yucca Mountains im US-Bundesstaat Nevada liegt in einem seismisch unruhigen Gebiet. Dort verlaufen zahlreiche tektonische Bruchlinien, an denen es regelmäßig zu kleineren bis mittleren Erdbeben kommt. Ungeachtet der Warnungen von Geologen will die Bush-Administration das bereits vor Jahrzehnten begonnene Projekt durchboxen, auch gegen den massiven Widerstand der Staatsregierung von Nevada.

Wie unsicher der Standort in Wirklichkeit ist, beweist die Entscheidung der mit dem Bau des Endlagers betrauten Ingenieure, einige bereits fest eingeplanten baulichen Strukturen zu verlegen, nachdem die Analyse von Gesteinsmaterial ergeben hat, daß unterhalb jenes Standorts eine tektonische Bruchlinie verläuft.

Laut der "New York Times" (25.9.2007) teilte Allen Benson, Sprecher des Energieministeriums in Las Vegas, mit, daß die Korrekturen an dem Projekt im Juni beschlossen worden seien. Dem ging eine Studie des Geologischen Dienstes der USA vom 21. Mai voraus, derzufolge die Bow-Ridge-Bruchlinie "weiter östlich als angenommen" verlaufen könnte.

Die Zeitung beruft sich ihrerseits auf einen Bericht des Journals "Las Vegas Review", dem Unterlagen des Geologischen Dienstes vorlägen. Bei den Bauten, für die ein anderer Ort gesucht wurde, handelt es sich um keine nebensächliche Einrichtung: Auf der neu entdeckten Bruchzone sollten Betonflächen geschaffen werden, auf der die Behältnisse mit hochradioaktivem Abfall zunächst einmal abgekühlt werden sollten, bevor sie in den Tunneln der Yucca-Berge verbracht würden. Das heißt, es hätte sich um das heißeste und damit gefährlichste Nuklearmaterial innerhalb des Endlagerkomplexes gehandelt.

Die US-Regierung will 77.000 Tonnen hochradioaktiven Abfall aus der jahrzehntelangen Atombombenproduktion und Kernenergienutzung in das wasserdurchlässige Vulkangestein der Yucca Mountains verbringen. Eigentlich sollte es in den USA nur einen solchen Endlagerstandort geben - es wurden jedoch erheblich größere Mengen hochradioaktiven Abfalls produziert als jene 77.000 Tonnen. Das könnte bedeuten, daß das Energieministerium die heiße Fracht dichter packen will als geplant, was das Risiko eines radioaktiven Austritts in die Umgebung verstärkte, oder aber daß ein zweites Endlager geplant ist. Davon ist bislang nichts bekannt. Denkbar wäre auch die Option, die bislang 44.000 Tonnen hochradioaktiven Abfalls, die nicht in die Yucca Mountains eingefahren werden können, an ihren gegenwärtigen Standorten zu belassen.

Wie der Schattenblick bereits in der Vergangenheit berichtete, gibt es zwei zentrale Fragen hinsichtlich der natürlichen Voraussetzungen des geplanten Endlagers: Wie wasserdurchlässig ist das Gestein, in das der Nuklearabfall eingelagert werden soll? Und welche Gefahr erwächst dem Lager aufgrund der Erdbeben?

Die Yucca Mountains bestehen aus Tuffgestein, das sich durch vulkanische Aktivitäten vor mehr als zehn Millionen Jahren gebildet hat. Der Vulkanismus gilt zwar als erloschen - der letzte Ausbruch fand hier vor 80.000 bis 100.000 Jahren statt -, aber welche Spannungen und Reibungen sich in tausenden von Jahren im Untergrund aufgebaut haben oder aufbauen werden, vermag niemand abzuschätzen. Das Klima in der Region ist trocken, zur Zeit jedenfalls. Wie sich das Klima in den nächsten hundertausend Jahren entwickelt - so lange muß das Endlager mindestens "sicher" sein -, weiß ebenfalls niemand. Falls es zu einer Verschiebung der Klimaverhältnisse kommt und die Region feuchter wird, wären die aus einer flachen Ebene herausragenden Yucca-Berge ein Hindernis, an dem sich die Wolken dann ausregneten - und das Endlager liefe voll Wasser.

Geologisch ruhig ist die Region auf keinen Fall, immer wieder kommt es zu Erdbeben, teils bis zu einer Stärke von 5,0 auf der Richterskala. Das gesamte Gebiet wird von 33 tektonischen Bruchzonen durchzogen. Die größte von ihnen - Ghost Dance Fault genannt - verläuft unmittelbar unter dem geplanten Endlager. In einem Umkreis von 80 Kilometern waren in den letzten 25 Jahren über 620 Erdbeben mit einer Stärke von 2,5 und höher registriert worden (Stand: April 2005). Einmal war bei einem dieser Erdbeben ausgerechnet an einer Testeinrichtung des Energieministeriums ein Schaden von mehr als eine Million Dollar entstanden! Am 14. Juli 2002 kam es zu einem Erdbeben mit der Stärke 4,4 auf der Richter-Skala, was schon nicht mehr als klein bezeichnet werden kann. Das Epizentrum lag nur 30 Kilometer vom Endlagerstandort entfernt.

In einer Studie aus dem Jahre 1997, die im Auftrag der Staatsregierung von Nevada durchgeführt wurde, kamen zwei Geophysiker der Universität von Colorado in Boulder zu dem Schluß, daß ein Erdbeben der Stärke fünf oder sechs den Grundwasserspiegel der Yucca Moutains anheben könnte, so daß das geplante Endlager überflutet würde. Es bestünde die Gefahr, daß die eingelagerten Container durchrosteten und es zur Freisetzung hochradioaktiver Substanzen in Grundwasser und Atmosphäre käme. Da das Endlager so konzipiert ist, daß es zwar gegenüber Erdbeben bis zu einer Stärke von 6,8 auf der Richterskala sicher sein soll, aber die mit Nuklearabfall befüllten Tunnel nicht mehr zugänglich sein werden, wäre solch ein Schaden nicht zu beheben.

2. Oktober 2007