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KLIMA/443: US-Ideologieschmiede begründet Raub mit "natürlicher Sicherheit" (SB)


Regierungsberater stellen sich seit langem auf Klimawandel und seine Folgen ein

US-amerikanischer Think Tank CNAS liefert regelmäßig Studien zu "Klimawandel und nationaler Sicherheit"


Während Politiker die Vermittlungsaufgabe übernommen haben, bevorstehende Zwangslagen, Versorgungsmängel und zunehmende existentielle Nöte für große Teile der Bevölkerung in schöne Worte zu verpacken, brauchen Think Tanks weniger verklausuliert zu reden. Sie stehen mit ihren Analysen und Empfehlungen hinter der Front und genießen einen größeren Freiraum, auch unangenehme Zukunftsszenarien zu entwerfen. Etwa seit dem Jahr 2004 häufen sich in den USA und der EU Studien, in denen der Klimawandel mit der Frage der Sicherheit, bzw. der nationalen Sicherheit verknüpft wird. Anfangs meist in wohlfeile Worte verpackt, nach denen sich die Menschheit an den Klimawandel werde anpassen müssen - als ob eine Interessengleichheit aller Menschen existierte -, werden inzwischen immer deutlicher militärische Optionen zur "Anpassung" an den Klimawandel ins - noch sondierende - Gespräch gebracht. Offenbar sollen die mit der Klimaveränderung einhergehenden Zwangslagen gegen einen Großteil der Menschen in Stellung gebracht werden.

Sicherung der Ressourcen und Transportwege ist Teil dieser Entwicklung. In Irak und Afghanistan, aber auch vor der Küste Somalias werden bereits entsprechende Manöver abgehalten und Vorbereitungen für weitaus größere Verwerfungen getroffen. Wobei militärische Zweckbündnisse wie NATO und Shanghai Corporation Group (SCG) die hegemonialen Bestrebungen der jeweiligen Bündnispartner nicht ersetzen, sondern diesen vorübergehend zu mehr Durchschlagskraft gegenüber konkurrierenden Interessen verhelfen sollen.

Selbstverständlich werden diejenigen, gegen die sich diese Entwicklung richtet, über die eigentlichen Absichten im unklaren gelassen. Es wäre aus Sicht der Herrschenden fahrlässig, wenn sie zum Beispiel erklärten, daß es nicht genügend Essen für alle Menschen gibt und daß sich die Bevölkerung Afrikas damit abzufinden habe, daß sie zwar Landfläche besitzt, die bewirtschaftet werden könnte, aber daß sie hungern muß. Also werden statt dessen Millenniumsziele aufgestellt, die in ferner Zukunft eine Linderung der Not verheißen; es werden Entschuldungskampagnen gestartet, durch die kurzfristig ein wenig Dampf aus dem Kessel gelassen wird; es wird eine Aufstockung der Entwicklungshilfe zugesagt, oder es werden Initiativen gestartet, um die Menschen in Afrika ans Internet anzubinden, so daß zwar ihre Mägen weiterhin knurren, aber dafür dürfen sie als Beobachter am Konsumismus der privilegierten Zonen dieser Welt teilhaben.

Wenn im folgenden einzig auf einen neokonservativen Think Tank aus den USA, dem Center for a New American Security (CNAS), Bezug genommen wird, um daran die zunehmende Militarisierung des Diskurses zu den Klimwandelfolgen aufzuzeigen, bedeutet das nicht, daß die Strategen anderer US Think Tanks oder auch der Europäischen Union nicht zu ähnlichen Schlußfolgerungen gelangten. Das beweist unter anderem ein von der EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und "Mr. Gasp" Javier Solana im Jahre 2008 erstelltes Papier, in dem der Klimawandel vor dem Hintergrund von Sicherheitsfragen behandelt wird.

Einer der vielen "Vordenker" der US-Politik ist das 2007 gegründete, relativ kleine, aber bei höchsten Kreisen von Politik und Militär anerkannte Center for a New American Security (CNAS). Es hat in diesem Monat (April 2010) gleich zwei Studien veröffentlicht, in denen militärische Aufgaben im Rahmen der nationalen Sicherheit mit den Folgen des Klimawandels verknüpft werden. In "Broading Horizons: Climate Change and the U.S. Armed Forces" [1] machen sich Commander Herbert E. Carmen (U.S. Navy), Christine Parthemore und Will Rogers Gedanken darüber, wie sich das US-Verteidigungsministerium auf den Klimawandel einstellen sollte.

Zu den empfohlenen Maßnahmen gehört beispielsweise die umfassende Integration des Klimawandels in die alle vier Jahre durchgeführte Quadrennial Defense Review, in der die Verteidigungsplanung der USA festgelegt wird, sowie in die Planungen der Luftwaffe wie auch letztlich aller anderen Streitkräftegattungen; die Unterstützung der Streitkräfte beim Energiesparen, bei der Verbesserung der Energieeffizienz und der Investitionen in erneuerbare Energien; die Ausdehnung des Zuständigkeitsbereichs von U.S. Northern Command (NORTHCOM) auf alle Bereiche der Arktis und die Beteiligung des Verteidigungsministeriums an der zunehmenden Debatte über Geoengineering zur Beeinflussung des Klimas. (Anmerkung 1, S. 5 und 6).

Wohingegen die CNAS-Autoren Will Rogers und Jay Gulledge in dem Report "Lost in Translation: Closing the Gap Between Climate Science and National Security Policy" [2] die von ihnen ausgemachte Lücke zwischen Klimaforschung und Nationaler Sicherheitspolitik zu schließen versuchen. Die Kommunikation zwischen den beiden Seiten ginge "bei der Übersetzung" verloren, behaupten sie. Die Vorschläge der CNAS-Autoren gehen dahin, daß der US-Präsident eine interministerielle Arbeitsgruppe zu "Klimawandel und nationale Sicherheit" einrichtet. Darüber hinaus sollte das Verteidigungsministerium eine permanente Beratergruppe zum selben Thema ins Leben rufen. Dem Außenministerium wird vorgeschlagen, Klimaberater für die Regionalbüros einzustellen und Maßnahmen zu den Folgen des Klimawandels, auch mit Blick auf die Entwicklungshilfe, auszuarbeiten. An die akademische Welt geht die Empfehlung, fächerübergreifende, überprüfte Artikel zu verfassen, wie sich der Klimawandel auf die nationale Sicherheit auswirken könnte. Nicht zuletzt wird zur Aufstellung von Forschungsprogrammen über den Klimawandel durch den Kongreß und das Verteidigungsministerium geraten. (Anmerkung 2, S. 8 und 9)

Einen etwas theoretischer gehaltenen Hintergrund zu diesen Studien lieferte CNAS-Autorin Sharon Burke bereits im Juni 2009 unter dem Titel "Natural Security" [3]. Sie gab zukünftigen amerikanischen Raubzügen rund um den Globus ideologischen Flankenschutz, indem sie die Bezeichnungen "Natürliche Ressourcen" und "Nationale Sicherheit" zu "Natürliche Sicherheit" verschränkte. Damit wird die militärische Sicherung von Ressourcen gutgeheißen und mit "natürlich" assoziiert. Das ist nicht einfach nur eine harmlose Wortzusammenfügung. In der Formulierung "natürliche Sicherheit" schwingt mehr mit. Nämlich die Methode, sich auf eine höhere Instanz zu berufen - in diesem Fall die "Natur" -, um eigene Interessen gegenüber anderen mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Das erinnert daran, wie einst die Christen ihre Kreuzzüge legitimiert haben. Sie verstanden sich als Gotteskrieger, wohingegen die modernen Kreuzzügler des Abendlands nicht im Namen Gottes, sondern in der Annahme eines Rechts auf "natürliche Sicherheit" und damit ihres Zugriffsrechts auf die weltweiten Ressourcen in entfernte Territorien vorrücken.

Burke, die den Klimawandel als "Multiplizierer" für alle Faktoren, die mit nationaler Sicherheit zu tun haben, bezeichnet, weist ihre Studie eher als "Konzeptpapier" denn als wissenschaftliche Arbeit aus. Sie will Ideen und Strategien bieten, damit Praktiker der Außenpolitik und aus Kreisen der Nationalen Sicherheit mit Veränderungen der "globalen strategischen Herausforderungen" zurechtkommen (Anmerkung 3, S. 8). Sie definiert "Natürliche Sicherheit" als "ausreichende, verläßliche, erschwingliche und nachhaltige Versorgung von natürlichen Ressourcen für eine moderne globale Wirtschaft" (S. 9).

Für die Vereinigten Staaten bestehe die Aufgabe darin, "im Rahmen einer sich wandelnden strategischen Umwelt die entstehenden Herausforderungen bezüglich natürlicher Ressourcen zu gestalten wie auch auf sie zu reagieren". Auf welche Weise konkret die USA "gestaltend" eingreifen sollen, läßt Burke offen. Aufschluß könnte jedoch der von ihr zitierte General George Patton liefern. Er soll während des Zweiten Weltkriegs zu seiner Frau gesagt haben: "Wenn ich nur etwas Treibstoff stehlen könnte, könnte ich diesen Krieg gewinnen."

Ganz so schneidig geht es heute allerdings nicht zu. Die "strategische Sorgen hinsichtlich natürlicher Ressourcen" bewegen sich in einem anderen Kontext. Rußland und China als aufstrebende bzw. erneut aufstrebende Staaten seien laut dem National Intelligence Council (NIC) "Teil einer außerordentlichen Wiederausbalancierung globalen Wohlstands und globaler Macht, die das 21. Jahrhundert charakterisieren wird", schreibt Burke.

Die "Herausforderungen" - in Alltagssprache übersetzt: die Kontrahenten - werden beim Namen genannt: Vor allem China und Rußland. Zudem konstatiert die Autorin: "Mehr Menschen an mehr Plätzen in der Welt erleben eine Verbesserung ihres Lebensstandards." Hier werden alle Menschen als Konkurrenten für die US-Bürger angesehen, die - siehe oben - qua Naturrecht den Anspruch auf Vollversorgung haben. (Eklatante innergesellschaftliche Widersprüche der USA lassen wir an dieser Stelle einmal außen vor.)

Vor dem Hintergrund eines ihrer Einschätzung nach die Prognosen des IPCC-Berichts 2007 übertreffenden Klimawandels appelliert Burke an sämtliche Strategen der USA, die auf den Feldern Außen- und nationale Sicherheitspolitik tätig sind, die "natürliche Sicherheit" durchgängiger und tiefer in die Leitlinien der jeweiligen Fachressorts zu integrieren. "Von Öl über wichtige Mineralien bis zu Wasser, der globale Wettkampf um natürliche Ressourcen im 21. Jahrhundert wird zu ökonomischer Verwerfung, Spannung, Instabilität und sogar Konflikt führen." (S. 20), schlußfolgert die Autorin.

Damit die USA auch in Zeiten des Klimawandels und der zunehmenden Ressourcenknappheit gegenüber anderen Nationen nicht ins Hintertreffen geraten, feuern Think Tanks wie CNAS laufend neue Analysen ab, deren Intentionen durchgängig die militärische Option zur Wahrung der eigenen Interessen gutheißen. Damit soll nicht behauptet werden, daß die Autorinnen und Autoren zum Krieg aufrufen. Doch hinter Formulierungen wie "globale Herausforderungen", "neue Aufgaben", "veränderte Kräfteverhältnisse" stecken sehr wohl Überlegungen, welche Aufgaben die Streitkräfte in einer als zunehmend unsicherer prognostizierten Welt übernehmen könnten oder müßten. Dazu schließt den Einsatz von Waffen ein. Die Nationale Sicherheit geht über alles. Wird sie als bedroht angesehen, werden selbst jahrhundertealte bürgerliche Rechte über Bord geworfen und ein weltweiter Krieg gegen den Terror ausgerufen, wie die Reaktion der US-Regierung auf die Anschläge vom 11. September 2001 gezeigt hat. Das betraf und betrifft bis heute auch die Bundesrepublik Deutschland, da die NATO nach Artikel 5 den Spannungsfall ausgerufen hat.

Den Klimawandel kann man nicht beschießen, wohl aber die von einem veränderten Klima bzw. allgemein einer Naturkatastrophe Betroffenen. Das hat die administrative Antwort der US-Regierung auf den Hurrikan Katrina im September 2005 in New Orleans und vor kurzem der Einmarsch von US-amerikanischen Soldaten in Haiti nach dem Erdbeben gezeigt.

Für die Zukunft eines großen Teils der Menschheit dürfte die Frage der vorgegebenen politischen Strukturen, über die Nahrung, Wasser, Energie und andere Ressourcen verteilt werden, mindestens ebenso wichtig sei wie die Frage, ob sich das Klima in der nächsten Zeit deutlicher wandelt oder nicht. Mit anderen Worten: Selbst wenn sich das Klima nicht nennenswert veränderte und es zu keiner Erderwärmung käme, würde die heute vorherrschende Verteilungsordnung, nach der die Welt grob in Metropolen, Agrar- und Ressourcenzonen sowie vollkommen vernachlässigte Hungerregionen unterteilt werden kann, weiter qualifiziert. Die verschiedenartigen Grenzen dieser Gebiete, die geografisch dicht nebeneinander liegen können - wie Arizona gegenüber Mexiko, Europäische Union gegenüber Nordafrika, Israel gegenüber dem Gazastreifen, Townships von Johannesburg gegenüber Gated Communities -, werden in Zukunft immer schwerer zu überwinden sein. Die Welt wird neu geordnet.

Die sozialen Unruhen, die eine solche Verteilungsordnung erzeugt, wie die Hungeraufstände in mehreren Dutzend Staaten in den Jahren 2007 und 2008 im Zusammenhang mit der Preisexplosion von Lebensmitteln gezeigt haben, müssen aus der Sicht derjenigen, die an den Schalthebeln der Macht sitzen, unter Kontrolle gebracht, das heißt eingedämmt und ausgesteuert werden. Am sichersten wäre es selbstverständlich, wenn soziale Unruhen ausblieben. Hier kommt, freiwillig oder unwissentlich, die gesellschaftliche Bewegung der Klimaskeptiker ins Spiel: Ob sie Irrtümer der Wissenschaft aufdecken oder nicht, die Botschaft, die sie vermitteln, lautet, daß die Sorge über den Klimawandel übertrieben ist. Mit diesem Standpunkt wird die akute Not vieler Millionen Menschen in Regionen, in denen Dürre herrscht, Überschwemmungen auftreten oder die von Wirbelstürmen heimgesucht werden, ignoriert.

Das ist auch der Grund, warum man die sogenannten Klimaskeptiker als Steigbügelhalter der herrschenden Kräfte bezeichnen kann. Sie sind allerdings nicht die einzigen, die dazu beitragen, daß wesentliche Fragen im Zusammenhang mit Klima und seinen Einfluß auf die Nutzung zunehmend knapper werdender Ressourcen gar nicht erst gestellt oder zumindest in den Hintergrund gedrängt werden. Selbst wenn die Klimaskeptiker den einen oder anderen Treffer landen und auf unbestreitbare Irrtümer, Widersprüche oder interessengeleitete Beschönigungen von wissenschaftlichen Ergebnissen der Mainstream-Klimaforschung verweisen können, so wird die Bedeutung des von ihnen angeprangerten vermeintlichen Skandalons namens "Climategate" [4] überschätzt. Das Aufspüren von Lücken innerhalb der wissenschaftlichen Modellvorstellungen war schon immer der Motor für wissenschaftlichen Fortschritt. Entscheidender für die Zukunft der Menschheit wird sein, was gegenwärtig im miteinander verbundenen Themenkomplex "Nationale Sicherheit, Klimawandel, Energieversorgung, Ressourcensicherung, Migrationsabwehr" ausgedacht, vorbereitet und umgesetzt wird. Die Analysen des Center for a New American Security liefern dazu einen erhellenden Einblick.


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Anmerkungen:

[1] http://www.cnas.org/files/documents/publications/CNAS%20Publication_Climate%20Change%20and%20the%20US%20Armed%20Forces_April%2020.pdf

[2] http://www.cnas.org/files/documents/press/New%20Report%20Examines%20Gap%20Between%20Climate%20Science%20and%20National%20Security.pdf

[3] http://www.cnas.org/files/documents/publications/CNAS_Working%20Paper_Natural%20Security_SBurke_June2009_OnlineNEW_0.pdf

[4] In Anspielung auf die Watergate-Affäre, die den US-Präsidenten Richard Nixon zu Fall brachte, wird von tendenziell klimaskeptischen Medien und Personen von "Climategate" gesprochen, als handele es sich um eine Verschwörung von Politiker, Wissenschaftler und Aktivisten, um die Bevölkerung unter Berufung auf eine angeblich menschengemachte Erderwärmung zu Energiesparmaßnahmen zu nötigen.

29. April 2010