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KLIMA/259: Hungertod von zig Millionen Menschen zu erwarten (SB)


Zukunftsprognose Hunger und Wassermangel

Kernaussagen des kommenden IPCC-Reports


Wenn am 2. Februar das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) in Paris den ersten von vier Teilen seines jüngsten Klimaberichts vorlegt, kommt vieles von dem, was die Wissenschaftler prognostizieren, nicht mehr überraschend. Teile des Reports sind längst durchgesickert, anderes kann auf der Grundlage der in den letzten Jahren erschienenen Klimastudien erahnt werden.

Die Fülle an Berichten und Informationen über die Erwärmung des Erdklimas und den Anstieg des Meeresspiegels, über das Für und Wider des Kyoto-Protokolls oder auch die Scheinheiligkeit der europäischen Industriestaaten und Arroganz der Bush-Administration sollte nicht den Blick auf das Wesentliche verstellen, das in der medialen Überschwemmung mit Klimanachrichten unterzugehen droht: Ein großer Teil der Menschheit wird in Folge des Klimawandels sterben.

So ungeschminkt dargeboten ist das selbstverständlich keine schöne Nachricht. Entsprechend wird sie vermieden oder eben zwischen anderen Informationen verborgen. Dennoch ist diese Information den Klimaberichten von Nachrichtenagenturen wie Reuters oder AFP zu entnehmen. Unter Berufung auf die australische Zeitung "The Age", welcher bereits ein erst für April zur Veröffentlichung vorgesehener IPCC-Report vorliegt, hieß es, daß bis zum Jahre 2080 weltweit zusätzlich 200 Millionen bis 600 Millionen Menschen nicht genügend zu essen haben werden. Darüber hinaus würden sieben Millionen Menschen, die in flachen Küstenbereichen leben, ihre Häuser verlieren.

Gegenwärtig gibt es nach UN-Angaben weltweit 854 Millionen Menschen, die regelmäßig Hunger leiden. In den kommenden Jahrzehnten wird die Zahl somit auf über eine Milliarde bis eineinhalb Milliarde steigen. Von Armut sind über zwei Milliarden Menschen betroffen, was auch auf eine ungenügende Versorgungslage mit Nahrung hinweist. Trinkwasser steht ebenfalls rund einer Milliarde Menschen nicht in genügender Menge zur Verfügung. 1,1 bis 3,2 Milliarden Menschen besäßen bis 2080 keinen ausreichenden Zugang zu Wasser, so der IPCC-Report.

Bevölkerungsreiche Staaten wie Indien und China, die zusammen etwa ein Drittel der Weltbevölkerung ausmachen, haben gigantische Wasserbauprojekte geplant, in Angriff genommen oder bereits verwirklicht, um die Versorgung der Menschen mit dem kostbaren Naß zentral zu administrieren. Der Norden Chinas steht im Begriff, zur Wüste zu werden. Sämtliche heimische und ausländische Klimastudien kommen zu dem Ergebnis, daß China in den kommenden Jahrzehnten ein dramatisches Wasserproblem ins Haus steht.

Vergleichbar mit der Lage in Australien. Das Land leidet seit vergangenem Jahr unter der schwersten Dürre seit Beginn der Aufzeichnungen. "The Big Dry", wie die Klimakatastrophe genannt wird, hat dem drittgrößten Weizenexporteur der Welt im vergangenen Jahr ein Minus von über 50 Prozent bei diesem Getreide beschert. Ein wissenschaftlicher Berater der Regierung John Howards hat die Farmer, die bislang in den trockensten Gebieten des Landes Landwirtschaft dank künstlicher Bewässerung betreiben konnten, aufgefordert, sich in Würde aus den Regionen zurückzuziehen, da der Aufwand, sie zu halten, nicht mehr tragbar sei. Ein Bischof rief die Gläubigen auf, für Regen zu beten.

Bleibt den Menschen somit nur das Gebet? Wer glauben mag, der glaube, die weltweit führenden Interessengruppen tun es nicht. Sie haben längst begonnen, ihre Waffen zur Sicherung der überlebenswichtigen Ressourcen Wasser und Nahrung in Stellung zu bringen. Bezeichnenderweise wird in der Öffentlichkeit meist vom Kampfs ums Erdöl gesprochen, während Kriege um Wasser auf einen unbestimmten Zeitpunkt irgendwann in der Zukunft projiziert werden und die Lebensraumfrage als historisch überwunden angesehen wird. Dabei taucht gerade sie im neuen Gewand und in einem viel umfänglicheren Sinn immer wieder auf. Stichwort: Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt ...

Man muß davon ausgehen, daß die Strategen in Washington, Brüssel, Peking oder Moskau noch sehr viel genauer als die Allgemeinheit wissen, welche Gefahr der Klimawandel und dadurch ausgelöster flächendeckender Hunger und Durst für die Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung und folglich ihrer eigenen Vorteilslage darstellt.

In einem im Februar 2004 an die Öffentlichkeit gelangten Bericht des Pentagons, der unter anderem von dem ehemaligen Shell-Manager und CIA- Berater Peter Schwartz erstellt wurde, forderten die Autoren, daß der Klimawandel "unverzüglich zur wichtigsten politischen und militärischen Frage" erklärt werden müsse. Die nationale Sicherheit der USA sei ebenso gefährdet wie die globale Stabilität. Ein "plötzlicher Klimawandel könnte den Planeten an den Rand der Anarchie bringen, weil Länder eine nukleare Bedrohung entwickeln könnten, um die schwindende Versorgung mit Nahrung, Wasser und Energie zu sichern", so das Resümee.

Tatsächlich werden entsprechende Gegenmaßnahmen zum Schutz eines kleinen, privilegierten Teils der Menschheit gegenüber dem Zugriff durch die breite Masse der Menschen ergriffen und umgesetzt. Das ist ebenso selbstverständlich wie, daß dies verdeckt geschieht. Kein Militär, Geheimdienstler, Politiker oder Konzernchef würde sagen: 'Leute, das Essen wird knapp, wir können nichts machen, so lebt denn wohl. Vielleicht erhaltet ihr ja im nächsten Leben die Chance, einen Platz an den Fleischtöpfen zu ergattern, die wir für eine überschaubare Elite gesichert haben ...'

Vorbereitungen auf eine globale Mangellage bei Wasser, Nahrung und anderen Ressourcen sähen so aus, daß bestimmte Regionen (also Menschen) aus- und andere eingegrenzt würden. Auf rein mechanische Weise Menschenmassen davon abzuhalten, daß sie in privilegierte Räume vordringen, ist ein erster Schritt. So schottet sich die Europäische Union nach Süden gegen Afrika und Osten gegen Rußland und Asien durch Hightech-Zäune ab, die bereits jetzt für den Tod von jährlich mehreren tausend Flüchtlingen aus unterprivilegierten Räumen verantwortlich sind. Gesichert werden diese Grenzen durch die Gewalt des Rechts, hinter dem wiederum der militärische Arm steht. Flüchtlinge aus Afrika, die Armut und Not entfliehen wollen, werden zu "Illegalen" erklärt.

Die US-Regierung investiert Milliarden in die Grenzsicherung nach Süden gegen Mexiko. China baut eine neue "Mauer" in Form eines hohen Grenzzauns gegen die Armutsregionen Myanmar und Nordkorea. Die wirtschaftlich relativ gut gestellten Länder Botswana und Südafrika haben teils endlos lange Zäune gegen das Armutsland Simbabwe hochgezogen.

Natürlich wird das Prinzip der Ausgrenzung innerhalb der privilegierten Räume weiter vorangetrieben. Das kann seinen mechanischen Ausdruck finden wie in den von Schlagbalken abgesperrten Zonen der südafrikanischen Metropole Johannesburg, muß es aber nicht. Zu den Ausgegrenzten zählen die Opfer der Katrina-Katastrophe in New Orleans genauso wie die Hartz-IV-Empfänger in Deutschland, die Einwohner der Vorstädte in Frankreich ebenso wie die von CCTV- Überwachungskameras observierte Armutsbevölkerung im Londoner Stadtteil East End.

Der weltweit ausgerufene Terrorkrieg wird nicht einfach bloß als Vorwand genutzt, globaladministrative Strukturen zur Herrschaftssicherung zu etablieren, dieses ist vielmehr seine eigentliche Funktion. Ein Blick zurück auf die Debatten, die NATO- Strategen nach der Zerschlagung der Sowjetunion geführt haben, läßt keinen Zweifel aufkommen, daß sich nach dem "Sieg" über den Warschauer Pakt nicht um die Frage bemühte, wie man sich selbst auflösen könne, da ja der Feind nun nicht mehr existiere, sondern wie man händeringend Argumente sammelte, um die NATO nicht abzuschaffen, sondern weiter auszubauen. Der Terrorkrieg war die Antwort - in Umkehrung der wahren Gewaltverhältnisse hat die Bezeichnung "asymmetrische Kriegführung" Einzug gehalten. In diesem Sinne könnte man sogar zu dem Schluß gelangen, daß die Terrorismusgefahr erst mit ihrer Ausrufung entstand.

Die NATO beschränkt den von ihr beanspruchten Kontrollraum nicht auf den Nordatlantik und ihre Aufgabe nicht auf die Verteidigung, sondern erweitert ihren aggressiv vorgetragenen Anspruch auf die ganze Welt. Das hat viel weniger mit den wenigen "Terroristen" zu tun, also mit Menschen, die tatsächlich wie die NATO-Krieger mit der Waffe in der Hand für ihre Interessen kämpfen, sondern es hat mit der bevorstehenden Ressourcenverknappung und - aus der Sicht der Nutznießer der Weltordnung - "notwendigen" Lenkung großer Menschenmassen zu tun.

Der Klimawandel beschleunigt diese Entwicklung und setzt die Herrschenden unter Druck. Es wäre sicherlich viel zu simpel, den Klimawandel für jede gegenwärtige bevölkerungspolitische Entwicklung auf der ganzen Welt verantwortlich machen zu wollen. Doch ohne Berücksichtigung seiner Folgen würde eine Analyse der gegenwärtigen Entwicklung unzulänglich bleiben.

31. Januar 2007