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KLIMA/731: Sauerstoffmangel - handeln und hoffen ... (SB)



Die Ozeane verlieren Sauerstoff. Hatte es in den 1960er Jahren noch 45 sauerstoffarme Zonen gegeben, sind es inzwischen rund 700. Außerdem hat sich seitdem die Zahl der komplett sauerstofffreien Meeresgebiete vervierfacht. Ausgelöst von Überdüngung und der globalen Erwärmung bringt der Sauerstoffschwund die marinen Ökosysteme mit ihren spezifischen Nahrungsketten durcheinander. Das beeinträchtigt in der Folge auch die Fangmenge an Fisch, der Hauptnahrungsquelle für eine Milliarde Menschen. Eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen würde die globale Erwärmung und damit den Sauerstoffverlust der Ozeane zumindest langfristig stoppen, hoffen die Autorinnen und Autoren eines vor wenigen Tagen erschienenen, mehr als 580 Seiten umfassenden Reports der Weltnaturschutzorganisation IUCN. [1]

Einst waren die sauerstoffarmen (hypoxischen) und sauerstofffreien (anoxischen) Zonen der Meere überschaubar und begrenzt, inzwischen tritt das Phänomen großflächig auf. Besonders betroffen sind vor allem Binnenmeere wie die Ostsee und die Mündungsgebiete großer Flüsse wie des Mississippi, da hier Dünger, Gülle und andere Nährstoffe aus der Landwirtschaft sowie zusätzlich Stickoxide aus dem Fahrzeugverkehr an Land eingetragen werden. Das regt das Wachstum von Algen an, die dem Wasser Sauerstoff entziehen. Doch auch inmitten der Ozeane wird das Phänomen beobachtet. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts haben die Ozeane zwischen ein und zwei Prozent an Sauerstoff verloren, am Ende dieses Jahrhunderts werden es voraussichtlich drei bis vier Prozent sein.

Die zunehmende Erwärmung des Wasser seit Beginn des Industriezeitalters - auch wenn es sich nur um wenige Zehntelgrad handelt - sowie die Versauerung der Meere in Folge der verstärkten Aufnahme von Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre sind, abgesehen vom Sauerstoffschwund, zwei fundamentale Faktoren, die den riesigen Wasserkörper des Planeten Erde in geologisch gerechnet ungeheuer kurzer Zeit umwandeln. Man geht davon aus, daß aufgrund dessen die Warmwasserkorallen komplett sterben werden, was bedeutet, daß die Vielzahl der zwischen ihnen lebenden Fische und anderen Meeresbewohner ihre Habitate verlieren.

Quallen zählen zu den Meeresbewohnern, die sich an die Veränderungen ihrer Umwelt, mit am besten anpassen. Womöglich werden sie zur dominanten Spezies. Wohingegen Thunfische, Makrelen, Haie und andere größere Fische sowie die Meeressäuger die heute sauerstoffarmen, tropischen Meeresgebiete meiden und versuchen werden, in höhere Breiten abzuwandern. Zudem werden sie sich näher an der Meeresoberfläche aufhalten, weil dort der Sauerstoff aus der Atmosphäre eingetragen wird, und damit leichter zu fangen sein.

Als weitere großmaßstäbliche Schadensquelle der Meere kommt die Plastikflut aus allen Ecken und Enden der Kontinente hinzu. Das Plastik zerlegt sich in immer kleinere Teile, so daß nicht nur Wale den Müll pfundweise verschlingen, sondern auch winzige Meeresbewohner in den zweifelhaften Genuß der mikrofeinen Partikel kommen. Da sich Schadstoffe wie zum Beispiel Schwermetalle daran anheften können, gelangen diese in die Nahrungskette. Plastikpartikel im arktischen Meereis wiederum verringern dessen Reflektionsfähigkeit, was zur Folge hat, daß das Eis schneller schmilzt und sich das Nordmeer stärker erwärmt.

All die Einflüsse zusammengenommen sind der Grund dafür, weswegen davon gesprochen wird, daß der Mensch zur Zeit die "Gesundheit" der Weltmeere ruiniert. Obschon sie verglichen mit vielen landgebundenen Ökosystemen träge sind und sich Schadstoffe über ein riesiges Volumen verteilen, sind selbst Experten wie Prof. Andreas Oschlies vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, der einer der Autoren des IUCN-Reports ist, von Geschwindigkeit und Ausmaß der Veränderungen in den marinen Ökosystemen überrascht. [2]

Die Vereinten Nationen haben 2021 bis 2030 zur Dekade der Ozeanforschung zur nachhaltigen Entwicklung erklärt. In diesem Zeitraum sollen die hier beschriebenen Negativtrends gestoppt werden. Ein Unterfangen, das zwingend voraussetzt, daß bis dahin der Anstieg der anthropogenen Treibhausgasemissionen gestoppt und die Entwicklung in die Gegenrichtung umgesteuert wird. Aber selbst dann werden die Ozeane weiter versauern, Wärme aufnehmen und voraussichtlich auch Sauerstoff verlieren, weil sie noch lange nicht mit CO₂ gesättigt sind und die Aufnahmekapazität der Wärmeenergie noch nicht ausgeschöpft ist.

Der umfangreichste Übersichtsbericht, der jemals zum Sauerstoffmangel der Ozeane verfaßt wurde, holt einen bislang vernachlässigten Aspekt des Klimawandels ans Licht. Was müssen die Chinesen erfindungsreich sein [3], daß sie sogar die Ozeanforschung komplett in ihren Bann schlagen können ...


Fußnoten:

[1] https://portals.iucn.org/library/sites/library/files/documents/2019-048-En.pdf

[2] http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0281.html

[3] Eine Anspielung auf die Behauptung von US-Präsident Donald Trump, die Chinesen hätten den Klimawandel nur erfunden, um der US-Wirtschaft Schaden zuzufügen.

10. Dezember 2019


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