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ATOM/383: Fukushima und das Märchen von der klimafreundlichen Atomenergie (SB)


Angesichts der Folgen der Akw-Katastrophe in Japan verliert die Sorge über den Klimawandel vollständig an Bedeutung

... ebenso wie die Märchen der PR-Agenturen über die angeblichen Vorzüge der Akws


Auch vor Beginn der laufenden Katastrophe in einer Reihe von japanischen Kernkraftwerksblöcken war die Behauptung der Atomenergielobby, daß Akws klimafreundlich sind, da aus ihren Kühltürmen nur Wasserdampf entweiche, ein PR-Märchen, am ehesten vergleichbar mit "des Kaisers neue Kleider", in dem es zwei gewitzten Betrügern gelungen war, durch eigentlich durchsichtige Versprechungen eine Zeitlang von den Privilegien am Hofe des Königs zu partizipieren. Vom Akkumulationsmodell der marktwirtschaftlichen Produktionsweise wollen auch die Betreiber des japanischen Akw Fukushima I partizipieren, weswegen sie anscheinend Informationen über den Zustand mehrerer havarierter Reaktoren nur portionsweise herausgeben. Aber die Katastrophe offenbart - neben vielen weiteren, teils noch bedeutenderen Aspekten - auch die Absurdität der Behauptung, Akws seien klimafreundlich oder gar kohlenstoffneutral.

Wer sich dementsprechend bei Akws vom bloßen Wasserdampf, der den Kühltürmen entweicht, beeindrucken läßt, blendet den ungeheuren Aufwand für die gesamte Produktionskette, bis ein Stück Natururan elektrischen Strom erzeugt, und damit die ungeheuren Mengen an Treibhausgasemissionen, kurzerhand aus. Und nicht nur bei der Zubereitung des Brennstoffs, auch in der Verbringung und Lagerung des Nuklearabfalls, werden Kohlendioxid (CO2) und andere Treibhausgase produziert. Entwicklungen der letzten Jahre haben deutlich gemacht, daß die Entsorgung radioaktiven Mülls auch hinsichtlich der dabei produzieren Treibhausgase viel zu sehr vernachlässigt wurde.

Beispiel USA: Rund 20 Jahre lang wurden die Yucca Mountains als Endlagerstandort für rund 77.000 Tonnen hochradioaktive Abfälle "erkundet". Erkunden ist ein Sammelbegriff für umfangreiche Erschließungsarbeiten, wozu auch das Bohren von Tunneln, der Bau von Gebäuden, die Entwicklung und Erprobung von radioaktiven Behältnissen und vieles mehr gehören. Im Februar 2009 stoppte US-Präsident Barack Obama das Projekt.

Yucca Mountain liegt zwar in einer heute relativ trockenen Gegend, nämlich in der Wüste von Nevada, aber angesichts des Klimawandels kann niemand sagen, ob die gegenwärtig aride Region nicht in hundert, tausend oder zehntausend Jahren feuchter wird - und bei der Endlagerung geht es um Zeitspannen von Hunderttausenden bis Millionen Jahren. Die potentiellen Endlagerbetreiber hätten bei einem Klimawandel ein gewaltiges Problem, da Yucca Mountain aus wasserdurchlässigem Tuffgestein aufgebaut ist. Der entscheidende Grund Obamas, das Projekt zu stoppen, dürfte allerdings die Erdbebengefahr gewesen sein. In der Region Nevadas bebt die Erde regelmäßig, nicht schwer, aber doch so stark, daß eines Tages, als Seismologen ihre Meßgeräte aufgebaut hatten, diese von einem Beben umgeworfen wurden. Bei all diesen vorbereitenden Arbeiten wurde und wird CO2 emittiert. Auch diese Summe muß in einer Bilanz zur "Klimafreundlichkeit" der Atomenergie hinzugerechnet werden.

Beispiel Deutschland: Jahrelang wurden Atommüllfässer mit schwachem und mittleren Strahlenmüll in das ehemalige Bergwerk Asse gekippt, weit über 100.000 Stück. Die Fässer sind teilsweise aufgeplatzt, radioaktive Flüssigkeit lief aus, vermischte sich mit dem in die Kavernen und Stollen eindringendem Wasser. Die Betreiber der Asse haben widerrechtlich auch stark strahlenden Atommüll eingelagert. Nun soll der gesamte radioaktive Müll wieder hervorgeholt und gesichert werden. Welch ein Aufwand! Auch die bei diesen Tätigkeiten emittierten Treibhausgase müssen der Atomkraft zugerechnet werden. Wer seinen Blick auf die Kühltürme beschränkt, sieht dies nicht.

Zwei Beispiele für die umfangreichen Emissionen von Treibhausgasen. Diese werden auch bei den vielfältigen Maßnahmen zur Verhinderung des Super-GAUs in mehreren Reaktoren des japanischen Akw Fukushima I produziert und müßten bei einer Bilanz berücksichtigt werden.

Die Japaner haben derzeit andere Probleme, als auf den Klimaschutz zu achten. Die obigen Beispiele sollen verdeutlichen, wie sehr sich die politische Landschaft durch die Ereignisse in Japan verändert hat; die PR-Agenturen der Atomwirtschaft müssen sich dieser Tage neue Strategien ausdenken. Das Argument, Akws seien klimafreundlich, war schon immer hinfällig und ist es heute um so mehr. Nicht zuletzt deshalb, weil auch die Sorge um klimatische Veränderungen hinfällig ist angesichts des Ausmaßes an gesundheitlichen, ökologischen und ökonomischen Problemen, die in nächster Zeit auf die Japaner und die übrige Welt, die von den Ereignissen keineswegs unbetroffen bleiben wird, zukommen werden.

15. März 2011