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RESSOURCEN/091: Altes Speisefett - wofür es sich zu stehlen lohnt (SB)


Fettdiebe unterwegs

US-Verwertungsbetriebe für altes Speisefett berichten immer häufiger von Diebstählen dieses vermeintlichen Abfallstoffs


In den letzten Jahren wurde in der Presse regelmäßig über erfindungsreiche Zeitgenossen berichtet, die den Motor ihres Autos so modifiziert hatten, daß er mit Fetten und Ölen aus Hotels, Restaurants oder Imbißbuden betrieben werden konnte. Die beiden britischen Abenteurer Andy Pag und John Gimshaw warben Ende vergangenen Jahres sogar damit, daß sie für ihre Safari von Großbritannien nach Timbuktu lediglich mit Biodiesel aus Schokoladenresten gefahren sind.

Gern werden die entsprechenden Berichte mit der Andeutung versehen, daß solch ein Treibstoff eine Lösung für viele Menschen sein könne, ja, daß er sogar eine gesellschaftliche Alternative zu den teuren Erdölimporten darstellt. Selten wird die Rechnung aufgemacht, wieviele Menschen von einer solchen Treibstoffgewinnung profitieren könnten. Vereinfacht gesagt: Wieviele Fritten sollen die Deutschen verzehren, damit ein beträchtlicher Teil von ihnen mit dem dabei anfallenden Altöl fahren kann?

Nun wird aus den USA berichtet, daß es immer häufiger zum Diebstahl von alten Fetten und Ölen kommt. Das zeigt, daß altes Fett erheblich an Wert gewonnen hat. Es hat seinen Nimbus als frei und jederzeit verfügbarer Abfall längst verloren und dürfte in einigen Jahren Preissteigerungen erleben, wie sie auch bei herkömmlichen Energieträgern verzeichnet werden.

Restaurants von Berkeley in Kalifornien bis Sedgwick in Kansas meldeten Diebstähle von alten Speiseölen im Wert von tausenden von Dollar durch Personen, die in ihren Hinterhöfen Biosprit produzieren, schrieb Garance Burke für die Nachrichtenagentur AP (20. Mai 2008). Gegenwärtig wird der Diebstahl von altem Speiseöl offenbar noch als eine Art Kavalliersdelikt angesehen, schließlich handelt es sich nur um Abfall.

Das Verbrennen von alten Fetten und Ölen wird immer eine Nischen-Technologie bleiben. Die verfügbare Materialmenge reicht nicht, um den Treibstoffverbrauch einer ganzen Gesellschaft nennenswert zu bestreiten. Das bedeutet jedoch nicht, daß diese Nischen weiterhin für jene Tüftler freigehalten werden, die ihren alten Mercedes mit Frittenfett betreiben oder Schokoladenreste verbraten.

So hat die Stadt San Francisco das Programm SFGreaseCycle gestartet, weil sie die jährlich anfallenden Kosten in Millionenhöhe für die Entsorgung von Fetten und Ölen einsparen will. Später einmal sollen die Busse, Feuerwehrautos und Rettungswagen der Stadt mit Biodiesel aus Restaurantabfällen betrieben werden. Als das Programm vor sechs Monaten begonnen wurde, nahm die Stadt das Altöl kostenlos an und verkaufte es an lizensierte Biospritproduzenten für 30 Cents die Gallone (1 Gallone = 3,78 Liter). Nun stellen die Restaurants weniger verschmutztes Altöl bereit und erhalten dafür bis zu 1,25 Dollar pro Gallone.

Der Diebstahl von Fettabfällen in den USA ist ein einfaches Merkmal dafür, wie sehr sich die Apologeten der Reste-Verwertungsgesellschaft getäuscht haben. Scheinbar schlaue individuelle Lösungen der Treibstoffherstellung können nicht eins zu eins auf gesamtgesellschaftliche Konzepte übertragen werden. Die Konsequenzen dieses Irrtums sind allerdings nicht annähernd so gravierend wie der staatlicherseits, Agrosprit zu subventionieren und dadurch die Lebensmittelpreise weltweit nach oben zu treiben.

28. Mai 2008