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RESSOURCEN/186: Home Sweet Oklahoma? Erschütternde Bilanz der Fracking-Industrie (SB)


Erdbebenserie im US-Bundesstaat Oklahoma ohne Ende


Der US-Bundesstaat Oklahoma kommt nicht zur Ruhe. Seitdem die Erdöl- und Erdgasindustrie begonnen hat, schadstoffbelastetes Abwasser in ausgediente Bohrlöcher zu verpressen, hat die Häufigkeit von Erdbeben dramatisch zugenommen. Anfang November kam es rund eineinhalb Kilometer westlich der Stadt Cushing in einer Tiefe von fünf Kilometern zu einem vergleichsweise heftigen Beben. Das hatte eine Stärke von 5,0 und sorgte in Cushing und Umgebung zu Gebäudeschäden. Außerdem war eine Zeitlang der Strom ausgefallen. [1]

Verletzt wurde bei dem Vorfall niemand, aber das Gefahrenpotential allein dieses einen seismischen Ereignisses war enorm, wenn man bedenkt, daß dabei eine Pipeline so sehr beschädigt wurde, daß Erdgas entwichen ist. Ein Funke hätte genügt, um das Gas zu entzünden. Nach der Entdeckung des Lecks wurde ein Teil der 7.900-Einwohner-Stadt evakuiert und die örtliche High School für einen Tag geschlossen.

Cushing ist Dreh- und Angelpunkt mehrerer Erdöl- und Erdgaspipelines sowie Standort eines Tanklagers, die allesamt potentiell erdbebengefährdet sind. Die bislang schwerste Erschütterung des Untergrunds ereignete sich im September. Das Beben besaß eine Stärke von 5,8 und war fast eine Minute lang im gesamten Bundesstaat zu spüren. [2]

Die Erdgas- und Erdölgesellschaften der USA setzen die Fördertechnik des Frackings ein. Dabei werden die Gesteinsschichten, in denen die fossilen Energieträger vorliegen, zunächst vertikal, dann weiter fortgesetzt horizontal angebohrt und schließlich mittels eines unter hohem Druck eingepreßten Gemischs aus Wasser, Sand und einem Cocktail aus chemischen Zusätzen regelrecht aufgebrochen. Dadurch kann der nicht als geschlossene Blase, sondern über viele kleinere Einschlüsse verteilte Energieträger zusammenströmen und gefördert werden. Das dabei mitgeförderte, nunmehr stark salzhaltige Brauchwasser wird abgeschieden, gesammelt und später entweder in bereits vorhandene oder eigens dafür niedergebrachte Löcher gepreßt, die dann versiegelt werden.

Der Geologische Dienst der USA, der sich in den meisten Fällen mit der Behauptung kausaler Zusammenhänge zurückhält, hat gute Argumente, um die Erdbebenhäufigkeit in Oklahoma auf das Verpressen von Fracking-Produktionswasser zurückzuführen. So kam es im Zeitraum 2004 und 2008 im gesamten Bundesstaat nur zu neun Erdbeben, die stärker als 3,0 waren, also im Durchschnitt maximal zwei Beben pro Jahr. Die Erdölförderung mittels Fracking setzte 2008 in Oklahoma ein und hat seitdem jedes Jahr mehrere hundert Erdbeben ausgelöst. Allein in diesem Jahr wurden schon 518 seismische Erschütterungen registriert. 518 zu 2 macht eine Steigerung um das 259fache gegenüber der Prä-Fracking-Ära, und das Jahr ist noch nicht zu Ende!

Man rechnet in Oklahoma auf ein gefördertes Barrel (ca. 159 Liter) Erdöl mit bis zu 20 Barrel Brauchwasser. Die Kosten einer oberirdischen Lagerung überträfen das Verpressen dieses Wassers bei weitem. Der Frackingindustrie diese für sie wesentlich billigere Variante der "Entsorgung" zu gestatten, ist einer der staatlichen Anreize, um die heimische fossile Energiewirtschaft zu stärken und die Importabhängigkeit der USA von Erdöl zu verringern.

Unter dem früheren Erdölmanager und US-Vizepräsidenten Dick Cheney wurden die Betreiber des Frackings von einer Reihe von Umweltgesetzen ausgenommen, unter anderem von den Bestimmungen des Luftreinhaltegesetzes (Clean Air Act). Das sorgt zwar seitdem zu einem Anstieg der Krebshäufigkeit und Atemwegsbeschwerden unter den Einwohnern der Fördergebiete, aber eben auch zu einem Anstieg der Profite in der Branche und das zählt viel mehr vom Standpunkt jenes einen Prozents aus, das über mehr Vermögen verfügt als die übrigen 99 Prozent der Gesellschaft und an den Schalthebel der Macht sitzt. Beispielsweise ist der designierte US-Präsident Donald Trump Milliardär. Die Mehrzahl der Kongreßabgeordneten sind zumindest Vermögensmillionäre. Und was die Wahlen betrifft, so sorgt jenes eine Prozent unter anderem mit Spenden dafür, daß auf jeden Fall ein Kandidat ihrer beiden Flügel, die "Demokraten" und "Republikaner" genannt werden, gewinnen.

Erdbeben zählen zu den spektakulären Folgen der Frackingindustrie. Andere Folgen tragen dazu bei, daß sich die Erde erwärmt, das Klima ändert und die Lebensvoraussetzungen und -aussichten eines beträchtlichen Teils der Menschheit derzeit rapide verschlechtert. Jenes eine Prozent ist davon nicht berührt, es kann sich die besten Plätze als Wohnort sichern und per Livestream im Internet oder im Fernsehen verfolgen, wie beispielsweise Ostafrika ausdörrt, Bangladesch überschwemmt wird und den Andenbewohnern das Trinkwasser ausgeht.

Ohne eine Interessensgleichheit von Politik und Wirtschaft gäbe es jenes eine Prozent nicht. Wobei es nicht darum gehen kann, mittels Umverteilung das Verhältnis von 2 zu 98 oder 10 zu 90 zu ändern, wie es von einigen Kritikern der fossilen Energiewirtschaft gefordert wird. Das würde das Problem nicht im mindesten lösen, daß beispielsweise beim Fracking ganze Landschaften zerstört werden und diese Zerstörung sowohl Voraussetzung als auch Folge des Generierens von Profiten ist. Solange die Eigentumsverhältnisse nicht im Grundsatz in Frage gestellt werden, würde selbst eine Beendigung des Frackings lediglich andere Spielarten der Verwertung dessen, was üblicherweise als Natur bezeichnet wird, auf den Plan rufen.


Fußnoten:

[1] https://www.theguardian.com/world/2016/nov/07/strong-earthquake-central-oklahoma-damage

[2] http://www.bloomberg.com/news/articles/2016-11-14/rare-oil-patch-hot-spot-emerges-in-america-s-earthquake-capital

15. November 2016


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