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RESSOURCEN/225: Fracking - mehr Schaden als Nutzen ... (SB)



Weil das Fracking des Gasförderunternehmens Cuadrilla in der britischen Grafschaft Lancashire allzu starke seismische Folgen ausgelöst hatte, muß es seine Aktivitäten reduzieren und wird deshalb weniger Gas fördern. Jetzt hat das Unternehmen bei den Behörden beantragt, daß die Grenzwerte für künstlich erzeugte Erdbeben angehoben werden sollten. Umweltgruppen protestieren schon lange gegen Fracking und sehen sich nun in ihrer Ansicht bestätigt, daß diese Art der Gasförderung gar nicht ohne Umweltfolgen betrieben werden kann.

Auch wenn solche seismischen Erschütterungen in der Regel unterhalb dessen bleiben, was an der Erdoberfläche zu spüren ist, bedeutet das nicht, daß sie unter allen Umständen harmlos sind. Es ist bekannt, daß kleinere Beben stärkere nach sich ziehen können, wo sich Spannungen aufgebaut haben, die dann nur noch einen kleinen Anstoß benötigen, um loszulegen. Das wiederum ist eine potentielle Gefahr beispielsweise für die betonummantelten Bohrlöcher, die dadurch brüchig werden können, so daß das Gas entweder das Grundwasser verunreinigt oder außerhalb des Bohrlochs aufsteigt, an die Luft entweicht und zum Klimawandel beiträgt.

Beim Fracking bzw. Hydraulic Fracturing wird eine gas- oder erdölhaltige Gesteinsschicht so angesteuert, daß der Bohrkopf zunächst senkrecht geführt, dann waagerecht umgelenkt wird. Weil der Rohstoff nicht in Form einer großen Blase vorliegt, sondern sich über zahllose kleine Einschlüsse und Risse im Gestein verteilt, wird dieses regelrecht aufgebrochen. Das geschieht, indem man zunächst mit einer Perforationskanone Löcher in die Wandung des Bohrgestänges schießt und anschließend eine Flüssigkeit aus Wasser, Spezialsand und diversen chemischen Substanzen unter sehr hohem Druck in den Untergrund preßt. Nachdem das Gestein auf diese Weise gefrackt wurde, werden die sogenannten Frackfluide wieder abgepumpt. Das Gas sammelt sich und folgt dem Weg nach oben.

Allen Protesten zum Trotz hat Cuadrilla im vergangenen Jahr mit Erkundungsbohrungen in 2,5 Kilometer Tiefe bei der Preston New Road in Lancashire begonnen. Es ist der landesweit erste Standort, an dem Schiefergestein horizontal angebohrt wird. Nach Unternehmensangaben handelt es sich um eine ergiebige Lagerstätte, die hochwertiges Erdgas enthält, das kaum aufbereitet werden muß.

Allerdings gestattet es das behördliche Ampelsystem nicht, Fracking zu betreiben, wenn dabei seismische Erschütterungen stärker als 0,5 auf der Richterskala künstlich erzeugt werden. Da das im vergangenen Jahr häufiger vorkam, mußte Cuadrilla mehrmals das Fracking aussetzen und durfte die Arbeiten erst nach 18 Stunden wieder aufnehmen. Dennoch waren die Ergebnisse nach Unternehmensangaben ermutigend. Jetzt möchte es seine Möglichkeiten voll ausschöpfen. Eigenen Angaben nach hat Cuadrilla die zuständige Oil and Gas Authority (OGA) dringend gebeten, das Ampelsystem TLS (Traffic Light System) zu überarbeiten, damit die Arbeiten durch keine Sicherheits- oder Umweltschutzmaßnahmen behindert werden.

Ungefähr zeitgleich damit hat auch die INEOS Holding Ltd., ein weiteres Frackingunternehmen, ebenfalls an die britische Regierung appelliert, den Grenzwert von 0,5 auf der Richterskala zu lockern. Das sei rund 3.000mal niedriger als der in den USA verbreitete Grenzwert von 4,0, und dort seien schon über eine Million Bohrlöcher nach der Frackingmethode angelegt worden, lautete die Begründung. [1]

Vermutlich wurde in der ganzen Welt kein anderes Bohrloch so umfassend hinsichtlich seismischer Aktivitäten überwacht wie unseres, sagte Cuadrilla-Geschäftsführer Francis Egan: "Alles, worum wir jetzt bitten, ist, daß wir fair behandelt werden, mit vergleichbaren seismischen und Bodenvibrationsgrenzwerten wie ähnliche Industrien in Lancashire und anderswo im Vereinigten Königreich, die in der Lage sind, sicher, aber effektiver mit deutlich höheren Schwellenwerten für Seismizität und Bodenvibration zu arbeiten." [2]

Die Umweltorganisation Greenpeace UK hat dagegen ganz andere Vorschläge. In einer Presseerklärung sagte deren Direktor John Sauven: "Cuadrilla hat praktisch zugegeben, daß es nach den Sicherheitsvorschriften, mit denen sie seit Jahren prahlen, kein Fracking durchführen kann. Wenn sie es nicht können, dann sollten sie es auch nicht tun (...) Die britische Regierung sollte aufhören, Zeit mit dieser umweltschädlichen Industrie zu verschwenden und die Infrastruktur für saubere Energien unterstützen, die wir zur Bekämpfung des Klimawandels benötigen." [3]

Ursprünglich gab es einmal den Vorschlag für das Regelwerk des Ampelsystems, den Grenzwert für künstlich induzierte Beben auf die maximale Magnitude von 1,7 festzulegen. Das halten jedoch die Sachverständigen des Gutachtens "Preese Hall. Shale Gas Fracturing - Review & Recommendations for Induced Seismic Mitigation" (2012) für zu hoch. Sie empfehlen den Wert von 0,5, wie er schließlich auch angenommen wurde. Bei einem Wert von 1,7 wäre jenes Beben nicht verhindert worden, das am 1. April 2011 beim ersten Fracking-Bohrloch des Vereinigten Königreichs überhaupt, Preese Hall in Blackpool, mit einer Stärke von 2,3 aufgetreten war, schreiben die Autoren. Jenes Bohrloch ist seit dem Beben nicht mehr zu nutzen. [4]

Noch verfügt das Vereinigte Königreich über eigene Gasreserven in der Nordsee. Gegenwärtig importiert es rund die Hälfte seines Verbrauchs aus anderen Ländern, entweder als Flüssiggas via Tankschiff oder über Pipelines. Im Jahr 2030 wird sich der Eigenanteil an Erdgas voraussichtlich auf 20 Prozent reduzieren. 80 Prozent der Haushalte heizen mit Gas. Cuadrilla begründet die Notwendigkeit zu fracken damit, daß die erneuerbaren Energieträger zwar wichtig sind, aber daß sie die Bedarfslücke mittelfristig nicht werden schließen können. [5]

Das Unternehmen hat anscheinend nicht begriffen, daß in der heutigen Welt "mittelfristig" keine Perspektive mehr ist. Vielleicht hatte man vor zehn, zwanzig Jahren noch gedacht, daß man bis Mitte des Jahrhunderts Zeit hat, um das Ruder klimapolitisch herumzureißen und einen anderen Kurs einzuschlagen, der nicht von immer mehr Wachstum und dem Verbrauch fossiler Energieträger bestimmt wird. Doch ein im vergangenen Jahr für den Weltklimarat IPCC erstelltes Sondergutachten sagt klipp und klar, daß nur noch zwölf Jahre bleiben.

Wenn bis 2030 die Treibhausgasemissionen nicht deutlich reduziert werden, wird sich die globale Durchschnittstemperatur um zwei Grad Celsius erhöhen. Das wäre mit ungleich schwerwiegenderen Katastrophen für Mensch, Tier und die gesamten Ökosysteme verbunden, als wenn es gelänge, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Und selbst das würfe noch viele Menschen aufgrund vermehrter Naturkatastrophen in existentielle Not.

Auch wenn bei der Verbrennung von Erdgas vergleichsweise weniger Kohlenstoffdioxid freigesetzt wird als bei Erdöl oder Kohle, wäre es ein Irrglaube, im Erdgas auch nur eine mittelfristige Alternative zu sehen - und schon gar nicht für Erdgas, das nach dem Frackingverfahren gefördert wurde. Angesichts der knappen Zeit, die der Menschheit noch bleibt, ist sogar die Ampelbestimmung der britischen Regierung, die den Frackingunternehmen relativ strenge Bestimmungen auferlegt, noch Teil des Problems. Aber nicht, wie Cuadrilla behauptet, weil die Grenzwerte für seismische Erschütterungen viel zu streng sind, sondern weil die Ampel ein Türöffner für Frackingunternehmen ist.


Fußnoten:

[1] tinyurl.com/yywdbvnz

[2] https://cuadrillaresources.com/media-resources/press-releases/cuadrilla-shale-gas-initial-flow-test-results/

[3] https://www.greenpeace.org.uk/press-releases/cuadrilla-just-earthquakes-will-make-fracking-work-greenpeace-no-thank/

[4] tinyurl.com/y6s798qd

[5] https://cuadrillaresources.com/

18. Februar 2019


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