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BERICHT/008: Klima, Aerosole - Schadensträger im Fadenkreuz, Teil 5 (SB)


Generation Aufbruch in der kritischen Forschung

Bericht von der Konferenz "Severe Atmospheric Aerosol Events" am 11./12.8.2011 in Hamburg

Teil 5: Wald- und Buschbrände - eine unterschätzte global wirksame Aerosolquelle sowie ein Risikofaktor für radioaktive Kontaminationen


Auch wenn der kalte, regennasse Sommer 2010 in Deutschland den Gedanken an die Gefahr von Waldbränden gar nicht erst aufkommen ließ - weltweit gesehen blieb das Wald- und Buschbrandrisiko unvermindert hoch. Auf allen Kontinenten, mit Ausnahme der Antarktis, die dem Feuer noch nicht genügend Nahrung liefern kann, brennt es regelmäßig und an zahllosen Orten. Manche Brände, wie die der Kohleflöze in China, schwelen seit Jahrzehnten, andere noch länger. Wer weiß schon, daß seit 1668 ein Steinkohleflöz nahe des Saarbrücker Stadtteils Dudweiler brennt? Johann Wolfgang von Goethe behauptet zwar in seinem Reisebericht, daß das Feuer erst um 1760 ausbrach - aber wer wollte sich angesichts solcher Zeitspannen um ein knappes Jahrhundert streiten?

Der sogenannte Brennende Berg im Saarland hat sich nur deshalb zu einer Touristenattraktion entwickelt, weil sein Feuer harmlos ist, was bedeutet, daß irgendwo im Innern des Bergs Steinkohle glimmt, ohne daß das Feuer an die Oberfläche bricht. Die Rauchentwicklung bleibt äußerst gering und ist klimatisch vollkommen zu vernachlässigen. Wohingegen die Vegetationsbrände, von denen der Feuerökologe und Forstwissenschaftler Prof. Dr. Johann Georg Goldammer am zweiten Tag der internationalen Konferenz "Severe Atmospheric Aerosol Events" (SAAE) berichtete, äußerst bedrohliche, manchmal sogar tödliche Folgen nach sich gezogen haben.

Prof. Dr. Johann G. Goldammer beim Vortrag - Foto: © 2011 by Schattenblick

Prof. Dr. Johann G. Goldammer berührt brisante Themen
Foto: © 2011 by Schattenblick

Der Gründer des Global Fire Monitoring Centers in Freiburg verschaffte den Konferenzteilnehmern in seinem knapp dreißigminütigen Vortrag "Wildland fires and human security" (Waldbrände und menschliche Sicherheit) zunächst anhand ausgewählter Beispiele einen Ein- und Überblick zu einer Problematik, die bei der Aufzählung globaler Klimagefahren relativ wenig beachtet wird. Doch auch wenn dem einzelnen Vegetationsbrand globalklimatisch keine nennenswerte Bedeutung zukommt, summieren sich die regionalen Brände zu einer relevanten Klimagröße und produzieren schätzungsweise ein Fünftel der jährlichen Treibhausgase.

Beispiel 1 in Goldammers Vortrag: Ende Juli 2011 brannten im US-Bundesstaat Texas mehr als 17.000 Feuer. Dabei wurde eine Fläche von 1,4 Mio. Hektar verbrannt, 2300 Gebäude fielen den Flammen zum Opfer. Beispiel 2: Zwei Monate zuvor war die Stadt Slave Lake in der kanadischen Provinz Alberta von einem Feuer nahezu komplett vernichtet worden. 7000 Einwohner mußten evakuiert werden, mehr als 400 Häuser und Geschäfte brannten ab.

Am Beispiel einer Feuersbrunst in der Mongolei veranschaulichte Goldammer schließlich, wie eine Rauchwolke um den ganzen Globus wandern und sogar die polaren Regionen erreichen kann. Was aber dem Vortrag einen besonders sympathischen Zug verlieh, war, daß der Referent angesichts der großen Katastrophen nicht den Blick vor den vermeintlich kleinen Ereignissen verschloß. So zeigte er die Aufnahme eines simbabwischen Dorfs, das im Sommer 2010 niedergebrannt war. Es handele sich um ein "silent desaster", eine stille Katastrophe, von der man wohl kaum jemals etwas in den westlichen Medien höre, erklärte er. Aber was es für die örtliche Bevölkerung bedeute, wenn die Hütten abbrennten, die Saat vernichtet würde und die Elefanten stürben, könne man sich ausmalen: "Das sind enorme Verluste für die Menschen, die unter diesen Bedingungen leben."

Als die drei grundlegenden Trends, aufgrund derer Menschen vermehrt Schäden in der Folge von Waldbränden erleiden, nannte Goldammer den Wanderfeldbau in den Tropen, die allgemeine Landflucht, durch die ungenutzte Flächen verwildern und den Flammen reichlich Nahrung liefern, sowie umgekehrt die Migration der wohlhabenderen Anteile der städtischen Bevölkerung aufs Land, wo dann deren "im Grünen" liegenden Häuser der Brandgefahr ausgesetzt werden.

Europas einziger Professor für Feuerökologie hat im Laufe seines Berufslebens auch schon viele Konfliktgebiete bereist. Die Clusterbomben, die im israelisch-libanesischen Krieg 2006 abgeworfen wurden und nicht explodiert sind, sowie die Landminen, die in den 1990er Jahren in Kroatien ausgelegt wurden, dienten ihm als zwei Beispiele dafür, wie das Gefahrenpotential von Waldbränden durch bewaffnete Konflikte noch verstärkt werden kann. Denn das Löschen eines Feuers in einem minenverseuchten Gebiet stellt ein extrem gefährliches Unterfangen dar.

Im Auftrag des UN-Sicherheitsrats untersuchen der Forscher und seine Kollegen auch die Umweltfolgen des von großen Feuern begleiteten Kriegs im Sommer 2008 in Georgien. "Wir dürfen nicht vergessen: Menschen sind nicht immer besonders friedfertig", bemühte sich Goldammer, die in der Wissenschaft häufig anzutreffende Gepflogenheit der Distanznahme zum "Gegenstand" der Untersuchung und die persönliche Betroffenheit ob solcher kriegerischen Konflikte in einer Aussage zu vereinen.

Die Explosion des Atomkraftwerks Tschernobyl am 26. April 1986 gilt zwar nicht als militärischer Akt, doch zeigt diese Katastrophe, daß die Folgen einer zivilen Atomenergienutzung das Ausmaß mancher Waffengänge zwischen Staaten oder Gruppen noch übersteigen können. Der Referent hatte den Sarkophag aufgesucht, der um den explodierten Reaktorblock 4 von Tschernobyl gebaut wurde, und wußte von dort zu berichten, daß die radioaktive Strahlung unmittelbar am Gebäude gering ist. Die Partikel seien vom Regen abgewaschen worden. Aber nur wenige hundert Meter weiter außerhalb des Geländes, im Wald, in den Sümpfen und Mooren, da gebe es noch radioaktive Partikel wie Plutonium. Außerdem lagerten dort unter freiem Himmel radioaktiv verstrahlte Gerätschaften und Hubschrauber, die bei den Löscharbeiten der Nuklearhavarie eingesetzt worden seien. Eine Arbeitsgruppe aus Belarus, Ukraine, Deutschland und den USA untersuche, welche potentiellen Folgen ein Feuer in diesen kontaminierten Gebieten hätte.

Als im vergangenen Jahr im Westen Rußlands rund eine Million Hektar Wald abbrannten, drangen die Feuerwalzen auch in strahlenbelastete Gebiete vor und brachten aus dem Tschernobyl-GAU stammende radioaktive Partikel in Umlauf. In einer vorläufigen Beurteilung der Waldbrandsituation 2010 in Rußland für eine Anhörung vor der russischen Duma betonte Goldammer allerdings, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt das Risiko einer "exzessiven, unkontrollierten und weitläufigen Neuverteilung der Strahlung durch emittierte Rauchpartikel begrenzt" sei, aber daß sich das ändern könne. [1]

Goldammers dem Anschein nach verharmlosende Einschätzung, daß mit keiner exzessiven Neuverteilung von Radionukleotiden zu rechnen sei, schließt eine weniger exzessive, aber dennoch für die Gesundheit der in der betroffenen Region lebenden oder tätigen Bevölkerung relevante Strahlenbelastung nicht aus. Zudem könnte der beruhigende Tenor der Aussage dem Umstand geschuldet sein, daß Goldammer einer Panikmache entgegenwirken wollte. Immerhin lag der Tschernobyl-GAU fast ein Vierteljahrhundert zurück, währenddessen es in der Tschernobyl-Exklusionszone immer wieder gebrannt hatte - zwischen 1993 und 2010 rund 980 mal; im trockenen Sommer 1992 brannten 17.000 Hektar ab. Dennoch fand das Thema Waldbrand und Verstrahlung in jenem Zeitraum weniger Beachtung als ausgerechnet im vergangenen Jahr, als auch die russische Hauptstadt Moskau von den Rauchwolken der Vegetationsbrände eingehüllt wurde.

In seinem Vortrag schilderte Goldammer jedenfalls eindringlich, daß radioaktive Aerosole durch Waldbrände erzeugt und in Umlauf gebracht werden können. Das war im übrigen auch eines der Ergebnisse der 5. Internationalen Waldbrand-Konferenz vom 9. bis 13. Mai 2011 in Sun City, Südafrika. In diesem Zusammenhang berichtete der ukrainische Forscher Sergiy Zibtsev von der Nationalen Universität von Lebens- und Umweltwissenschaften in Kiew über die Ergebnisse eines Experiments:

"Während große Partikel gewöhnlich vom Atmungssystem abgestoßen werden, dringen feinere Teilchen in die Lunge ein. In Rauchwolken bilden feine Partikel mit der Zeit häufig aufgrund der Koagulation größere Partikel, die in Windrichtung der Brände mit den Wolkentropfen herunterfallen. Die Radioaktivität durch Strontium-90, Cäsium-137, Plutonium-238, -239 und -240 bei Aerosolen in der Nähe eines Waldbrand- und zweier Graslandexperimente in der Exklusionszone von Tschernobyl lag um mehrere Größenordnungen höher als das Niveau in der Umgebung. Die emittierten Radionukleotide, vor allem das Plutonium, konzentrierten sich in feinen Partikeln, was die inhalierte Dosis bei Waldbrandbekämpfern erhöhen würde." [2]

Auf die Gefahr einer radioaktiven Verstrahlung als Folge eines Waldbrands in der kontaminierten russischen Region Bryansk wurde auch in diesem Jahr wieder in den Medien berichtet. Weniger bekannt ist hingegen, daß bereits im Jahr 2003 eine Rauchwolke, die von einem Feuer im radioaktiv verstrahlten Waldgebiet der Tschernobylregion stammte, die ukrainische Hauptstadt Kiew mit ihren rund 2,8 Mio. Einwohnern eingehüllt hatte, wie Johann Goldammer berichtete. Auch in Kasachstan, genauer gesagt im Atombombentestgebiet Semipalatinsk, geraten radioaktive Partikel durch Waldbrände in den Umlauf und können per Wind in weit entfernte Gebiete getragen werden. Den Unterlagen aus der damaligen Zeit zufolge müsse der Fallout noch irgendwo sein, erklärte der Referent. Laut Zibtsev wurden bei einem Waldbrand im Jahr 2003 Radionukleotide bis nach Kanada verfrachtet.

Auf beiden Seiten des Ost-Westkonflikts das gleiche Bild: Auf dem Gelände des einstmals geheimen Atomforschungszentrums Los Alamos im US-Bundesstaat New Mexico stehen Container mit Nuklearabfall auf offenem Grasland und sind laut Goldammer einer Feuergefahr ausgesetzt. Vor einigen Jahren und auch in diesem Jahr wieder habe es auf dem Gelände gebrannt. Unerwähnt ließ er, daß auf dem Gelände der Plutonium-Produktionsstätte Hanford im US-Bundesstaat Washington ebenfalls Feuer gewütet haben. [3]

Prof. Goldammer beim Vortrag - Foto: © 2011 by Schattenblick

Feuerökologische und forstwirtschaftliche Empfehlungen
Foto: © 2011 by Schattenblick

Ein hochaktuelles und brisantes Thema hat der Referent jedoch nicht ausgespart: Die Havarie des japanischen Atomkraftwerks Fukushima Daiichi, das am 11. März von einem Erdbeben und anschließenden Tsunami in großen Teilen zerstört wurde. Der Forstwissenschaftler und Feuerökologe vergleicht die Fukushima-Katastrophe mit der nach dem Tschernobyl-GAU. Eine Satellitenaufnahme mit mehreren Vegetationsbränden in der Region um die japanische Stadt Kyushu vom 30. März 2011, dem bis dahin einzigen wolkenfreien Tag, diente ihm als Anlaß für die Frage: Zu dem Zeitpunkt war das Gebiet noch nicht kontaminiert, aber wie sieht es heute aus? [4] Heute wisse man, daß nicht nur das Meer, sondern auch das Landesinnere radioaktive Strahlung abbekommen habe. So wie in Tschernobyl solle auch in Japan die Verbreitung von radioaktiven Partikeln durch Wald- oder Grasbrände überwacht werden.

Speziell die auf der SAAE-Konferenz versammelten Abrüstungsexperten und Aerosolforscher dürften ein reges Interesse an den laufenden Ergebnissen eines auf 200 Jahre angelegten feuerökologischen Großexperiments haben, über das Goldammer berichtete und das in der Fachwelt weithin bekannt ist. 1993 hatte eine Forschergruppe in der Region der russischen Stadt Krasnojarsk ein riesiges Feuer entfacht und eine Rauchsäule erzeugt, die der eines Atompilzes entsprach. Die Aerosole stiegen bis zu 6000 Meter auf. Die Flammen am kreisrunden Rand des Feuers schlugen rund vierzehn Meter hoch, doch im Innern schoß ein Feuersturm bis zu 200 Meter empor.

Goldammer war an Bord eines Hubschraubers in die Rauchsäule eingeflogen, um dort Aersole, Gase und andere Dinge zu messen - Daten, mit denen die Stratospärenchemie ihre Erkenntnisse erweitern und daraufhin ihre Vorstellungen zu solchen Großfeuern überprüfen konnte. Ein anderer Schwerpunkt des Experiments betrifft ökologische Fragen. Der Referent präsentierte Aufnahmen aus dem Zentrum und vom Rand des verbrannten Gebiets und schilderte, wie sich dort die ersten Pflanzen wieder ansiedelten. 1999 wurde Goldammer für seine Forschungen von der Russischen Förderation als erste nicht-russische Persönlichkeit mit der Ehrenmedaille "Für den Schutz und die Vermehrung der Waldressourcen Russlands" ausgezeichnet.

Nicht nur eingedenk der im Vortrag präsentierten unmittelbaren Zerstörungen durch Waldbrände, sondern auch mit besonderem Blick auf die Abhängigkeit des Menschen vom wärmenden Ur-Feuer schlechthin, der Sonne, sowie der zahllosen künstlichen Brandquellen (Öfen), an denen er sich wärmt oder mit denen er Dinge in Bewegung setzt (Verbrennungsmotoren), stellt sich die keineswegs allein philosophisch zu beantwortende Frage: Beherrscht der Mensch das Feuer oder wird er vom Feuer beherrscht? Ohne das Feuer kann der Mensch nicht leben, umgekehrt hingegen, nach allem, was man weiß, kommt das Feuer auch ohne ihn aus. So erwiderte Prof. Goldammer kürzlich in einem Interview mit dem ARTE Magazin: "Wir nehmen zwar vermehrt intensive und schwer kontrollierbare Feuer wahr, aber Waldbrände sind nichts Neues. Sie waren immer Bestandteil der globalen Umwelt. Neu ist einzig die zivilisatorische Katastrophenanfälligkeit." [5]

In der Klimaschutz- und Umweltbewegung wird versucht, diese Abhängigkeit zumindest in der Hinsicht in Angriff zu nehmen, daß man sich von der schadstoffeproduzierenden Verbrennung fossiler Energieträger ab- und den sogenannten regenerativen Energien zuwendet. Zugleich will man dem nuklearen Feuer, dessen militärischer wie ziviler Nutzen schwerste umwelt- und gesundheitsschädigende Folgen nach sich zieht, Adieu sagen. Dennoch bleiben bei den alternativen Energiekonzepten, so unterstützenswert sie im ersten Schritt sind, viele Fragen offen. Verabschiedet wird sich nicht von der Idee der Verbrennung an sich, das heißt von der partiellen und befristeten Nutzung exergetischer, unumkehrbarer Wandlungsvorgänge, sprich: Destruktionsabläufe.

Auch die Herstellung von Trägersystemen für regenerative Energien (Windräder, Solarzellen, etc.) bedarf der Energie, also des Abgase und Feinstaubpartikel erzeugenden Feuers. Gleiches gilt für den Gebrauch solcherart betriebener Energiesysteme, was am Beispiel des massiven Schwenks der Autoindustrie auf vermeintlich umweltfreundliche Elektroautos deutlich wird. Da wird ein Problem zu beheben versucht (CO2-Emissionen), dafür ein anderes geschaffen (Umweltgift durch Produktion und Verbrauch von Akkus).

Kehren wir von diesen energiepolitischen Weichenstellungen auf dem Kurs der industriellen Entwicklung, die mit "größeren Aerosoleinträgen in die Atmosphäre" einhergeht, wie es im Titel der Konferenz heißt, zurück zu den feuerökologischen Erörterungen Prof. Goldammers und der Produktion von Staub- und Rauchpartikeln, respektive deren spezifische Form als Radionukleotide. Diese bleiben im Prinzip so lange in der Umwelt, bis sie zerfallen, was bei Plutonium-239 Jahrzehntausende dauert. Bis heute ist der radioaktive Fallout der oberirdischen Atombombentests in Semipalatinsk, den Wüstengebieten von Nevada, Australien, Algerien und Lop Nor sowie auf diversen Atollen und Inseln bis heute in der Umwelt nachweisbar.

Eine sicherlich beträchtliche Menge des einst freigesetzten Strahlenmaterials wurde mit dem Regenwasser in tiefere Bodenschichten oder ins Meer gespült, wo es sich ablagerte. Das hat die Strahlenpartikel dem unmittelbaren Kontaktbereich zur menschlichen Sphäre entzogen. Waldbrände lösen jedoch Vorgänge aus, bei denen aus Atombombentests, Nuklearunfällen und sonstigen Akw-Emissionen stammende Radionukleotide erneut für die Menschen und ihre Umwelt gefährlich werden können. Die Strahlenteilchen gelangen mit den Aufwinden in die Atmosphäre, werden vom Regen wieder aus der Luft gewaschen, können über die Pflanzenwurzeln abermals an die Oberfläche geholt, dann von Tieren gefressen und andernorts ausgeschieden werden. Oder sie lagern sich im Fleisch der Tiere an, werden von Räubern aufgenommen oder bleiben schließlich an dem Ort, an dem ein Tier verendet.

Radioaktive Aerosole sind somit Teil einer komplexen physikalischen und biologischen Dynamik. Folglich bilden Waldbrände eine permanente Gefahrenquelle, durch die Strahlenpartikel immer wieder in Umlauf gebracht werden, so daß sie unerwartet in die Nahrungskette gelangen oder besiedelte Gebiete kontaminieren können. Das ist einer der Gründe, weswegen Feuerökologen nicht nur eine umfassendere Überwachung der Strahlengebiete fordern, sondern auch gezielte Schutzmaßnahmen vorschlagen, durch die der Entstehung von Waldbränden und deren Ausbreitung entgegengewirkt wird.

Richtig ernstgenommen wird das Problem anscheinend nicht. So hat vor kurzem eine Gruppe Wissenschaftler einen dringenden Appell an die internationale Gemeinschaft gerichtet und um Finanzmittel in Höhe von 13,5 Mio. Dollar für ein Programm zum Schutz vor Waldbränden in der Exklusionszone von Tschernobyl gebeten. Laut der britischen Zeitung "The Guardian" [6] werden automatische Waldbrandmelder und neue Brandbekämpfungs- sowie forstwirtschaftliche Ausrüstungen benötigt. Verglichen mit den Milliardensummen, die im Kampf gegen radioaktive Aerosole ein neuer Sarkophag um den Tschernobylreaktor kosten wird, sollte diese Summe eigentlich aus der Portokasse der an der Katastropheneindämmung sehr gut verdienenden Unternehmen zu begleichen sein.


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Fußnoten:

[1] "It must be underscored that at moment the risk of excessive uncontrolled and long-range redistribution of radiation through smoke-emitted particles is limited, but this may change." zitiert nach:
"Preliminary Assessment of the Fire Situation in Western Russia", 15. August 2010
http://www.fire.uni-freiburg.de/intro/about4_2010-Dateien/GFMC-RUS-State-DUMA-18-September-2010-Fire-Report.pdf

[2] "While large particles are usually repelled by the respiratory system, fine particles are inhaled into the lungs. Fine particles in smoke plumes often form large particles in aged plumes through coagulation and are deposited with cloud droplets downwind from the fires. Radioactivity of 90Sr, 137Cs, 238Pu, and 239+240Pu for atmospheric particulate matter near an experimental forest fire and two grassland fires in the CEZ were found to be several orders of magnitude higher than the ambient levels (Yoschenko et al. 2006a). The emitted radionuclides, especially plutonium, were concentrated in fine particles, which would increase the inhalation dosage to firefighters." Zitiert nach:
"Wildfires Risk Reduction From Forests Contaminated by Radionuclides: A Case Study of the Chernobyl Nuclear Power Plant Exclusion Zone", Sergiy Zibtsev, National University of Life and Environmental Sciences of Ukraine, Kiev, Ukraine. Aus Anlaß der 5th International Wildland Fire Conference Sun City, South Africa, 9 - 13 May 2011.
ftp://ftp2.fs.fed.us/incoming/wo_fam/Wildfire2011%20Conference.SouthAfrica/Wildfire2011%20e-programme/Programme%20contents/Wildfire2011%20Conference%20Papers/Wildfire2011%20Conference%20Papers/Conference%20Papers/Sergiy%20Zibtsev.pdf

[3] "Washington State: Buschbrand vor US-Atomanlage gestoppt - Größte Urandeponie der Welt betroffen", Tagesspiegel, 30. Juni 2000
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/washington-state-buschbrand-vor-us-atomanlage-gestoppt-groesste-urandeponie-der-welt-betroffen/150886.html

[4] Näheres zur aktuellen Lage in Fukushima im SB-Infopool unter Umwelt, Redaktion:
INTERVIEW/002: Dr. Sebastian Pflugbeil, Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, zu Fukushima (SB)
INTERVIEW/003: Wataru Iwata, Mitglied der Bürgerinitiative CRMS in Fukushima (SB)

[5] "Feuer ohne Grenzen", ARTE Magazin, WISSENSCHAFT - 04/08/11
http://www.arte.tv/de/4046978,CmC=4047020.html

[6] "Forest fires around Chernobyl could release radiation, scientists warn", The Guardian, 26. April 2011
http://www.guardian.co.uk/environment/2011/apr/26/chernobyl-radioactive-fires-global-danger


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Die Schattenblick-Serie zur SAAE-Konferenz in Hamburg wird fortgesetzt. Begleitend dazu finden Sie unter UMWELT, REPORT, INTERVIEW Gespräche mit einzelnen Referenten zu ihren jeweiligen Fachgebieten.

Prof. Goldammer dankt den Konferenzteilnehmern - Foto: © 2011 by Schattenblick

Prof. Goldammer bedankt sich für die Aufmerksamkeit
Foto: © 2011 by Schattenblick

31. August 2011