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KLIMA/687: Methan - Wissensmangel und Handlungsnot ... (SB)



Die Konzentration von Methan in der Erdatmosphäre gibt Rätsel auf. Seit dem Jahr 2007 wird ein kräftiger Anstieg des Gehalts dieses Gases registriert. Dieser hat seit 2014 nochmals deutlich zugenommen. Bislang gibt es noch keine schlüssige Erklärung für das Phänomen.

Die jüngste Phase der Emissionszunahme wurde kürzlich in einer Studie der American Geophysical Union genauer beleuchtet [1]. Die an der Untersuchung beteiligten Wissenschaftler sind beunruhigt. "Wir sind zur Zeit Zeuge von etwas extrem Besorgniserregendem", sagte einer der Hauptautoren der Studie, Professor Euan Nisbet von der Royal Holloway Universität von London, laut dem "Guardian". "Das ist deshalb besonders alarmierend, weil wir nicht sicher sind, warum der atmosphärische Methangehalt weltweit ansteigt." [2]

Nisbet arbeitet für ein Konsortium, das vom Natural Environment Research Council finanziert wird, und hat in dessen Auftrag eine Serie von Flügen über Uganda und Sambia durchgeführt und dabei Luftproben analysiert. Man habe zwar erst angefangen, die Daten auszuwerten, so Nisbet, aber bereits jetzt eine große Methanfahne registriert, die aus den feuchten Sümpfen des Bangweulusees in Sambia aufsteigt.

Methan ist ein hochpotentes Treibhausgas. Wenngleich es in einer um eine Größenordnung geringeren Konzentration als Kohlenstoffdioxid in der Erdatmosphäre vorkommt, nimmt es mit einem Anteil von 20 Prozent an den anthropogenen Treibhausgasen den zweiten Rang ein. Je nach Berechnungsgrundlage ist Methan 25- bis 87mal so klimarelevant wie CO₂.

Die Gasindustrie, deren Installationen eine potentielle Emissionsquelle für Methan sind, bevorzugt die Verwendung des geringeren Werts. Sie wählt einen auf 100 Jahre bezogenen Vergleichsmaßstab zwischen den Treibhausgasen. Da Methan eine Halbwertszeit von 12,5 Jahren hat, baut es sich innerhalb dieses Zeitraums nahezu vollständig ab und entfaltet selbstverständlich im Laufe der Jahrzehnte eine abnehmende bis verschwindend winzige Klimawirksamkeit. Mit der Wirklichkeit hat das jedoch wenig zu tun, denn wie die oben erwähnte Studie zeigt, steigt der Methangehalt in der Atmosphäre trotz der kurzen Halbwertszeit an. Es wird anscheinend ständig Methan nachgeliefert. Auf einen Zeitraum von 20 Jahren bezogen, hat dieses Treibhausgas bereits die 87fache Klimawirksamkeit von CO₂, auf 12,5 Jahre bezogen sogar von mehr als dem 100fachen. In Wechselwirkung mit Aerosolen kann dem Methan sogar eine noch größere Bedeutung als Klimafaktor attestiert werden.

Abgesehen von diversen Installationen der Gasindustrie kommen als mögliche Quellen der Methanemissionen die wachsende Viehwirtschaft, das Verbreitung von Sümpfen in den Tropen, auftauender Permafrost in den Polarregionen, die Zunahme der Intensivlandwirtschaft in Afrika, Ausgasungen von Müllkippen und nicht zuletzt der Kohleabbau, hier insbesondere Chinas, in Frage.

Doch was wäre, wenn die Messungen der Konzentration von Methan zwar korrekt sind, dennoch die Emissionen gar nicht zunähmen? Einer weiteren Theorie zufolge hat sich nämlich der Anteil an atmosphärischen Chemikalien wie Hydroxyl-Radikale (OH), die zum Abbau von Methan führen, verringert. Ursache könnte wiederum die globale Erwärmung sein, was bedeuten könnte, daß hier ein sich selbstverstärkender Rückkopplungsmechanismus greift: Mehr Methan läßt die Temperatur steigen, was wiederum zum Abbau von Hydroxyl-Radikalen führt und noch mehr klimawirksames Methan in der Atmosphäre zurückläßt. [3]

Die Sorge der Forschergruppe um Nisbet gründet sich auch auf das internationale Klimaschutzübereinkommen von Paris. Damals habe man gedacht, die Methanemissionen zu verringern sei relativ einfach verglichen mit der Reduzierung von CO₂. Nun zeigt sich, daß man eigentlich noch viel mehr CO₂-Emissionen reduzieren müßte, um den Anstieg des Methangehalts zu kompensieren, so Nisbet.

Die Forscher haben es nicht ausgesprochen, aber ihre Untersuchungen finden vor dem Hintergrund statt, daß die Erdatmosphäre zur Zeit rund vier Gigatonnen Kohlenstoff enthält. In den Permafrostgebieten der Erde, insbesondere der polaren Breiten der Nordhalbkugel, lagern Schätzungen zufolge bis zu 400 Gigatonnen Kohlenstoff, also die hundertfache Menge. Auch wenn im Zuge der globalen Erwärmung hiervon nur ein Bruchteil freigesetzt würde, könnte das einen Temperatursprung von mehreren Grad Celsius auslösen. Noch viel mehr Kohlenstoff lagert in Form von Methaneis - Methanhydraten - unter bzw. im Meeresboden von Kontinentalhängen. Hier reichen die Mengenabschätzungen von 700 bis 10.000 Gigatonnen Kohlenstoff.

Erdgeschichtlich sind keine Beispiele einer plötzlichen Freisetzung des Kohlenstoffs im Permafrost bekannt. Bei Methanhydraten hingegen sieht das schon anders aus. Vor rund 55 Millionen Jahren, im Übergang des Erdzeitalters Paläozän zum Eozän, könnte eine Erwärmung der Ozeane um mehrere Grad größere Methanmengen freigesetzt haben. Allerdings muß man sich fragen, was wiederum die Erwärmung ausgelöst hat. Vermutlich hat man es mit einer Gemengelage verschiedener Faktoren, zu denen auch tektonische Beben mit der Folge von Rutschungen an den Kontinentalhängen gezählt werden, zu tun.

Vor 55 Millionen Jahren gab es noch keine Menschen, deren Tun eine globale Erwärmung hätte auslösen können. Heute wären die Menschen theoretisch in der Lage, die von ihnen verursachte Erderwärmung zu bremsen und zurückzunehmen. Indes scheint es an politischer Entschlossenheit zu mangeln, die dazu notwendigen Schritte einzuleiten und beispielsweise den Wachstumspfad zu verlassen, den exorbitanten Ressourcenverbrauch durch den Konsumismus zu beenden oder die Produktionsverhältnisse so zu gestalten , daß nicht aufgrund der konkurrenzgetriebenen Not zahlreiche Güter parallel hergestellt werden.


Fußnoten:

[1] tinyurl.com/y44tm7yu

[2] https://www.theguardian.com/environment/2019/feb/17/methane-levels-sharp-rise-threaten-paris-climate-agreement

[3] https://www.pnas.org/content/114/21/5367

19. Februar 2019


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