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ATOM/352: Indiens Premier kündigt Bau von Thorium-Reaktoren an (SB)


Indien setzt auf unausgereifte Nukleartechnologie


Die sogenannten Schwellenländer wollen Industriestaaten werden und brauchen dafür Unmengen an Energie. Indien beispielsweise, mit 1,1 Mrd. Einwohner zweitbevölkerungsreichste Nation der Erde, will seine Atomstrommenge bis 2050 massiv ausbauen. Das kündigte der indische Premierminister Manmohan Singh am Mittwoch in Delhi an, wie die britische Zeitung "The Guardian" am selben Tag berichtete. Singh schwärmte davon, daß sein Land bis Mitte des Jahrhunderts 470.000 MW elektrische Energie aus Kernkraftwerken produzieren wird. Zum Vergleich: Die gegenwärtig 17 Nuklearanlagen Indiens generieren nur ein Hundertstel davon.

Singh bezeichnete den Bau neuer Kernkraftwerke als Indiens Beitrag gegen den Klimawandel und begründete die Pläne mit der Abhängigkeit von Erdöl, das zu 70 Prozent eingeführt werden müsse. Zur geplanten Zahl der neuen Reaktoren sagte der Premierminister nichts, ebensowenig wie zu den veranschlagten Kosten. Doch erklärte er, daß der Vertrag mit den USA zur Nukleartechnologie den Weg freigemacht habe, um in größeren Kategorien zu denken.

Die indische Regierung folgt mit ihren Nuklearplänen China, das in den nächsten Jahrzehnten mehrere Dutzend neue Reaktoren bauen will. Indien will Thorium-Hochtemperaturreaktoren entwickeln, was eine bis heute noch nicht vollständig ausgereifte Technologie ist - sofern man davon überhaupt bei Kernkraftwerken sprechen kann. Der einzige deutsche Hochtemperaturreaktor, der jemals elektrischen Strom ins Netz eingespeist hat, steht in Hamm-Uentrop und lief nur mit Unterbrechungen zwischen 1985 und 1989. Indien verfügt über reichlich eigene Thorium-Ressourcen und hat geplant, das Material mit Plutonium wiederaufzubereiten. Laut Singh wurde inzwischen Stufe zwei des dreistufigen Nuklearprogramms erreicht, indem im Süden des Landes der Bau des Prototyps eines Brutreaktors abgeschlossen wurde.

Nicht alle teilen Singhs ungetrübte Technologiefreudigkeit. SP Udayakumar, Sprecher von India's Alliance for Anti-Nuclear Movements, hegt Zweifel, daß die Technologie, auf die Indien setzt, überhaupt jemals ausgereift genug sein wird. Falls sie nicht funktioniert, stehe Indien mit dem ganzen Abfall, der 24.000 Jahre braucht, um sicher zu sein, da. Das sei ein Spiel, für das kommende Generationen bezahlen werden, so Udayakumar. Außerdem machte er darauf aufmerksam, daß in der gesamten Infrastruktur rund um die Nuklearenergie Treibhausgase produziert werden. Indien säße womöglich nicht nur auf dem Strahlenmüll, sondern hätte auch unnötig Treibhausgase produziert.

1. Oktober 2009