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RESSOURCEN/145: USA - Neue Bestimmungen zum Fracking vorgeschlagen (SB)


US-Regierung besteht nicht auf Bekanntgabe sämtlicher Fracking-Chemikalien



Auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten stößt die Förderung von unkonventionellem Erdgas mit Hilfe der Methode des Frackings auf Ablehnung. Doch wie so häufig wird auch in diesem Fall eine zivilgesellschaftliche Bewegung in ruhigere Fahrwasser gelenkt. Beispielsweise mittels Partizipation. Im vergangenen Jahr hat das US-Innenministerium einen Vorschlag für neue Bestimmungen zum Fracking vorgelegt, zu denen 177.000 Anmerkungen aus der Öffentlichkeit gemacht wurden. Die hätten dem neuen Entwurf "geholfen", berichtete das Department of Interior (DOI) in einer Presseerklärung vom 16. Mai 2013. [1]

Beim Aufbrechen (engl. fracturing) von Schiefergestein in teils mehreren tausend Meter Tiefe durch das Fracking, bei dem Wasser, Sand und Chemikalien in den Untergrund gepreßt werden, besteht die Gefahr, daß sich tektonische Spannungen im Gestein entladen und zu seismischen Ereignissen führen. Zudem werden beim Anbohren des gashaltigen Gesteins immer auch Grundwasserschichten durchstoßen, die selbst dann noch durch die verwendeten Chemikalien oder durch aufsteigendes Methan kontaminiert werden können, wenn der Bohrschacht selbst dicht bleibt (was keineswegs immer sichergestellt ist). Denn zwischen äußerer Schachtwandung und der durchbohrten Gesteinsschicht können Hohlräume entstehen, so daß hier Gas nach oben wandern kann.

Nimmt man zur Grundwassergefahr noch hinzu, daß bei der Gasförderung Landschaften zerstört, Anwohner durch Emissionen gefährdet und Gewässer durch den Flowback (Rückfluß des Frackinggemischs) verseucht werden, ergeben sich gute Gründe, die Gasförderung abzulehnen. In Deutschland wird zur Zeit ein Fracking-Gesetz auf den Weg gebracht, das vermutlich weitreichende Einschränkungen der Methode vorsieht. In den USA, in denen die Frackingindustrie seit einigen Jahren einen gewaltigen Boom erlebt, wurden vom Innenministerium neue Regeln vorgelegt, durch die zwar die Gasförderunternehmen mehr als zuvor in die Pflicht genommen werden, um Gefahren für Mensch und Umwelt zu verringern, beispielsweise hinsichtlich des Umgangs mit dem Flowback, aber die alles in allem dem Fracking den Weg freihalten.

In den nächsten 30 Tagen kann die Öffentlichkeit Kommentare zu dem Entwurf abgeben. Davon dürfte sie reichlich Gebrauch machen, denn, wie die New York Times berichtete [2], sehen die neuen Regeln vor, daß Unternehmen, die Fracking betreiben, nicht alle verwendeten chemischen Substanzen bekannt geben müssen. Die von der Industrie betriebene Website FracFocus.org veröffentlicht hierzu eine riesige Datensammlung, die somit weiterhin unvollständig bleibt.

Wenn die Regeln durchkommen, was als sicher angesehen werden kann, hätte die Wirtschaft einen wichtigen Erfolg zu verbuchen. Doch wie wollen die Aufsichtsbehörden entscheiden, ob Fracking umweltschädlich ist, wenn sie die Gefahren gar nicht kennen? Ein weiteres Entgegenkommen der Politik würde ebenfalls Lücken in den Umweltschutz reißen: Die Unternehmen sollen nur stellvertretend an einem einzigen Bohrloch die "Integrität" (das betrifft im wesentlichen die Betonummantelung) nachweisen, sofern die technische Ausführung weiterer Bohrlöcher innerhalb eines Fördergebiet und die geologischen Bedingungen ähnlich sind.

Nicht nur von Seiten des Umweltschutzes wird Kritik an den neuen Regeln geübt, auch die Industrie gibt sich unzufrieden. Allerdings erwecken diese alles in allem den Eindruck, wirtschaftsfreundlich zu sein. Das geht vermutlich auch auf die neue Innenministerin der USA, Sally Jewell, zurück. Sie hat einen Bachelor in Maschinenbau gemacht und Ende der siebziger Jahre für die Erdölindustrie gearbeitet. Jewell hat bereits angekündigt, daß die Bundesregierung weiteres Land zur Öl- und Gasförderung freigeben will. Das dem Innenministerium unterstellte Bureau of Land Management (BLM) hat die Verwaltung von 2,8 Mio. öffentliches Land und 0,22 Mio. Quadratkilometer Indianerland inne.

Die New York Times zitiert die Ministerin mit den Worten: "Ich weiß, es gibt Leute, die sagen, daß Fracking gefährlich ist und verboten werden sollte, Punkt. Dabei wird die Realität ignoriert, daß es schon seit Jahrzehnten betrieben wird und das Potential hat, bedeutende heimische Ressourcen zu entwickeln, unsere Wirtschaft zu stärken und noch Jahrzehnte, die vor uns liegen, betrieben werden kann." [2]

Nach Einschätzung des US-Innenministerium wird bei 90 Prozent der rund 3400 Bohrungen, die pro Jahr auf öffentlichem Land ausgebracht werden, die Methode des Frackings angewendet. Jewell behauptet, daß mit den neuen Vorschlägen sichergestellt wird, daß die besten Bohrmethoden verwendet und sowohl die Gesundheit als auch die Umwelt geschützt werden. Eine gewagte Aussage, wenn man gar nicht weiß, welche Chemikalien die Unternehmen in den Untergrund pressen und welche chemischen Umwandlungsprozesse dort womöglich stattfinden. [3]

Die neuen Regeln sollen eine 30 Jahre alte Gesetzgebung ablösen. Die US-Administration scheint entschlossen, die Förderung von unkonventionellem Erdgas mehr als bisher zu unterstützen. So macht sie auch den Weg zum Export von verflüssigtem unkonventionellen Erdgas frei [4], was der heimischen Industrie einen weiteren Schub verleihen dürfte. Die hatte nämlich, wenngleich auf hohem Niveau, in jüngerer Zeit Einbußen aufgrund sinkender Gaspreise verzeichnet.

Das Beispiel Fracking veranschaulicht, worauf eine sich demokratisch nennende Regierungsführung mit Partizipation der Öffentlichkeit hinausläuft: Wahrscheinlich werden die Einwände der Umweltschützer gegen die Einwände der Wirtschaft abgewogen und ein Kompromiß erzielt, so daß das Fracking unter Auflagen, welche die Betreiber nicht wirklich schmerzen, weiterbetrieben werden kann. Nicht der Umwelt, sondern dem Profit zuliebe.


Fußnoten:

[1] http://www.doi.gov/news/pressreleases/interior-releases-updated-draft-rule-for-hydraulic-fracturing-on-public-and-indian-lands-for-public-comment.cfm

[2] http://www.nytimes.com/2013/05/17/us/interior-proposes-new-rules-for-fracking-on-us-land.html?_r=0

[3] http://schattenblick.com/infopool/natur/chemie/chula275.html

[4] www.csmonitor.com/Environment/Energy-Voices/2013/0518/US-eases-natural-gas-glut-with-second-export-terminal-video

19. Mai 2013