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BERICHT/026: Down to Earth - Giftentsorgung kontrovers (SB)


IGC 2012 - Weltkongreß der Geografie vom 26. bis 30. August 2012 an der Universität Köln

Schadensbegrenzung heißt die neue Wassernachhaltigkeit

orange verfärbter Flußlauf - Foto: © by Wikimedia, microbewiki.kenyon.edu

Nicht gerade lebenspendend - Wasser in südafrikanischen Flüssen
Foto: © by Wikimedia, microbewiki.kenyon.edu

Aqua, acqua, water, eau, agua, Wasser... in den verschiedenen Sprachen der Welt klingt es anders, doch jeder verbindet nur eines damit: tröpfelndes, perlendes, plätscherndes, rauschendes, lebenspendendes Naß. Für das organische Leben dieser Erde ist Wasser ebenso essentiell wie die Luft zum Atmen. Obwohl ein außerirdischer Beobachter aus dem All unseren "blauen" Planeten als geradezu im Überfluß mit Wasser bedeckt wahrnehmen würde - 70 Prozent der Erdoberfläche besteht aus Wasser -, wird es für die wachsende Weltbevölkerung zunehmend zu einem knappen Gut. Gerade einmal drei Prozent der scheinbar gewaltigen Wassermengen sind trinkbares Süßwasser, und auch davon sind nur etwa ein Drittel für die menschliche Nutzung erreichbar. Ganz zu schweigen davon, daß die Verfügbarkeit für sauberes Wasser nicht gerecht auf der Welt verteilt ist. Mehr als 1,2 Milliarden Menschen in den sogenannten Drittweltländern haben keinen Zugang zu Wasser. Sie müssen immer weitere Strecken zurücklegen, um an das lebenswichtige Element zu gelangen. Neben der zunehmenden Austrocknung von Feuchtgebieten und Brunnen wird aber auch erreichbares Trinkwasser durch anthropogene Einflüsse, d.h. durch vom Menschen verursachte toxische oder sonstige Verunreinigungen, ungenießbar gemacht. Außer landwirtschaftlichen Düngemitteln und Einleitungen der chemischen Industrie in Fließgewässer, ist ein wesentlicher Faktor die schier unstillbare Gier vor allem der mit Wasser meist im Überfluß gesegneten Industrienationen nach Bodenschätzen, die oft mit großen Mengen an trinkbarem Süßwasser unter Zusatz von weiteren Chemikalien regelrecht aus der Erde gewaschen werden.[1] Die unzureichende Klärung dieses Brauchwassers, das anschließend in die Flußläufe entsorgt wird, stellt ein Problem für das Trinkwasser dar. Ein anderes besteht darin, daß sich saures Sickerwasser in den stillgelegten Gruben sammelt und Giftstoffe extrahiert. Studien bezeichnen das "Acid Mining Drainage", wie das Ausfließen sauren Grubenwassers genannt wird, als größte Umweltgefahr neben dem Klimawandel für die nächsten Jahrhunderte.

Wie der die Erde umgestaltende, massive Raubbau an Rohstoffen aus Profitgier die Lebensgrundlagen der Menschen gefährdet, war somit eines der in den Sessions diskutierten Kernthemen des 32. Weltkongresses der Geographie 2012 in Köln, der am 30. August endete.

Unter dem Untertitel "Water and mining (water pollution)" [Bergbaufolgen und Wasserbelastung] befaßte sich eine Vortragsreihe unter der Leitung des Geoökologen Prof. Frank Winde (North-West University) und Dipl.-Geogr. Detlef Rieger (Emscher/Lippe, Gesellschaft für Wassertechnik), beides Bergbau- und Wasser-Experten, mit den Folgeproblemen für Mensch und Umwelt, die von der rücksichtlosen Förderungsindustrie hinterlassen werden, aber auch mit den Schwierigkeiten, die sich bei ihrer Beseitigung, also der Klärung und Reinigung derart verunreinigten Wassers ergeben.

Prof. Frank Winde - Foto: © 2012 by Schattenblick

Prof. Frank Winde
... sucht offene Ohren für alternative Konzeptideen
Foto: © 2012 by Schattenblick


Grubenwasser aus stillgelegten Goldminen in Johannesburg bedroht die Umwelt

Im südafrikanischen Witwatersrand zeugen noch heute sandgelbe, lang gezogene, von violetten bis kupfergelben Schichten durchzogene Abraumhalden von der einstiegen Goldgräberzeit. In über 125 Jahren wurden aus dem etwa 2,5 Milliarden Jahre alten Gestein mehr als 41.000 Tonnen Gold gewaschen, das auch den Grundstein für die 15 Millionen Einwohner umfassende Metropole Johannesburg legte. Ein etwa 400 Quadratkilometer großes Becken, das sogenannte Wits, ist bis heute das Zentrum der Goldabbaus in Südafrika. Auch wenn die kostspielige Förderung am Kap in den letzten Jahren um sechs Prozent zurückgeschraubt wurde, gilt das Wits nach Einschätzung des US-Geological-Survey-Diensts immer noch als Region mit dem größten Goldvorkommen weltweit. In dem harmlos anmutenden Abraumschutt lagern aber auch Umweltgifte wie Schwermetalle, Blei, Arsen, radioaktives Uran, Schwefel oder das für die Goldgewinnung verwendete Quecksilber oder Cyanid.[1] Durch den Zerfall des Urans werden radioaktives Radon und andere radioaktive Zerfallsprodukte frei. Das Wasser oxidiert Schwefel- und Eisenverbindungen im Gestein und wird so sauer.

Eine entsprechend brisante Mischung findet sich auch unter Tage, in den stillgelegten Stollen, teilweise drei bis vier Kilometer tiefe, schwer zugängliche Schächte, die sich im Laufe der Zeit mehr oder weniger schnell mit eindringendem Sickerwasser füllen und dabei Ketten chemischer Reaktionen nach sich ziehen. Immer mehr Stollen in großen Tiefen des Witwatersrandbeckens werden außer Betrieb genommen und laufen mit Wasser voll. Sie stellen ein ganz besonderes Umweltproblem dar.

Da in Golderz reines Gold mit anderen Metallsulfiden vergesellschaftet vorkommt, werden während des Abscheidungsverfahrens von Gold, beispielsweise während der sogenannten Cyanidlaugung[2], Sulfide zu Schwefeloxiden aufoxidiert. Diese und andere toxische Rückstände, die in den Stollen als sogenannte "Tailings" (Abraumschlämme[3]) zurückgeblieben sind, werden durch das sich aufstauende Grubenwasser in Lösung gebracht und bedrohen als schwefelsaure Lösung die direkte Umwelt. Aktuell laufen zwei weitere Becken ehemaliger Goldfelder in der Nähe von Johannesburg mit altem Minenwasser voll.

Zwischen 2012 und 2014 könnte es daher wieder zu einem Überlaufen des sauren, aluminium-, eisen-, mangan- und sogar auch uranhaltigen Abwassers kommen. Wie die Erfahrung durch das letzte unkontrollierte Überlaufen des Westbeckens im September 2002 gezeigt hat, wird der nächste Grubenwasseraustritt die Flußsysteme von Vaal, Limpopo und Orange River bedrohen und Wasserbiotope zerstören. Ein Kontakt mit diesen Abwässern kann das Nervensystem im Mutterleib heranwachsender Embryonen schädigen, Hautkrankheiten oder auch Krebs auslösen.

Doch abgesehen von der drohenden Gefahr, kontaminiertes Grubenwasser könne Flüsse und oberflächennahe Grundwasserleiter vergiften, machte Prof. Winde auf ein vor allem von Öffentlichkeit und Regierung mit besonderem Augenmerk bedachtes potentielles Risiko in den stark urbanisierten Gebieten aufmerksam, nämlich, daß das überfließende sauere Grubenwasser, fachsprachlich AMD (Acid mine drainage), tiefreichende Fundamente von Gebäuden in der Innenstadt von Johannesburg anfressen und eine statische oder auch geotechnische Instabilität dieser Bauten verursachen könnte. Darüber hinaus könnte der ausgehöhlte Untergrund plötzlich einbrechen und Krater bilden, auch in Johannesburg. Ebenso werden zunehmende seismische Aktivitäten befürchtet.

Konstantes Abpumpen unter gleichzeitiger Neutralisation des kontaminierten, sauren Grubenwassers in die umliegenden Flußläufe sei laut einer Expertise, die für den interministeriellen Ausschuß der südafrikanischen Regierung angefertigt wurde, die einzige wirksame Gegenmaßnahme, um Johannesburg vor den giftigen Grubenfluten zu retten. Daß die Regierung damit jedoch nur eine, wenn auch noch extrem kostspielige Beruhigungspille an die Öffentlichkeit verteilt, wird jedem klar, der sich die Konsequenzen dieser Maßnahme genauer betrachtet. So wurde das giftige Grubenwasser zwar bereits teilweise von den Bergbauunternehmen mit Tonnen von Kalk sporadisch neutralisiert, doch reicht dies keineswegs aus, um die darin enthaltenen Schadstoffe zu entfernen. Der Heilsplan der Regierung sieht nun den Bau einer energieaufwendigen und teuren Pump- und Aufbereitungsanlage (Pump-and-treat), deren Kosteneinschätzung in den letzten Monaten auf mindestens 130 Mio südafrikanische Rand (das entspricht 12,2 Mio Euro[4]) angewachsen ist, vor, deren Technologie aber so primitiv ist, daß sie bisher nur als Vorstufe zur Aufbereitung im Kohlebergbau verwendet wurde und laut Frank Winde (der hierfür die Bezeichnung "Pump-and-(semi)-treat" einführte) keinesfalls ausreichen wird, um so etwas wie Trinkwasserqualität oder auch nur eine entsprechend annähernde Renaturierung zu erreichen. Zudem würden die Flußläufe zusätzlich mit Salzen belastet, die für die Neutralisierung eingesetzt werden oder auch dabei entstehen.

Eine in diesem Zusammenhang nicht erwähnte Studie von Prof. Anthony Turton, der für das halbstaatliche Forschungsinstitut CSIR arbeitete, inzwischen aber gekündigt wurde, hatte geschätzt, daß elf Millionen Verbraucher auf diese Weise gezwungen wären, für ihren täglichen Bedarf Wasser zu kaufen, das nur rudimentär behandelt und gereinigt sei. Wörtlich sagte der Wasserexperte im Deutschlandradio:

Und rudimentär heißt: sie nehmen buchstäblich eine Säure, mischen es mit Kalkstein, um es basisch zu machen, behandeln es dann noch mit einem Bariumkarbonat und sondern den Schlamm aus, der dann wieder einfach nur irgendwo angehäuft wird, aber aus den Bilanzen verschwindet."[4]

Turtons Äußerungen sind Wasser auf den Mühlen der Menschen, die von einer versprochenen Renaturierung auch vollkommen reines, trinkbares Wasser erwarten, die Zukunft Südafrikas aber unter diesen Voraussetzungen in einer desaströsen Lage sehen. Denn rund 6000 alte Schächte sind heute ohne Eigentümer, Wasserhaltung usw. sind ungeklärt. Die Regierung Südafrikas hat keinen stichhaltigen Langzeitplan, wie sie die künftigen Katastrophen verhindern und Bergbau, Altlasten, Wasserversorgung und Lebensmittelsicherheit in Einklang bringen kann. Eine dieses Szenario entlastende Studie, in der sich die bisherigen Prognosen als nur "halb so schlimm darstellen", müßte hier eigentlich auf offene Ohren stoßen.

Prof. Winde legte seinem 15-minütigen Referat eine sogenannte "desktop study" der Mine Water Research Group (MWRG) vor, die für die zwei größten Bankengruppen im Central Business District (CBD) von Johannesburg angefertigt wurden und im Vergleich zum offiziellen Bericht eine komplett unterschiedliche Analyse der Gegebenheiten und möglicher Gegenmaßnahmen liefert, einschließlich des vorausgesagten Wasseranstiegs, den Quellen und Wegen des Sickerwassers, sowie den daraus entstehenden Risiken.

Laut Winde seien die Risiken in Bezug auf die Verunreinigung des Wassers, den möglichen Wasseranstieg unter Johannesburg und vor allem die mögliche Wirkung des kontaminierten Wassers auf die Fundamente der Gebäude wie auch die Gefahr plötzlicher Einbrüche stark überbewertet und vor allem durch die Medien extrem aufgebauscht worden, was seiner Ansicht nach einen unangemessenen Einfluß auf die Entscheidung der Regierung hatte.

Das von seiner Gruppe entwickelte Gegenkonzept zur teuren Pump-and-treat-Strategie der Regierung baut auf sich einpendelnde Gleichgewichte, wenn man sich gewissermaßen dem natürlichen Prozeßverlauf nicht entgegenstellt und das allmähliche Fluten der kilometertiefen Minenschächte zuläßt und nicht durch Abpumpen verhindert.

Eine genaue Analyse der möglichen Sickerwasserquellen würde ergeben, daß zum einen viele erst durch menschlichen Einfluß entstanden sind, zum Beispiel wurden aufwendige Golfplatzdrainagen gefunden, die zusätzlich Regenwasser in den Untergrund und damit in die stillgelegten Gruben abführte. Diese wären durchaus reversibel, so daß sich der Zulauf von Sickerwasser an mehreren Stellen weniger kostenintensiv reduzieren ließe.

Auch die Menge des am Ende austretenden Wassers, das man seiner Ansicht nach in den oberen Schächten unaufwendig abfangen könne, würde sich reduzieren, damit auch die Menge des in die Umwelt entlassenen kontaminierten Wassers, denn das Wasser steige mit zunehmender Steighöhe immer langsamer, was Winde anhand graphischer Darstellung als ein hydraulisches Gleichgewicht dokumentierte, das sich ganz einfach mit der Zeit einstellen würde.

Eine weitere, gradezu erfrischend einfache These betraf die Versauerung des Grubenwassers, was seiner Ansicht nach ebenfalls durch das Abpumpen zusätzlich gefördert wird, da die Pumpaktivität auch Sauerstoff in den Untergrund saugt, der die Oxidation der Schwefelverbindungen zu Schwefeloxiden ermöglicht, die dann mit Wasser zu schwefliger Säure reagieren. Ließe man nur zu, daß sich die Schächte mit Wasser füllten, stünde auch keine Luft, ergo kein Sauerstoff mehr für chemische Prozesse zu Verfügung. Ein nahezu neutraler pH-Wert des Wassers rücke damit in erreichbare Nähe, weniger Schadstoffe würden aus den Tailings gelöst. Dies würde natürlich voraussetzen, daß das einlaufende Sickerwasser entsprechend sauerstoffarm oder sogar frei von Sauerstoff ist bzw. der Sauerstoff schon in den untersten und tiefsten Schächten verbraucht würde, und das ließe sich durchaus bezweifeln. Einräumen muß man auch, daß die Gruppe um Winde manche vielleicht marginale Einflüsse wie die elektrochemischen Verhältnisse durch die im Wasser vorhandenen reaktiven Metalle und Salze nicht untersuchte, sondern nur die Faktoren, die ihren These stützen.

Doch der Referent räumte auch selbst ein, daß sein Konzept kein Heilsversprechen für die Umwelt sei, sondern nur ein seiner Ansicht nach weniger energie- und kostenintensiver, wenn auch gleichfalls unvollständiger Lösungsansatz für das gesamte Problem.

Was den vernünftigen Umgang mit den Wasserressourcen, Wassernachhaltigkeit bzw. im Fachjargon "Water sustainability" betrifft, konnte man jedoch auch hier bereits feststellen, daß das Konzept und das wirtschaftliche Denken der weltweit propagierten Grünen Ökonomie bereits gegriffen hat. Reines, hochqualitatives Wasser gilt nicht mehr als selbstverständliches Gut für jedermann. Und es gibt kaum Alternativen. Eine konsequente Reinigung ist zu teuer, eine "semi-Aufbereitung" zieht weitere massive ökologische Konsequenzen und mehr Umweltvergiftung nach sich, so daß es bei der Aufbereitung hochverschmutzter giftiger Abwässer in vielen Teilen der ärmeren Welt schon als nachhaltig gilt, wenn man die Kosten so gering wie möglich hält und ältere Verschmutzung in Kauf nimmt, solange nicht unmittelbar Leben davon gefährdet ist.

Im Gegenteil gilt nicht nur für ärmere Drittweltländer, daß man das Thema Nachhaltigkeit immer mehr im wirtschaftlichen, also energiesparenden, kostengünstigsten Sinne versteht und weniger die Natur geschützt, als äußerste Schadensbegrenzung betrieben wird. Auch hierzulande wird der Wassereintritt in den Flötzen des Steinkohlebergbaus durch entsprechend kostenintensives Abpumpen vor allem deshalb gering gehalten, weil man zum Beispiel die wertvolle Steinkohle als Rohstoff für die chemische Industrie (zu schade zum Verbrennen) sichern will. Denn einmal geflutete Bergwerke können unter heutigen Bedingungen sehr schwer wieder aufgemacht werden.[4]

Export deutscher Nachhaltigkeitskonzepte zur Wasserwirtschaft
Foto: © 2012 by Schattenblick

Dipl.-Geogr. Detlef Rieger
... exportiert deutsche Nachhaltigkeit nach China
Foto: © 2012 by Schattenblick

Weitere wasserrelevante Folgen des menschlichen Raubbaus an seinen Bodenschätzen, diesmal in Nordrhein-Westfalen (Ruhrgebiet) und mögliche Renaturierungskonzepte waren die Themen des zweiten Referenten, Dipl.-Geogr. Detlef Rieger, der für ein Unternehmen arbeitet, das unter anderem mit Problemlösungen für die Wasserwirtschaft handelt (Emscher/Lippe, Gesellschaft für Wassertechnik) und ihr Know how in betroffene Länder exportiert.[5]

Durch die Bewegungen der Erdmassen in den Stollen kann es zu Senkungen des Erdreichs kommen, die man im Ruhrgebiet an vielen sanierungsbedürftigen Häusern regelrecht an der bröckelnden Fassade ablesen kann. Auch der Grundwasserspiegel kann in ehemaligen Bergbaugebieten steigen und landwirtschaftlich oder anders genutzte Flächen in Wasserlandschaften verwandeln.

In den Bergbaugebieten der Stadt Xuzhou in der Provinz Jiangsu (VR China) gibt es vergleichbare Probleme mit diesen verharmlosend "bergbaubedingte Vernässung" genannten Erscheinungen, die man aus dem Ruhrgebiet kennt. Das Unternehmen des Referenten war von der Stadtregierung beauftragt worden, eine Machbarkeitsstudie zur Regulierung des Wasserhaushaltes im Jiuli-Gebiet nördlich der Stadt zu erstellen. Rieger selbst hatte mit einer Mitarbeiterin im Februar 2011 vor Ort die notwendigen Grundlagendaten gemeinsam mit der CUMT (China University of Mining and Technology) erarbeitet, um ein sogenanntes Monitoringkonzept zu erstellen. Im Jiuli-Gebiet haben sich Bergsenkungsseen gebildet, deren Ausbreitung entgegengewirkt werden soll. Rieger machte anhand seiner Präsentation zahlreiche Parallelen zu deutschen Bergbaufolgelandschaften deutlich und warum die hierzulande gesammelten Erfahrungen bei der Umstrukturierung und Renaturierung der inzwischen wieder hergestellten Flächen helfen könnten, das Gebiet trotz des Bergsenkungseinflusses hauptsächlich für die Landwirtschaft und andere Gewerbezwecke zu erhalten.

Die Frage, ob man überhaupt einen derart zerstörerischen Bergbau betreiben muß und der durchaus naheliegende Gedanke, auf Ressourcen wie Gold und Kohle der essentiellen Ressource Wasser zuliebe zu verzichten, kommen selbst in diesen wissenschaftlichen Diskussionsrunden nicht auf, auch wenn der Mensch ohne Gold und Kohle, nicht aber ohne Wasser leben kann.

Anmerkungen:

[1] Um aus einer Tonne Schutt Gold zu gewinnen, benötigen Chemiker ein Kilogramm Cyanid. Der Ertrag an Gold liegt jedoch nur zwischen 0,2 und 7 Gramm. Zyanid löst nach Angaben des Instituts Fresenius aber auch andere Schwermetalle neben Gold aus dem Erz. Schwermetalle werden in der Natur nicht abgebaut, sondern lagern sich in Tieren und Menschen an und schädigen die Gesundheit.

[2] Vor dem Hintergrund, daß sich Gold (chem. Zeichen: Au) in sauerstoffhaltiger Natriumcyanid-Lösung (Natriumsalz der Blausäure HCN) als Komplexverbindung (Na[Au(CN)2]) löst, werden die metallhaltigen Sande staubfein gemahlen, aufgeschichtet und im Rieselverfahren mit der Extraktionslösung unter freiem Luftzutritt versetzt. Die kleinsten Metallteilchen werden hierbei zuerst aufgelöst, weil sie die relativ größte Reaktionsoberfläche haben. Das Edelmetall findet sich chemisch gebunden im hochgiftigen Sickerwasser. Nach Filtration und Ausfällung mit Zinkstaub erhält man es als braunen Schlamm, aus dem nach Waschen und Trocknen durch Reduktion Rohgold wird und dann zu Feingold gereinigt und raffiniert wird. Die Cyanidlaugen werden zwar in Kreislaufprozessen wiederverwendet. Dennoch gehen dem Kreislauf flüchtige Blausäure, aber auch ihre Salze (Cyanide) verloren, die teilweise auch in größeren Mengen, etwa bei Unglücken, Fehlfunktionen der Anlage, Überschwemmungen etc. in die Umwelt gehen. Bereits der Kohlendioxidanteil der Luft setzt Blausäure aus den Lösungen frei. Alle diese Stoffe sind hochgiftig, sollen sich allerdings auch leicht durch oxidativen Abbau oder Hydrolyse in der Natur zersetzen.

[3] Als Tailing bezeichnet man im Bergbau feinkörnige Rückstände aus der Aufbereitung von Erzen, die in Form von Schlämmen vorliegen. Sie werden an den Entstehungsorten, d.h. an den Minen bzw. Weiterverarbeitungsstätten, in großen, meist mit Dämmen abgetrennten Becken oder Schlammteichen gelagert, was je nach Inhaltsstoffen bei unsachgemäßer Lagerung einen hohen Gefährdungsgrad für die Umwelt aufweisen kann.

[4] Die Webseite minersnet.org schätzt die Kosten sogar auf 20 Millionen Euro, siehe
http://www.minersnet.org/index.php?option=com_content&view=article&id=244:sueafrika- giftiges-grubenwasser-bedroht-johannesburg&catid=31:general- problems&Itemid=74&lang=es)
Die Studie dazu wurde auch im Deutschlandradio vorgestellt:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/weltzeit/1601311/

[5] Detlef Rieger (Emscher/Lippe Gesellsch. f. Wassertechnik), Johannes Meßer (Emscher/Lippe Gesellsch. f. Wassertechnik), Britta Kettelför (Emscher/Lippe Gesellsch. f. Wassertechnik) Wasserwirtschaftskonzepte im Steinkohlebergbaugebiet "Ruhrgebiet" und in den Steinkohlebergbaugebieten Xuzhou (VR China)
(http://www.ewlw.de/oberirdische_gewaesser.html)

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Ungetrübte Gewässer ... in Deutschland selbstverständlich?
Wasserflächen schaffen Besinnungsraum an der Kölner Uni
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16. September 2012