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RESSOURCEN/140: Grundwasserverluste im "Brotkorb" und "Obst- und Gemüsekorb" der USA (SB)


In einigen landwirtschaftlichen Regionen der USA droht das Grundwasser auszugehen

Forscher sorgen sich um eine nachhaltige Nutzung der
Grundwasserspeicher



Von den zahlreichen Beispielen für die globale Übernutzung von Ressourcen könnte sich in Zukunft der Umgang mit Grundwasser als besonders verhängnisvoll erweisen. Denn was sich unter unseren Füßen abspielt, sieht man in der Regel nicht. Unmittelbar lassen sich die meisten Vorgänge lediglich an Zahlen zu sinkenden Pegelständen ablesen. Ungeachtet dessen, daß die Bedeutung eines Grundwassermangels für die örtliche Bevölkerung gravierend sein kann, sticht selbst das Trockenfallen eines Brunnens nicht so sehr ins Auge wie beispielsweise das Abholzen eines Waldes oder wie der deutliche Wasserverlust in den Great Lakes von Nordamerika. Sollte aus ihnen in der gleichen Geschwindigkeit wie bisher Wasser entnommen werden, werden sie in achtzig Jahren verschwunden sein. [1] Ähnliche Entwicklungen sind bereits vom zentralasiatischen Aralsee und vom afrikanischen Tschadsee bekannt.

Über eine Weltregion, in der die Grundwasserspiegel teils drastisch sinken, berichten Forscher in der jüngsten Ausgabe der Early-Online-Edition der "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS). [2] Die Forschergruppe um Bridget Scanlon vom Büro für ökonomische Geologie der Universität von Texas in Austin hat eine detailgenaue Darstellung der Grundwasserstände in zwei der wichtigsten Agrarproduktionszonen der Vereinigten Staaten erarbeitet. Es handelt sich um das Central Valley in Kalifornien und die High Plains in den zentralen Bundesstaaten. Ersteres ist für den Obst- und Gemüseanbau, letzteres für die Getreideproduktion der USA von entscheidender Bedeutung. Das läßt sich am Marktwert der landwirtschaftlichen Erzeugnisse in Höhe von 35 Mrd. Dollar (High Plains) bzw. 21 Mrd. Dollar (Central Valley) im Verhältnis zum Gesamtwert der US-Agrarprodukte von 300 Mrd. Dollar im Jahr 2007 ablesen.

Ein Fünftel der landwirtschaftlichen Fläche der Vereinigten Staaten wird künstlich bewässert. Auf jener Fläche wird rund 40 Prozent der Nahrung erzeugt. Die Forscher haben sich die High Plains (ca. 9000 Brunnen) und das Central Valley (ca. 2300 Brunnen) ausgesucht, weil hier örtlich die Pegelstände besonders drastisch sinken und gleichzeitig die Grundwasserstände besonders genau beobachtet werden. Zudem haben die US-Forscher in Zusammenarbeit mit französischen Kollegen Schwerefeldmessungen der Satelliten GRACE in den beiden Untersuchungsgebieten ausgewertet.

An den Anfang ihres Berichts stellten Scanlon und ihre Kollegen eine Reihe von Fragen: Wieviel Grundwasser wurde in der Vergangenheit an welcher Stelle verbraucht? Könnte das Grundwasser eines Tages verschwinden? Kann eine künstliche Bewässerung mit Grundwasser nachhaltig gestaltet werden?

Ein Befund lautet, daß der Schwund eher ein lokales Phänomen ist. In den High Plains entfällt rund ein Drittel des Rückgangs auf vier Prozent der Fläche. Besonders betroffen hiervon sind die südlichen Regionen; in ihnen wird es nach Einschätzung der Forschergruppe innerhalb der nächsten 30 Jahre keine künstliche Bewässerung mehr geben. Selbst wenn dort die Grundwasserentnahme reduziert und die Bewässerung zurückgefahren würde, verlängerte das zwar die Nutzung des Aquifers, aber eine nachhaltige Wassernutzung wäre dennoch nicht möglich.

Im Central Valley unterliegen Grundwassereinträge und -nutzung einer höheren Dynamik als in den High Plains. Nach einem neu entwickelten Hydrologischen Modell beträgt der Grundwasserverlust seit den 1960er Jahren 80 Kubikkilometer, betroffen ist davon vor allem das südlich gelegene Tulare-Basin. Neben der künstlichen Bewässerung wird im Central Valley aber auch ein künstliches Wiederauffüllen der Grundwasserspeicher betrieben, was die Versorgungsenge in Dürrezeiten abmildert.

Im Zuge des Klimawandels werden steigende Temperaturen sowie längere und schwerere Dürreperioden die Auffüllmenge des Grundwassers durch oberflächliche Einträge um 20 bis 65 Prozent und durch Flüsse um 50 Prozent bis Ende des Jahrhunderts verringern.

Auf der Nachfrageseite kann nach Einschätzung der Forscher einiges gegengesteuert werden, um den Verbrauch und die Verschwendung zu senken. Doch geben sie zu bedenken, daß selbst eine verbesserte Bewässerungstechnik wie die Tröpfchenbewässerung nicht so viel Wasser einspart, wie man glauben könnte, weil dadurch zwar weniger Wasser versickert, aber die Grundwasserspeicher eben deshalb auch weniger Zufluß erhalten.

Der Studie zufolge reicht das Grundwasser im Central Valley für 390 Jahre, ausgehend von 860 Kubikkilometer im Jahr 2000 bei einem jährlichen Verbrauch von 2,2 Kubikkilometer. Aufgrund der starken Nord-Süd-Diskrepanz fällt die "Lebensspanne" des Aquifers im Tulare-Basin wesentlich kürzer aus. Ähnliches gilt für die High Plains, deren Grundwasser alles in allem noch für voraussichtlich 630 Jahre reicht. Aber im südlichen Bundesstaat Texas verkürzt sich der Wert bereits auf 140 Jahre und innerhalb des Bundesstaats in einigen Regionen voraussichtlich auf Jahrzehnte oder gar Jahre.

Um eine nachhaltigere Nutzung des Grundwassers zu erreichen, schlagen die Forscher vor, die Bewässerungstechnik von Flutungen auf Wassersprengen oder sogar Tröpfchenbewässerung umzustellen, und mehr Grundwasserspeicher anzulegen. Die Vorteile aus diesen Maßnahmen könnten sich vor allem im Central Valley zeigen, kaum jedoch in den High Plains. Dort würden die Farmer einiger Regionen vermutlich die Bewässerung aufgeben und nur noch genügsame Pflanzen wie zum Beispiel Hirse anbauen oder auf Rinderzucht umsatteln.

Worauf könnten die geschilderten Grundwassertrends in zwei der wichtigsten landwirtschaftlichen Anbauregionen der Vereinigten Staaten hinauslaufen? Noch in dieser Generation werden die USA einen Teil ihrer landwirtschaftlichen Fläche verlieren oder zumindest deutliche Ernteverluste einfahren. Das zeigte sich bereits bei der jüngsten Dürreperiode von 2006 bis 2009 in Kalifornien.

Ob die Verluste durch eine Ausdehnung der landwirtschaftlichen Produktion andernorts ausgeglichen werden kann, war nicht Gegenstand der Untersuchung. Vorstellbar wäre das jedoch. Allerdings könnte das wiederum negative Folgen für die Biodiversität haben, falls bestehende Flächen noch intensiver bewirtschaftet oder landwirtschaftliche Flächen zu Lasten von Wäldern, Grasland, Sümpfen oder Mooren neu erschlossen werden. Vorstellbar ist auch, daß die USA ihre Getreideexporte zurückfahren werden, wodurch andere Weltregionen, die bislang Getreideimporteure waren, unter Druck gerieten, mehr produzieren zu müssen. Ebenso könnte es sein, daß sich US-Unternehmen stärker als bisher am sogenannten Land-Grabbing beteiligen, also an der Pacht oder dem Erwerb von Agrarland vorzugsweise in Afrika, Südostasien und Lateinamerika, um dort Nahrung (oder Pflanzen für die Treibstoffproduktion) anzubauen.

Bei der Abschätzung der sozio-ökonomischen Folgen des Grundwasserverlusts müßten eigentlich immer auch die Trends auf anderen Gebieten berücksichtigt werden. So erweisen sich Ernteprognosen, die allein auf der Basis der Grundwasserentwicklung abgegeben werden, als ziemlich spekulativ. Beispielsweise könnten Einbußen der Nahrungsversorgung auch durch eine abnehmende Bodenqualität (Verdichtung, Versalzung, Verlust organischer Anteile), vermehrte Erosionen, Urbanisierung, Förderung von Pflanzen für die Biospritproduktion entstehen.

Wissenschaftler berichten regelmäßig, daß sich solche Kombinationswirkungen nur sehr schwer abschätzen lassen, und warnen, daß man "mit dem Unvorhersehbaren rechnen" müsse. Auf der bevorstehenden Weltgipfelkonferenz der Vereinten Nationen zu nachhaltiger Entwicklung vom 20. bis 22. Juni in Rio wird voraussichtlich sehr viel über solche Trends berichtet, gleichzeitig werden Lösungen oder Scheinlösungen angeboten. Die scheinen im wesentlichen darauf hinauszulaufen, einer "grünen" profitorientierten Wirtschaft zur Durchsetzung zu verhelfen, nicht aber die Entstehung des Mangels auf vielen Gebieten ernsthaft in Angriff zu nehmen.


Fußnoten:

[1] "Groundwater Depletion Rate Accelerating Worldwide", ScienceDaily, 23. September 2010 http://www.sciencedaily.com/releases/2010/09/100923142503.htm

[2] "Groundwater depletion and sustainability of irrigation in the US High Plains and Central Valley", Bridget R. Scanlon, Claudia C. Faunt, Laurent Longuevergne, Robert C. Reedy, William M. Alley, Virginia L. McGuire, and Peter B. McMahon, 29. Mai 2012.
http://www.pnas.org/content/early/2012/05/24/1200311109.full.pdf

30. Mai 2012