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ATOM/320: Phantasmagorien der Nuklearlobbyisten (SB)


Kernkraftwerke werden nicht am Fließband gebaut

Die japanische Atomenergiekommission verbreitet eine völlig überzogene Prognose zur Zahl der Kernkraftwerke im Jahr 2030


Unermüdlich bemüht sich die Nuklearlobby um den Eindruck, daß die Rettung der Welt vor dem Klimawandel allein von ihr abhängt. Als bräuchten die Menschen nur fleißig Kernkraftwerke zu bauen, dann hätte die Erde ein Einsehen und würde sich nicht weiter aufheizen. In diesem Zusammenhang werden dann manche abenteuerliche Prognosen, Berechnungen und Forderungen verbreitet, die vor allem die Funktion haben, die Öffentlichkeit an der Nase herumzuführen.

Es ist kaum zu glauben, aber ein zentrales Argument jener Lobbyisten stützt sich darauf, daß es noch klimaschädlichere Technologien zur Energiegewinnung gibt als Kernkraftwerke. Deshalb sollen sie nun "klimafreundlich" sein, so der meist unausgesprochene Umkehrschluß. Derlei Blendwerk noch nicht genug, verweisen die Hohepriester der Nuklearwirtschaft auch gern auf den reinen weißen Dampf, der den Kühltürmen entströmt und aus vermeintlich klimafreundlichem Wasserdampf besteht.

Bei solchen Behauptungen handelt es sich um einen umfangreichen Täuschungsversuch. Nicht nur weil auch Wasserdampf zum Treibhauseffekt beiträgt, sondern vor allem weil Kernkraftwerke nur einen kleinen Ausschnitt aus der gesamten nuklearen Infrastruktur, die für ihren Betrieb unverzichtbar ist, darstellen. Bei einer seriösen Bewertung des Klimaeinflusses einer Technologie darf dies selbstverständlich nicht ignoriert werden. Wer das dennoch tut, diskreditiert sich selbst.

Zur Rede gestellt, würde sicherlich kein Nuklearlobbyist leugnen, daß der Abbau von Natururan, dessen Anreicherung, die Herstellung von Brennelementen und nicht zuletzt die Verbringung von Nuklearmüll in Zwischen- oder Endlagern erhebliche Energieaufwände erfordert. Aber wenn die vermeintlichen Vorzüge der Kernenergie angepriesen werden, bleibt diese "Nebensächlichkeit" in der Regel unerwähnt.

Das gilt beispielsweise für die japanische Atomenergiekommission, die ihrer Regierung beratend zur Seite steht. Japan präsentiert sich spätesten seit der Klimakonferenz von Kyoto 1997 als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Nun schrieb die Atomenergiekommission in einem Jahresbericht an das Kabinett von Premierminister Yasuo Fukuda, daß Japan international darauf hinwirken möge, daß die Verbreitung der friedlichen Nutzung der Kernenergie als unverzichtbarer Beitrag gegen die globale Erwärmung anerkannt wird (AFP, 21.3.2008).

Die Kommission stellte sogar die haltlose Prognose auf, daß es im Jahr 2030 weltweit 790 Kernkraftwerke geben könnte - 2006 waren es global 435. Solche Zahlen tragen ebenfalls zur Täuschung der Öffentlichkeit bei. Würde die Vorhersage zutreffen, so müßten von diesem Monat an pro Jahr weltweit 16 neue AKWs gebaut werden. Das wäre ein Akw pro Monat und alle drei Monate ein zusätzliches. Um diesen Wert zu erreichen, hätten die Nuklearenergiestaaten schon vor fünf bis zehn Jahren mit dem Bau beginnen müssen, denn so lange dauert die Errichtung und Inbetriebnahme von Kernkraftwerken mindestens. Da dies nicht geschehen ist, wäre frühestens in fünf bis zehn Jahren mit dem erwarteten Schwall an neuen Reaktoren zu rechnen. Das würde auf der anderen Seite bedeuten, daß dann pro Monat zwei neue Kernkraftwerke errichtet werden müßten und daß jetzt unverzüglich die Voraussetzungen geschaffen werden, damit zu dem Zeitpunkt Monat für Monat irgendwo in der Welt zwei Kernkraftwerke in Betrieb gehen. Dazu wird es nicht kommen, das übersteigt die Kapazitäten der Kernkraftwerksbauer bei weitem.

Dieses kleine Rechenexempel zeigt, mit welchen Methoden die Nuklearlobby arbeitet. Will sie der Öffentlichkeit ernsthaft glauben machen, daß zwar ihre Argumente unsauber sind, nicht jedoch die Technologie, mit denen sie gesellschaftlich durchgesetzt werden soll?

25. März 2008