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RESSOURCEN/196: Das Gift der "Schwarzen Schlange" (SB)


Dakota Access Pipeline nimmt Betrieb auf


"Nein, nein! Nicht bei uns! Auf keinen Fall!! Dadurch wird unsere Trinkwasserversorgung gefährdet!" So oder so ähnlich dürfte die Administration von Bismarck auf den Plan reagiert haben, eine Erdölpipeline in der Nähe ihrer Stadt verlegen zu wollen. Jedenfalls wurde der ursprüngliche Streckenverlauf korrigiert. Die Einwohnerinnen und Einwohner durften aufatmen.


Rund ein halbes Dutzend hintereinander ausgelegter, noch unverbundender Röhren auf einer sich über mehrere flache Hügel erstreckenden Baustelle - Foto: Lars Plougmann, CC BY-SA 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/]

Streckenabschnitt der Dakota Access Pipeline in Campbell County, South Dakota, 1. Juli 2016
Foto: Lars Plougmann, CC BY-SA 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/]

Anderen Menschen hingegen hat es den Atem verschlagen. Führte doch der neue Verlauf der Dakota Access Pipeline, von der hier die Rede ist, nun unmittelbar unterhalb eines Stausees hindurch, der für ihre Trinkwassergewinnung von existentieller Bedeutung ist. Der Unterschied zwischen den beiden gesellschaftlichen Gruppen: Die Einwohner Bismarcks sind vorwiegend weiß, einigermaßen wohlhabend und fest im Gebäude westlicher Kultur und Gepflogenheiten verwurzelt. Wohingegen die Menschen, deren Sorge um die Unversehrtheit des Trinkwassers von den Verantwortlichen anscheinend als weniger wichtig erachtet wurde, überwiegend von indianischer Herkunft sind, in einem Reservat leben und, obschon weitgehend in die von Weißen dominierte Einwanderergesellschaft integriert, indes von ihr noch nicht komplett assimiliert sind.

Seit Donnerstag, dem 1. Juni, fließt Öl aus dem Fracking-Gebiet der geologischen Bakken-Formation im Norden des Bundesstaats North Dakota durch die 75 Zentimeter durchmessende und 1800 Kilometer lange Röhre zu einer Raffinerie im Bundesstaat Indiana. [1] Im vergangenen und noch Anfang dieses Jahres waren um den Bau der 3,8 Milliarden Dollar teuren Pipeline der Firma Energy Transfer Partners zunehmend breiter angelegte Proteste entflammt, der Schattenblick berichtete darüber. [2]

Die Gefahr für die Trinkwasserversorgung der Standing Rock Reservation, in dem über 8.200 (2010) Personen dauerhaft leben, ist groß, aber nicht der einzige Protestgrund. Widerstand gab es auch deswegen, weil die Pipeline in einem Gebiet errichtet wurde, das von den Lakota-Sioux als Heiliges Land angesehen wird und in dem sie ihre Ahnen bestattet haben.

Menschen aus rund 200 Indianerstämmen solidarisierten sich mit den Lakota-Sioux, zeitweise hatten sich 5.000 Menschen vor Ort zu einem Protestcamp eingefunden. Weltweit zeigten Menschen und Initiativen ihre Verbundenheit mit der seit Jahrhunderten unterdrückten und auf wenige "Reservations" zurückgedrängten nordamerikanischen Ursprungsbevölkerung, indem sie ihre Protestbewegung mit der eigenen verknüpften.

Die Demonstrationen und Agitationen gegen die Pipeline wie auch gegen US-Präsident Donald Trump, der am 24. Januar 2017 per "Executive Order" das Army Corps of Engineers beauftragt hat, die Genehmigung für den Weiterbau der Dakota Access Pipeline voranzutreiben, sind nicht versiegt, nur weil inzwischen Erdöl durch die höchst umstrittene, von den Sioux "schwarze Schlange" genannte Röhre fließt. Gegenwärtig reisen Vertreterinnen und Vertreter der Initiative "Stand Up With Standing Rock" [3] durch Europa, wobei sie auch das Braunkohlerevier im Rheinland besuchen. [4]


Demonstrationszug mit Plakaten und langer, aufblasbarer schwarzer Schlange - Foto: slowking4, GFDL 1.2 [http://www.gnu.org/licenses/old-licenses/fdl-1.2.html]

Demonstration gegen die Dakota Access Pipeline am 10. März 2017 in Washington. Foto: slowking4, GFDL 1.2 [http://www.gnu.org/licenses/old-licenses/fdl-1.2.html]

Die internationale Verbindung zwischen Protestbewegungen, die sich gegen die Förderung von fossilen Energieträgern wie Erdöl, Erdgas und Kohle richten, ergibt sich beinahe natürlicherseits. Denn die Mittel des Staates, der die Interessen der kapitalstarken Klientel notfalls mit Gewalt durchsetzt, unterscheiden sich kaum voneinander, ob sie in Nordamerika oder in Europa in Stellung gebracht werden. Deshalb wäre es kurzsichtig, mit dem Finger nur auf die industriefreundliche Politik der Trump-Regierung zu deuten, ohne nicht auch die von Bund und Ländern hofierte Kohlewirtschaft in Deutschland zu erwähnen. Im Rheinland, in der Lausitz und in Mitteldeutschland wird sprichwörtlich Landraub betrieben. Dort graben sich die größten technischen Arbeitsmaschinen der Welt bis zu 400 Meter tief in den Untergrund, um dort unten an der Sohle Braunkohle herauszukratzen, die dann in nahegelegenen Kraftwerken verbrannt wird. Teilweise wird hierfür uralter Baumbestand abgeholzt; ganze Dörfer werden zwangsumgesiedelt - und Braunkohle gilt als einer der schmutzigsten Energieträger, er hat einen relativ hohen Anteil an den menschengemachten Treibhausgasemissionen.

Die Befürchtung der Lakota-Sioux, daß durch eine Leckage der Oahesee, der Teil des Mississippi ist, mit Erdöl kontaminiert werden könnte, ist nicht übertrieben. Bei zwei Vorfällen im März dieses Jahres flossen aus Lecks dieser Pipeline allein in North Dakota einmal 75 und ein andermal 320 Liter Öl in die Umwelt. Am 4. April drangen aus einer Pumpstation in South Dakota 318 Liter aus. [5] Einer Studie der Duke University vom Februar dieses Jahres zufolge wurden in den letzten zehn Jahren in den vier US-Bundesstaaten Colorado, North Dakota, Pennsylvania und New Mexico mehr als 6.600 Leckagen und Austritte gemeldet. [6]


Panoramaaufnahme eines weit verstreuten Lagers mit mehreren Dutzend Zelten - Foto: Tony Webster, CC BY-SA 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/]

25. August 2016: Das "Sacred Stone Camp" nahe Cannon Ball, North Dakota, war Bestandteil der anhaltenden Proteste gegen die Dakota Access Pipeline.
Foto: Tony Webster, CC BY-SA 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/]


Fußnoten:


[1] http://thehill.com/policy/energy-environment/335898-dakota-access-pipeline-now-in-service

[2] Näheres dazu unter:
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umre-191.html
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umre-193.html

[3] https://standupwithstandingrock.noblogs.org/

[4] http://www.ausgeco2hlt.de/news/

[5] tinyurl.com/y92djzt5

[6] http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-21184-2017-02-22.html


2. Juni 2017


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