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RESSOURCEN/093: Verwässerung der EU-Direktive zum Bodenschutz (SB)


EU-Kommission sorgt sich um Bodenqualität

Widerstand von Deutschland, Frankreich und Großbritannien gegen verpflichtende Bodenschutzmaßnahmen


Die Qualität von Böden geht im globalen Maßstab zurück. Eine starke Übernutzung und die allgemeine Erderwärmung lösen unumkehrbare Verkarstungsprozesse auf. Organisches Material verschwindet. Experten warnen vor den dramatischen Folgen dieser Entwicklung für die Nahrungsproduktion. Darüber hinaus befindet sich die Wüstenbildung auf dem Vormarsch, und durch Bebauung werden immer mehr Flächen versiegelt - allein in Deutschland täglich 120 Hektar. In den nächsten Jahrzehnten kommt hinzu, daß aufgrund der Erderwärmung der Meeresspiegel weiter ansteigt und flache Inseln und Küstenabschnitte verloren gehen. Alles in allem wäre der Mensch also gut beraten, wenn er sehr sorgsam auf die Bodenqualität achtet, damit es in Zukunft zu keinen dauerhaften Ernteverlusten kommt, die den bereits bestehenden globalen Nahrungsmangel noch verschärfen würden.

Einige Mitgliedsländer der Europäischen Union scheinen sich darum keine Sorgen zu machen. Gegenwärtig wird eine vor zwei Jahren von der EU-Kommission vorgeschlagene Rahmenrichtlinie zum Bodenschutz diskutiert. Es hat den Anschein, als solle das Papier stark verwässert und hinsichtlich verpflichtender Schutzmaßnahmen abgeschwächt werden. Darüber berichtete am 30. Juli 2008 Leigh Phillips für die Internetseite EU-Observer, die Einblick in einen veränderten Entwurf der Strategie hatte [1]. Darin waren nahezu alle wesentlichen Forderungen gestrichen. Demnach haben Deutschland, Frankreich und Großbritannien eine Abschwächung der vorgeschlagenen Maßnahmen ausgehandelt. Schulen, Spielplätze, Krankenhäuser und andere öffentliche Plätze, die mit Schadstoffen belastet sind, würden dies bleiben, sollten sich die drei Staaten mit ihren Ideen durchsetzen, hieß es.

Die Direktive sieht vor, daß sich die Mitgliedsstaaten verpflichten, alle von der Industrie verschmutzte Böden zu identifizieren und zu reinigen. Zudem sollten landwirtschaftliche Flächen hinsichtlich ihrer Gefährdung durch Erosion, Hangabrutschungen und Versalzung bewertet werden, so daß gegebenenfalls Schutzmaßnahmen ergriffen werden können. Die EU-Kommission hat versucht, Kosten und Nutzen solcher Maßnahmen zu beziffern sowie die entstehenden Kosten, wenn nichts unternommen wird. Wenngleich sich ihrer Einschätzung konkrete Aussagen nur schwer treffen lassen, kommt die Kommission dennoch zu dem Schluß, daß sich die Verbesserung der Bodenqualität für die EU insgesamt langfristig lohnt, auch wenn dies für die einzelnen Länder zu unterschiedlichen finanziellen Belastungen führen würde.

Der Kommissionsvorschlag war im vergangenen Dezember auf den EU-Gipfel von den oben genannten drei größten EU-Mitgliedern sowie von Österreich und Niederlande blockiert worden. Frankreich hatte zwar zugesagt, die Verhandlungen während seiner Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2008 wieder aufzunehmen, aber dazu wird es nicht vor dem Gipfel im Oktober kommen, während unterdessen die fünf Blockierer ihre Politik bei inoffiziellen Treffen abstimmen, berichtete Phillips.

Bei den Veränderungsvorschlägen, die vom französischen Umweltministerium erstellt wurden, handelt es sich um kein offizielles Dokument der EU-Ratspräsidentschaft, denn dann hätte es an alle Mitglieder der EU-Kommission verschickt werden müssen. Lediglich die fünf Blockierer wurden in die Diskussion einbezogen. Besaß schon der ursprüngliche Entwurf der Direktive wenig Substanz, so wurde auch das inzwischen geschluckt, erklärte Pieter de Pous, Bodenexperte beim European Environmental Bureau (EEB), das eine europaweite Allianz von Umweltschutzgruppen vertritt und die Umweltpolitik in Brüssel verfolgt.

Deutschland und auch Österreich und die Niederlande wollen sich nicht dazu verpflichten lassen, die Risiken der Bodenverschlechterung feststellen und beheben zu müssen. Frankreich dagegen möchte die Verpflichtung zur Identifizierung kontaminierter Böden auf den Zeitpunkt, wenn Land verkauft wird, beschränken - im Kommissionsvorschlag war diese Möglichkeit lediglich als Zusatz vorgesehen. Außerdem lehnt es Frankreich ab, daß die Daten der kontaminierten Standorte öffentlich gemacht werden. Großbritannien wiederum lehnt verpflichtende Maßnahmen zur Reduzierung der Bodenversiegelung ab, obgleich die Direktive der EU-Kommission in diesem Punkt vage geblieben ist. Die Veränderungsvorschläge sehen nun vor, daß die Minister lediglich bestimmen sollen, in welchem Ausmaß die Bodenversiegelung zu Problemen führt. Der EEB-Experte Peter Smith befürchtet, daß Frankreich beim Gipfel im Oktober die veränderte Version vorlegen und von den Kommissionsmitgliedern eine Absegnung verlangen wird.

Wie eingangs erwähnt, kommt der Bodenqualität eine herausragende Bedeutung bei der Sicherung der Nahrungsversorgung der Menschheit zu. Vor diesem Hintergrund wäre eine Verwässerung der Direktive unklug. Außerdem würde die Europäische Union keine Kosten sparen, wenn ihre Mitglieder die Bodenpolitik auf dem bisherigen Stand weiterführen, sondern sie würde sogar erhebliche Unkosten vermeiden, wie in einer Folgenabschätzung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 22. September 2006 [2] nachzulesen ist. Darin heißt unter Punkt 6, "Schlußfolgerungen":

"Die in der Folgenabschätzung vorgenommene Analyse zeigt, dass der Nutzen eines flexiblen Rechtsinstruments wie der Rahmenrichtlinie zum Bodenschutz mit ehrgeiziger Zielsetzung, aber ohne zu starre Vorschriften, deren Kosten bei Weitem übersteigen wird. Theoretisch besteht der Nutzen der vollen Umsetzung der Richtlinie in der Vermeidung der Kosten, die durch eine Verschlechterung der Bodenqualität entstehen. Danach dürfte dieser Nutzen jährlich 38 Mrd. EUR betragen."

Dabei wurden noch nicht einmal alle Kosten berechnet, beispielsweise jene, die sich aus einer langfristigen Verschlechterung der unaufhaltsamen Bodenverschlechterung ergeben. Boden ist keine unendliche Ressource. Selbst mit einer regelmäßigen Düngung und bei strikter Einhaltung von Fruchtwechseln kann der langfristige Verlust an organischem Material lediglich verlangsamt, aber nicht gestoppt werden. Von Generation zu Generation hinterläßt die Menschen einen zunehmend ausgelaugteren Boden. Einer Expansion der landwirtschaftlichen Fläche sind geographische Grenzen gesetzt, und die sind vielerorts bereits erreicht. Die Intensivierung wird irgendwann in ihr Gegenteil umkippen, wenn die Böden übermäßig strapaziert werden. Der allgemeine Rückgang der Fauna und Flora in den europäischen Böden ist ein deutliches Warnsignal.


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Anmerkungen:

[1] http://euobserver.com/19/26566

[2] ec.europa.eu/environment/soil/pdf/sec_2006_1165_de.pdf

6. August 2008