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RESSOURCEN/087: FAO warnt - Weizenpilz Ug99 hat Iran erreicht (SB)


FAO-Experten warnen vor rascher Ausbreitung des Schwarzrostpilzes

Ein erheblicher Teil der weltweiten Weizenernte gefährdet


Weltweit schrumpfen die Lagerbestände an Weizen und sind auf den niedrigsten Stand seit Beginn der regelmäßigen Registrierung vor rund einem halben Jahrhundert gefallen. Enorme Preissteigerungen im vergangenen und in diesem Jahr haben dazu geführt, daß Weizen für eine wachsende Zahl an Menschen kaum noch erschwinglich ist. Diesen bedrohlichen Trends noch nicht genug, meldete die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO der Vereinten Nationen am 5. März, daß ein neuer und virulenter Weizenpilz (Puccinia graminis - auch Schwarzrostpilz oder TTKS genannt), der zuvor in Ostafrika und Jemen nachgewiesen wurde, weitergewandert ist und inzwischen die größeren Weizenanbaugebiete Broujerd und Hamedan im Westen des Iran erreicht hat.

Der Pilz könne sich rasch ausbreiten und sei in der Lage, große Ernten zu vernichten. Nun seien traditionelle Weizenerzeuger wie Afghanistan, Indien, Pakistan, Turkmenistan, Usbekistan und Kasachstan "in höchstem Maße" von dem Pilz gefährdet und sollten äußerst aufmerksam sein. "Die Entdeckung des Weizenrostpilzes in Iran ist sehr beunruhigend", sagte Shivaji Pandey, der bei der FAO für die Sektion Pflanzenproduktion und -schutz zuständig ist.

Schätzungsweise 80 Prozent aller Weizensorten, die in Afrika und Asien vorkommen, können von dem Pilz befallen werden. Umgekehrt sind nur 0,3 Prozent der Weizenarten in den akut gefährdeten Gebieten gegen Schwarzrost resistent. In dieser Weltregion wird auf über 65 Millionen Hektar Weizen angebaut, das macht einen Anteil an der Weltproduktion von 25 Prozent aus. Als wichtigste Abwehrmaßnahme gilt die Züchtung und Verbreitung resistenter Sorten. Der Pilz kann auch mit Fungiziden bekämpft werden, aber die müssen zur Verfügung stehen. Das ist für die oben genannten Länder von Afrika bis Zentralasien nicht selbstverständlich.

Erstmals wurde diese neue Variante des Rostpilzes 1999 in Uganda entdeckt, weshalb sie auch Ug99 genannt wird. Ausgerechnet eine Forschungsstation war Ausgangspunkt der gefährlichen Pilzform, und ausgerechnet die bis dahin wehrhaftesten Pflanzen (die mit dem von Roggen eingekreuzten Resistenzgen Sr31 ausgestattet waren) fielen ihm zum Opfer. Im Jahr 2000 wurde der Pilz nicht mehr nachgewiesen, aber 2001 befiel er plötzlich Kenia und 2003 Äthiopien. Beide Länder verzeichneten 2007 schwerwiegende Ernteverluste aufgrund des Pilzbefalls.

Ebenfalls im vergangenen Jahr gelang dem Schwarzrostpilz der Sprung über das Rote Meer nach Jemen, wobei er zum Schrecken der Experten seine Virulenz noch gesteigert hatte. Die Sporen strecken binnen einer Stunde nach dem Befall einer Pflanze eine Hyphe aus, die sich unter der Epidermis, der äußersten Pflanzenschicht, weiter ausbreitet und nach nicht einmal sechs Stunden tiefer ins Innere eingedrungen ist. Daraufhin wächst ein regelrechtes Pilzgeflecht heran. Nach sieben bis zehn Tagen bilden sich weitere Sporen, die ebenfalls ein Netzwerk von Hyphen ausbilden, usw.

Wie gefährlich Rostpilze sein können, weiß man aus der Vergangenheit. Zwischen 1939 und 1942 halbierte sich die mexikanische Weizenernte durch eine ziemlich virulente Rostpilzvariante, in den fünfziger Jahren hatte sich diese innerhalb eines Jahres, vom Wind getragen, über ganz Nordamerika ausgebreitet und 1954 zu Ernteverlusten beim Sommerweizen von 30 bis 50 Prozent geführt. Auch Europa war damals betroffen. Aus historischen Aufzeichnungen geht hervor, daß der Weizenrost mitunter 90 Prozent einer Ernte vernichten konnte. Es läßt sich denken, daß das zu Hungersnöten und in Folge dessen zu sozialen Konflikten führte.

Der US-amerikanische Agrarforscher Norman Borlaug und seine Kollegen hatten Ende der fünfziger Jahre Weizensorten gezüchtet, die gegen den Pilz resistent waren. Unter anderem auf diesen Erfolg stützte sich anschließend die "Grüne Revolution" in der Landwirtschaft. Für seine Verdienste erhielt Borlaug 1970 den Friedensnobelpreis. Im Jahr 2005 wurde nicht zuletzt auf sein Drängen hin die "Global Rust Initiative" (GRI) gegründet. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Ausbreitung der sogenannten Rostkrankheiten einzudämmen. Die Initiative arbeitet mit der FAO, dem International Maize and Wheat Improvement Center (CIMMYT) im mexikanischen El Batan, dem International Center for Agricultural Research in the Dry Areas (ICARDA) in Aleppo, Syrien, und vielen weiteren Forschungsorganisationen auf der ganzen Welt zusammen. Nach der jüngsten Meldung aus Iran forderte FAO-Sektionsleiter Pandey:

"Die betroffenen Länder und die internationale Gemeinschaft müssen sicherstellen, daß die Ausbreitung der Krankheit unter Kontrolle gebracht wird, um das Risiko für jene Länder zu verringern, die bereits von den hohen Lebensmittelpreisen betroffen sind."
(FAO, 5.3.2008)

Die gute Nachricht: Der Schwarzrostpilz bevorzugt wärmere Regionen. Die schlechte Nachricht: Im Zuge des Klimawandels ist mit einer Ausdehnung der wärmeren Regionen nach Norden und Süden und damit auch des potentiellen Verbreitungsgebiets dieser besonders gefährlichen Weizenpilzart zu rechnen.

12. März 2008