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GENTECHNIK/253: Unheilige Allianz - GM-Mais und Ethanolbedarf (SB)


Argumentativer Widerspruch der Gentech-Lobby

Die Grüne Gentechnik kann nicht den Hunger in der Welt beenden, schon gar nicht, wenn sie künftig der Biokraftstoffgewinnung dient


Wie nicht anders zu erwarten, lassen die Befürworter der umstrittenen Grünen Gentechnik keine Gelegenheit aus, Argumente für die Verwendung gentechnisch modifizierter (GM) Pflanzen zu verbreiten. Ohne diese Technologie sei das Hungerproblem der Menschheit nicht zu lösen, ist häufig zu vernehmen, und die Lobbyisten verweisen auf höhere Erträge, die mit der Grünen Gentechnik erzielt würden.

Tatsächlich trifft es zu, daß einige Landwirte, die sich auf GM-Anbau umgestellt hatten, anschließend deutlich höhere Erntemengen einfuhren und gar nicht mehr zur konventionellen Saat zurückkehren wollten. Allerdings gibt es umgekehrt auch Landwirte, deren Erntemengen nach einigen Jahren abnahmen und denen die Grüne Gentechnik teurer zu stehen kam als der konventionelle Anbau.

In welchem Verhältnis Vor- und Nachteile stehen, geht aus Erntezahlen des US-Landwirtschaftsministeriums hervor. Die Behörde ist ein großer Befürworter der Grünen Gentechnik und veröffentlicht deshalb sicherlich nicht gern unliebsame Ergebnisse. Doch bereits vor sechs Jahren war in Untersuchungen des Ministeriums festgestellt worden, daß sich Vor- und Nachteile der Grünen Gentechnik statistisch gesehen in etwa die Waage hielten. Das galt für die Kosten, den Verbrauch an Chemikalien und eben auch die Erntemengen.

Der Forscher und Umweltschützer Charles Benbrook vom Northwest Science and Environmental Policy Center im US-Bundesstaat Idaho hatte im Jahr 2002 eine Untersuchung veröffentlicht, derzufolge die Menge des beim Anbau von GM-Soja verwendeten Herbizids um elf Prozent höher lag als im konventionellen Anbau. Gleichzeitig fielen die Erträge der GM-Soja zwischen fünf und sieben Prozent niedriger aus. Benbrook berichtete damals, daß in den ersten drei Jahren (1996-98) nach der kommerziellen Einführung der Gentechnik in der Landwirtschaft und damit der Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen der Verbrauch von Pflanzenschutzmitteln in den USA bei Mais, Soja und Baumwolle tatsächlich um rund 11,5 Millionen Kilogramm zurückgegangen sei. Die Biotechindustrie fühlte sich natürlich zutiefst bestätigt und verwies regelmäßig auf diese Zahlenangaben. Doch dann entwickelten die ersten Unkräuter Resistenzen gegen das ausschließlich verwendete Herbizid Roundup. In den Folgejahren mußten die Farmer mehr Pestizide versprühen als zuvor.

Auch der US-Forscher Michael Duffy vom Leopold-Zentrum für nachhaltige Landwirtschaft an der Staatsuniversität Iowa hatte vor fünf Jahren bei einer Auswertung offizieller Zahlen des US- Landwirtschaftsministeriums für seinen Bundesstaat festgestellt, daß den Farmern der Gentech-Anbau teurer kam als der konventionelle Anbau, was bedeutete, daß die Erntemengen nicht den eingesetzten Investitionen entsprachen.

Diese Beispiele zeigen, daß die Menschheit bei der Beendigung des Hungers in der Welt nicht auf die Grüne Gentechnik setzen sollte. Der verbliebene Restnutzen der gegenwärtig verfügbaren gentechnisch veränderten Pflanzen ginge womöglich vollends verloren, wenn sich die Vorstellungen des Vizepräsidenten für genetische Forschung und Entwicklung des Saatgutunternehmens Dupont, Bill Niebur, erfüllten. Seiner Vorstellung nach werden neue Sorten gentechnisch veränderten Maises eine zentrale Rolle bei der Stillung des Dursts der US- Gesellschaft nach Biokraftstoffen beitragen. Laut einem Reuters- Bericht (9.2.2007) sagte Niebur sinngemäß auf einer Fachkonferenz in der mexikanischen Stadt Puerto Vallarta, daß eine Ausdehnung der landwirtschaftlichen Flächen begrenzt sei, aber daß man auf höhere Erträge hoffe, die mit gentechnisch veränderten Maissorten, aus denen der Biokraftstoff Ethanol gewonnen wird, erzielt würden. Alles in allem rechnet der Experte mit einem Produktivitätszuwachs von ein bis zwei Prozent pro Jahr.

Im Jahr 2004 waren in den USA 46 Prozent des Maisanbaus gentechnisch verändert, im folgenden Jahr 52 Prozent und in 2006 schon 61 Prozent. Angesichts dessen, daß die US-Regierung den Verbrauch von Biokraftstoffen fördert, könnten in Zukunft immer mehr Farmer motiviert sein, auf die GM-Technologie umzusteigen, da ihr noch immer der Nimbus anhaftet, höhere Erträge abzuwerfen. Dadurch würde allerdings das eingangs erwähnte Argument der Gentech-Lobbyisten, die den Hunger in der Welt bekämpfen wollen, hinfällig, denn die Ethanolgewinnung steht in direkter Konkurrenz zur Nahrungsproduktion.

Laut Lester R. Brown vom Earth Policy Institute in Washington wird zur Zeit fast ein Sechstel des in den USA erzeugten Maises zu Ethanol verarbeitet. Im Jahr 2008 könnte es fast ein Drittel sein, hat Brown nach der Auswertung der Bedarfszahlen für die zahlreichen Ethanolfabriken, die in den USA wie Pilze aus dem Boden schießen, prognostiziert.

Die USA befinden sich bereits auf dem Weg von einer Mais-Exportnation zu einer, die gezwungen ist, ihren Bedarf durch Einfuhren zu decken. Das hat allgemein zum Anstieg der Weltmarktpreise und im konkreten Einzelfall zur Erhöhung der Tortilla-Preise in Mexiko geführt, was dort heftige Demonstrationen ausgelöst hatte. Konnte die Grüne Gentechnik auch früher schon nicht den Hunger in der Welt beenden, so wird ihr das erst recht gelingen, wenn sie nun in die Biokraftstoffproduktion eingebunden wird.

16. Februar 2007