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RESSOURCEN/227: Fracking - um jeden Preis ... (SB)


Luftaufnahme des Bohrplatzes mit Förderturm und diversen Installationen - Foto: U.S. Department of Energy

Bohrturm des Projekts Gasbuggy, 1967
Foto: U.S. Department of Energy

Wer bislang geglaubt hat, daß Fracking mittels enorm hohen Wasserdrucks die zerstörerischste Art der Erdöl- und Erdgasgewinnung ist, irrt. Zwischen 1967 und 1973 haben die USA Atombomben von der mehrfachen Sprengkraft der Hiroshimabombe unterirdisch gezündet, um herauszufinden, ob sich dadurch nicht die Fördermenge der fossilen Energieträger erhöhen läßt. Die Projekte waren Teil des Programms "Plowshare" (Pflugschar) zu Möglichkeiten der zivilen Nutzung der Kernenergie. Aufgegeben wurde diese Idee primär nicht wegen der gewaltigen Zerstörungen im Untergrund, der radioaktiven Kontamination des Gases bzw. Erdöls und wachsenden öffentlichen Unbehagens, sondern vor allem deshalb, weil die Methode des heute noch verbreiteten "hydraulic fracturing" praktikabler und kostengünstiger war.

Am 10. Dezember 1967 versenkte ein Team des Lawrence Livermore Radiation Laboratory der US-Atomenergiekommission eine 29 Kilotonnen schwere Atombombe in New Mexiko in ein Bohrloch und zündete sie in knapp 1300 Meter Tiefe, berichtet die Website der American Oil & Gas Historical Society [1]. Zum Vergleich: Die Atombombe, die von den US-Streitkräften am 6. August 1945 über der Stadt Hiroshima abgeworfen worden war, besaß eine Sprengkraft von 15 Kilotonnen. 22 Jahre nach dieser Kriegshandlung wurde nicht mehr aus militärischen, sondern mutmaßlich zivilen Motiven eine Reihe von Kernwaffendetonationen ausgelöst. "Projekt Gasbuggy" lautet der Name des Projekts, an dem abgesehen von der Atomic Energy Commission unter anderem auch das U.S. Bureau of Mines und die El Paso Natural Gas Company beteiligt waren. Es handelte sich um die erste Kernwaffenexplosion, die von Regierung und Industrie gemeinsam finanziert worden war. [2]

Die Sprengung hatte im Untergrund einen Hohlraum von rund 50 mal 100 Meter Größe erzeugt, der Sekunden später wieder zusammenfiel. Nach der Explosion wurden 295 Millionen Kubikfuß Erdgas gefördert, das mit dem radioaktiven Gas Tritium kontaminiert war. Das Gas wurde nicht gesammelt, sondern abgefackelt. Sechs Jahre lang. Heute erinnert eine Plakette oberhalb des Bohrlochs im Carson National Forest, 34 Kilometer südwestlich von Dulce, an das nukleare Fracking.

Zwischen 1961 und 1973 zündeten die USA im Rahmen des Plowshare-Programms 35 Atombomben. Geprüft wurde damit vor allem, ob sich die angeblich kostengünstigen Explosionen zum Anlegen von Gruben und Gräben, also zum Bewegen großer Massen von Erdreich und Gestein, verwenden lassen. Auch eine Erweiterung des Panamakanals mittels solcher Kernwaffenexplosionen war im Gespräch. [3]


Metallplakette auf Betonsockel erinnert an das Projekt Gasbuggy - Foto: Chubbles, CC0 1.0 [https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.en]

Projekt Gasbuggy - eine der vielen Nuklearleichen im Keller des militärisch-industriellen Komplexes
Foto: Chubbles, CC0 1.0 [https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.en]

Die zweite Kernwaffenexplosion zur Stimulierung der Erdgasförderung fand 1969 nahe der Stadt Rulison in Colorado statt. Im "Projekt Rulison" wurde eine 43 Kilotonnen schwere Atombombe in 2590 Meter Tiefe gezündet. Beim dritten Experiment dieser Art, "Projekt Rio Blanco" nordwestlich von Rifle, Colorado, im Mai 1973 wurden gleich drei Kernwaffen von jeweils 33 Kilotonnen hintereinander in 1779, 1899 und 2039 Meter Tiefe in einer geringdurchlässigen Sandsteinschicht gezündet.

82 Millionen Dollar haben diese Projekte zur Förderung von Erdgas mittels Atombomben gekostet. Damals nahmen zwar auch die Bedenken hinsichtlich der radioaktiven Kontamination zu, ausschlaggebend für die Beendigung des Programms war jedoch wie gesagt der Preis. Selbst bei einer Produktion des gesamten förderbaren Erdgases über einen Zeitraum von 25 Jahren hätte man nur zwischen 15 und 40 Prozent der Investitionen wieder hereingeholt.

Die Idee, mittels unterirdischer Sprengungen die Fördermenge von Erdgas und Erdöl zu steigern, geht bis in die Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs in den 1860er Jahren zurück. Damals hatte Edward A.L. Roberts, Lieutenant Colonel der 28th New Jersey Volunteers, ein Patent auf ein Torpedo angemeldet, das in ein Bohrloch versenkt und zur Zündung gebracht werden sollte. Auch gab es damals für die Beteiligten nicht ganz ungefährliche Experimente mit Nitroglyzerin, das in das Bohrloch gekippt wurde. Noch im Jahr 1990 wurde dieser flüssige Sprengstoff zur Stimulierung der Erdölförderung verwendet. [4]

Beim heutigen horizontalen Fracking werden Perforationskanonen in das Bohrloch bis hinunter in die gasführende Gesteinsschicht geschoben. Diese Kanonen schießen zahlreiche Löcher in verschiedene Richtungen durch die Wandung des Bohrgestänges hindurch in das umgebende Gestein. So kann nach Abschluß der Detonationsphase Wasser unter extrem hohem Druck in die Kanäle gepreßt und das Gestein großräumig aufgesprengt werden.

Fracking mittels Atombomben hat sich zwar ökonomisch nicht durchgesetzt, doch werden seit längerem Überlegungen angestellt, jetzt, da man schon so viele tiefe Löcher in den Untergrund gebohrt hat, diese mit radioaktivem Abfall zu füllen. [5]

Dann hätte die fossile Energiewirtschaft nicht nur den Untergrund aufgebrochen und perforiert, sondern die Löcher auch noch mit einem potentiellen Gefahrenstoff wieder aufgefüllt. Der Untergrund bewegt sich. Die bis zu einer bestimmten Tiefe mit Beton gesicherten Bohrwandungen werden brüchig, und die langen, schmalen Kanister, die mit radioaktivem Abfall befüllt werden sollen, halten weder den mechanischen Belastungen in dieser Tiefe noch der chemischen Zersetzung stand. Sollten solche Pläne zur umfangreichen Tiefenlagerung radioaktiven Abfalls jemals verwirklicht werden, ähnelten ihre Folgen wohl jenen, die nukleares Fracking hervorgerufen hätte.


Eine Gruppe von circa zehn Personen steht auf mehreren Ebenen um die längliche Atombombe herum, die in den Schacht hinabgelassen wird - Foto: U.S. Department of Energy

Ein Mechaniker befestigt ein Zündkabel an der zweiten der drei Atombomben des "Projekts Rio Blanco".
Foto: U.S. Department of Energy


Fußnoten:


[1] https://aoghs.org/technology/project-gasbuggy/

[2] http://content.time.com/time/magazine/article/0,9171,899941,00.html

[3] https://www.osti.gov/opennet/reports/plowshar.pdf

[4] https://aoghs.org/technology/hydraulic-fracturing/

[5] https://www.forbes.com/sites/jamesconca/2018/05/22/a-deep-hole-may-be-just-what-our-nuclear-waste-needs/#3459b08764be


13. März 2019


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