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KLIMA/686: Kohleabbau - vereinzeln und isolieren ... (SB)



Die staatlichen Organe gehen zunehmend härter gegen den Kohlewiderstand vor. So sitzen nach einer Woche noch immer drei Aktivisten der Initiative "Ende Gelände" in Untersuchungshaft, weil sie im Braunkohletagebau der Lausitz einen Bagger besetzt hatten [1]. Daß der Staat Zähne zeigt, dürfte zum einen damit zu tun haben, daß im vergangenen Jahr die Polizei bei ihrem größten Einsatz in der Geschichte Nordrhein-Westfalens, der Räumung des besetzten Hambacher Forstes, keine gute Figur abgegeben hat. Zum anderen, und das ist noch der wichtigere Grund, hat die von der Regierung eingesetzte Kohlekommission einen Plan zum Ausstieg aus der Kohleverstromung vorgelegt, so daß jetzt alles seine vermeintliche Ordnung hat. Daran haben auch einige recht regierungsnahe Nichtregierungsorganisationen tatkräftig mitgewirkt. Die Besetzerinnen und Besetzer dagegen, die sich über solche Beteiligungsmechanismen nicht haben einbetten lassen, sind jetzt nur noch lästig und bekommen dies bitter zu spüren.

Die Vorschläge der Kohlekommission, die von der Bundesregierung bis jetzt noch nicht in ein Gesetz gegossen wurden, sehen einen gestaffelten Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 vor. Welche "tipping points" (Kippunkte) der Erdsysteme bis dahin überschritten werden und welche globalen Folgen dies nach sich ziehen wird, ist Bestandteil einer von der Wissenschaft intensiv geführten Debatte, wie eine der koordinierenden Leitautorinnen des jüngsten IPCC-Sonderberichts zum 1,5-Grad-Ziel und Direktorin des Climate Service Center Germany (GERICS), Prof. Daniela Jacob, gegenüber dem Schattenblick sagte [2].

"Debatte" bedeutet, daß das Risiko ernstzunehmen ist. Sollte also nicht allein die naheliegende Gefahr eines Umkippens globaler Systeme zum Innehalten Anlaß geben? Würden sich die Mitglieder der Kohlekommission in ein Flugzeug setzen, weil es "nur" mit einer zehnprozentigen Wahrscheinlichkeit abstürzt?

Jener Sonderbericht hat sehr deutlich vor Augen geführt, wie beträchtlich der Unterschied sein wird, ob die globale Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad Celsius oder auf zwei Grad Celsius begrenzt wird. Um ersteres nicht zu überschreiten, müssen die anthropogenen Emissionen von Kohlenstoffdioxid und anderen Treibhausgasen wie Methan und Lachgas bis zum Jahr 2030 um etwa 45 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2010 sinken. Gelingt dies nicht, bewegt sich die Durchschnittstemperatur auf zwei Grad zu und geht vermutlich darüber hinaus. Entsprechend schwerwiegende Naturkatastrophen sind absehbar. Gegenwärtig bewegen wir uns auf eine Vier-Grad-Welt zu, und das ist eine Welt, in der wahrscheinlich Milliarden Menschen nicht überleben werden, weil es zu Kämpfen kommen wird.

Die Kohlekommission hat einen Kompromiß zwischen den einander ausschließenden Interessen der Wirtschaft und der Nichtregierungsorganisationen getroffen, was für sich genommen äußerst zynisch ist. Denn hier werden kurzfristige Profitinteressen der Unternehmen und langfristige Überlebensinteressen der nächsten Generation gegeneinander abgewogen. Wundert es da noch, daß sich vor allem jüngere Menschen organisieren und beispielsweise Bagger im Braunkohletagebau der Lausitz, in Mitteldeutschland und im Rheinland besetzen, so daß es wenigsten zu einer kleinen Irritation im ansonsten reibungslosen Ablauf des gesellschaftlichen Friedens kommt?

Jener Frieden soll auf keinen Fall gestört werden. Die von der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg im Januar beim Weltwirtschaftsforum in Davos erhobene Forderung, "ich will, daß ihr in Panik geratet", wird von den Herrschenden und denen, die sich ihnen zugehörig fühlen, beklatscht oder belächelt, in beiden Fällen jedoch mehrheitlich beiseite geschoben. Und junge Menschen, die freitags in einen Schulstreik treten, weil sie nicht für eine Welt lernen wollen, die von ihrer Elterngeneration sehenden Auges in den Untergang gesteuert wird, oder die einen Bagger besetzen, werden bestraft.

"Wenn die Politik versagt, müssen wir die Kohlebagger mit unseren eigenen Körpern zum Stillstand bringen. Ansonsten haben die Dörfer an der Tagebau-Kante keine Zukunft. Wir alle haben sonst keine Zukunft. Wenn wir das Klima noch unter der 1,5°-Grenze halten wollen, dann müssen wir jetzt sofort aus der Kohle aussteigen, nicht erst 2038", sagt Nike Mahlhaus, Sprecherin der Initiative "Ende Gelände" und damit Sprecherin einer Generation von jungen Menschen, die noch im Laufe ihres Lebens in einen globalen Kampf um Ressourcen wie Trinkwasser, Nahrung, Energie, Wohnen und andere Grundbedürfnisse geworfen werden.

Auch unter weniger widrigen Umständen hat sich der Mensch als des Menschen Feind erwiesen. Er hat Kriege entfacht, seine Mitmenschen unterjocht und ihre Arbeitskraft ausgebeutet, die tierische Mitwelt verstoffwechselt und anderweitig vernutzt. Da ist nicht zu erwarten, daß unter dem klimabedingt steigenden Druck auf die Zugänglichkeit der Ressourcen in Folge vermehrter und stärkerer Naturkatastrophen (Dürren, Überschwemmungen, Wirbelstürme) und des Anstiegs des globalen Meeresspiegels, der Trinkwasserknappheit, des Artensterbens und der - möglicherweise - Zunahme an Pandemien auch in der Tierwelt, sich die Menschen plötzlich in einer Weise zusammenfinden, in der nicht das Überleben zu Lasten der eigenen Art die Maxime bleibt.

2016 hat das Amtsgericht Cottbus, das nun drei Leute von Ende Gelände in Untersuchungshaft gesteckt hat, bei einer vergleichbaren Aktion geurteilt, daß gar kein Hausfriedensbruch vorliegt, weil das Betriebsgelände des Braunkohletagebaus, auf dem ein Bagger besetzt wurde, gar nicht umzäunt war. "Noch nie zuvor wurde bei Klima-Aktivist*innen für das "Bagatelldelikt" (Staatsanwaltschaft Cottbus) Hausfriedensbruch Untersuchungshaft angeordnet", schreibt nun aktuell Ende Gelände.

Auch in NRW wurden Menschen, die sich für den Erhalt des Klimas einsetzen, in Gewahrsam genommen. Das neue Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen gestattet es, Menschen, die ihre Identität nicht preisgeben, zwölf Tage und nicht wie früher sieben Stunden festzuhalten. Der Staat rüstet auf, und es ist kein Staat, von dem sich die Menschen vertreten fühlen, sondern ein repressiver Staat, der die Klimaschutzbewegung spaltet und jene Menschen isoliert und gegebenenfalls einbuchtet, die sich nicht vollkommen paßförmig verhalten.


Ein Bus der 'Weiter-so-Tours' fährt an einem Schild 'Stop! Klimawandel. Weiterfahrt nicht möglich!' vorbei und über eine Abbruchkante hinaus. Dazu der Text 'Keine Panik! Bis wir aufschlagen, haben wir noch jede Menge Zeit, eine andere Lösung zu finden!' - Grafik: Gerhard Mester, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de]

Grafik: Gerhard Mester, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de]


Fußnoten:

[1] https://www.ende-gelaende.org/de/press-release/pressemitteilung-vom-12-02-2019/

[2] http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0288.html


14. Februar 2019


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