Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → REDAKTION


KLIMA/604: Forscher rätseln über starken Anstieg des Methangehalts in der Atmosphäre (SB)


"Zweitwichtigstes" anthropogenes Treibhausgas rückt in den Fokus des Klimaschutzes


Die diesjährige Reihe an alarmierenden Studien über außergewöhnliche Entwicklungen rund um das Erdklima wird kurz vor Jahresabschluß um eine weitere Untersuchung erweitert: Der Gehalt an Methan (CH4) in der Atmosphäre ist in den vergangenen zehn Jahren um das Zehnfache gegenüber dem Zeitraum von 2000 bis 2006 gestiegen. Besonders stark war der Anstieg in den Jahren 2014 und 2015. Über den Grund für diese dramatische Entwicklung kann die Forschergruppe aus Frankreich, den USA und Australien, die in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters darüber berichtet hat, nur spekulieren. Es wird vermutet, daß das Methan aus der Landwirtschaft stammt, hier insbesondere der Viehhaltung und dem Reisanbau. [1]

Obwohl die Methankonzentration in der Atmosphäre eine Größenordnung niedriger ist als die des wichtigsten anthropogenen Treibhausgases, Kohlenstoffdioxid (CO2), kommt dem Methan eine besondere Bedeutung für die globale Erwärmung zu. Es ist nämlich 28 mal so klimawirksam, und wenn es nach 12 Jahren zerfällt, entstehen als Zerfallsprodukte das langlebigere CO2 sowie Kohlenstoffmonoxid (CO).

Die Studienergebnisse sind deshalb brisant, weil die globale Durchschnittstemperatur immer schneller steigt, was sich in Kombination mit anderen Faktoren vor allem in einer deutlichen Erwärmung der Arktis niedergeschlagen hat. Eine Begrenzung des globalen Erwärmungstrends auf zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter ist nur bei sofortigen, entschiedenen Maßnahmen noch einzuhalten, eine Begrenzung auf "möglichst 1,5 Grad", wie vor einem Jahr im internationalen Klimaschutzabkommen von Paris vereinbart, gilt als nahezu unerreichbar.

Diese Ziele zu erreichen würde zunehmend schwieriger, sollten die Methanemissionen, die zu 60 Prozent menschengemacht sind, nicht berücksichtigt werden, warnt nun die internationale Forschergruppe. Das Phänomen müsse dringend genauer untersucht und es müßten umfangreichere Messungen vorgenommen werden, lautet ihre Forderung.

Die Studienergebnisse decken sich mit denen einer Forschergruppe um Stefan Schwietzke vom Cooperative Institute for Research in Environmental Sciences (CIRES) der Universität von Colorado in Boulder sowie vom Earth System Research Laboratory der NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) vom Oktober dieses Jahres. Auch er konnte einen ebenso drastischen Anstieg des "zweitwichtigsten" anthropogenen Treibhausgases feststellen. [2]

Typische Quellen für Methanemissionen sind Bakterien im Darm von Rindern, landwirtschaftlicher Anbau (Düngen, Pflügen), Moore, auftauender Permafrost, Zerfall organischer Stoffe in Seen und Stauseen, Müllkippen, Auflösung von Methanhydraten, das Verbrennen von Biomasse und fossilen Energieträgern, Fracking. Die umfangreichen Meßdaten lassen darauf schließen, daß der Methanzuwachs vor allem biogenen Ursprungs ist und daß dafür eher Quellen in der Landwirtschaft als natürliche Feuchtgebiete verantwortlich sind. Als zweitwichtigster Faktor werden Emissionen aus fossilen Energieträgern genannt, gefolgt vom Verbrennen von Biomasse. Hinweise, daß auch das Auftauen des Permafrosts einen nennenswerten Beitrag zum Methananstieg hat, liegen laut der neuen Studie bislang nicht vor.

Die Bemühungen der Wissenschaft zur Beobachtung von Methanemissionen und Bestimmung ihrer Herkunft in Ehren, aber diese Studie nährt das Unbehagen, daß die Wissenschaft im Hintertreffen ist und nur auf Entwicklungen verweisen kann, die längst angelaufen sind. In diesem Kontext wird zwar von keinem Kippunkt der Klimaentwicklung gesprochen, doch vermittelt über den globalen Temperaturanstieg könnten sich in Zukunft weitere Methanquellen (Auftauen der sibirischen Methanhydrate und stärkerer Rückgang des Permafrosts) auftun, die den Trend nochmals beschleunigen.


Fußnoten:

[1] The growing role of methane in anthropogenic climate change, M. Saunois, R. B. Jackson, P. Bousquet, B. Poulter und J. G. Canadell, Environ. Res. Lett. 11 (2016) 120207. doi:10.1088/1748-9326/11/12/120207

[2] http://www.noaa.gov/media-release/study-finds-fossil-fuel-methane-emissions-greater-than-previously-estimated

13. Dezember 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang