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INTERVIEW/077: Treffen der Wege - Reform alter Werte, Ina Praetorius im Gespräch (SB)


Die Farbe der Forschung II
Das Innovationspotenzial von Beziehungen
Symposium am 7./8. März 2014 in Berlin

Ina Praetorius über Beziehungen, den Wandel wörtlicher Werte und das "postpatriarchiale Durcheinander"



In ihrer Anmoderation stellte Florianne Koechlin die Theologin mit den Worten vor, ihr und den anderen Organisatoren des Symposiums "Die Farbe der Forschung II" [1], Benny Haerlin, Nikolai Fuchs und Oliver Willing, sei bei der Suche nach einer Referentin oder einem Referenten mit philosophischem Hintergrund für den Anfang der Vortragsreihe gleich Ina Praetorius in den Sinn gekommen, denn unter den vielen Büchern, die sie geschrieben oder herausgegeben habe, sei bereits 2005 eines mit dem Titel "Sich in Beziehung setzen". [2] Darin setzen sich verschiedene Autorinnen aus unterschiedlichen Perspektiven (Theologie, Biologie, Soziologie, Wirtschaft und Politikwissenschaft) mit der Frage auseinander, die das Wort "Bezogenheit" beinhaltet und was sich für ihre jeweils eigene wissenschaftliche Disziplin ändert, wenn nicht mehr die Rechte und Pflichten des Individuums, sondern das Knüpfen und die Pflege bestehender Beziehungsnetze zum Schwerpunkt der eigenen Aufmerksamkeit werden.

Auf einer Tagung, in der man über das Innovationspotential, das in den unterschiedlichen Verbindungsstrukturen liegt, und über seine Nutzung in der Praxis sprechen wollte, wer wäre da wohl mehr prädestiniert, die Tagung mit philosophischer Textur zu unterfüttern, wenn nicht die seit 1987 als freie Hausfrau, Autorin und Referentin tätige Theologin, die in der dritten, inoffiziellen und mit dem lebensverbundenen Humor der Autorin gewürzten Fassung des eigenen Lebenslaufs sagt:

Ich habe Wörter wie "Gott", "Liebe" oder "Jesus Christus" geschenkt bekommen, um mich in der Welt orientieren und meinem Leben einen Sinn geben zu können. Seit ich selbst sprechen und alleine stehen und gehen kann, gebe ich, was ich bekommen habe, auch an andere weiter ... [3]

Allerdings überraschte die in der Schweiz lebende Referenten Teilnehmer wie Organisatoren gleichermaßen, als sie diese in ihrem Vortrag "Beziehungen leben und denken. Eine philosophische Spurensuche" dazu animierte, selbst Hand anzulegen und mit einem schwungvollen Strich die selbstgesetzte Teilung in Oben und Unten, einer Ordnung aus Versatzstücken patriarchalen Denkens (Worte), aufhob und ein "postpatriachales Durcheinander" konstatierte, in dem wir uns gegenwärtig befänden und das gewissermaßen die Voraussetzung dafür sei, sich in innovativen Beziehungen jenseits bekannter Rollen zu formieren.

Das "postpatriarchale Durcheinander" fand derart großen Anklang bei den Teilnehmern, daß der gar nicht so leicht über die Lippen gehende Zungenbrecher tatsächlich teils scherzend, teils ernst in den einzelnen Arbeitsgruppen, Pausengesprächen, Vorträgen, Moderationen zu einem geflügelten Wort des Symposiums wurde. Eine Teilnehmerin bedankte sich bereits in der anschließenden Diskussion dafür, da sie nun endlich auch ihren persönlichen Zustand, den sie schon länger erlebe, begrifflich erfassen könnte. Wenn man die durcheinandergeratenen Bedeutungen der Worte nicht mehr allein einem hierarchischen Oben und Unten zuordnen würde, sondern man einen Blick dafür bekäme, daß alles in Beziehung zueinander steht, dann wäre sie nicht mehr durcheinander, sondern wieder ein Ganzes. Ein erstaunliches Heilergebnis, wenn man bedenkt, daß eigentlich doch nur Wortbegriffe mit einem trennenden Strich in ein hierarchisches Oben und Unten willkürlich getrennt wurden, das dann symbolisch aufgehoben wurde.

Fotografie des Arbeitsblatts, das die Referentin an die Teilnehmer verteilte. Links ein Textauszug 'Aristoteles, Politik, übersetzt und herausgegeben von Olof Gigon, München 1973, 53-56' - rechts einige Begriffe daraus, nach hierarchischem Gewicht (Hergott, Mensch/Mann oben - Körper, Weibliches, versklavt, Materie unten) sortiert - Grafik: by Ina Praetorius, Foto: © 2014 by Schattenblick

Das 'postpatriarchale Durcheinander', wie es Ina Praetorius den Teilnehmern des Symposiums 'Die Farbe der Forschung II' näher brachte und in dem sich alle gleich zuhause fühlten.
Grafik: by Ina Praetorius, Foto: © 2014 by Schattenblick

Im Rahmen der Fragerunde nach dem Vortrag und in der Pause danach hatte der Schattenblick Gelegenheit, mit Ina Praetorius noch einmal über ihr persönliches Verhältnis zu den Altlasten, die in Worten wie Mensch/Mann, Kirche, Herrschaft transportiert werden, und über den von ihr postulierten Zustand eines an- oder aufgelösten Rollenverständnisses oder "Durcheinanders" ins Gespräch zu kommen ...

Schattenblick (SB): Wie bist du eigentlich zu dieser Zuordnung der Begriffe gekommen? Wenn du die Begriffe Mensch/Mann in der Hierarchie der Worte zum Beispiel über Seele/Geist stellst, fließt dann nicht schon der Hintergrund des Durcheinanders oder dein eigener Standpunkt an der Stelle mit ein, wo du die Begriffe auf der Fläche oben oder unten positionierst?

Ina Praetorius (IP): Das ist eine grafische Übersetzung des Aristoteles-Zitates. [3] Außer den wenigen modernen Worten, die ich noch hinzugefügt habe, also Begriffe wie Theorie, Gott, Geist, sind alle Begriffe aus dem Zitat auf der linken Seite entnommen. Man kann die fettgedruckten Textstellen eins zu eins auf der anderen Seite finden. Die kontrollierende obere Sphäre dominiert die kontrollierte untere Sphäre aus Abhängigkeit, Haushalt, Weiblichkeit, Sklaverei, Körper. Darüber hinaus habe ich noch ein paar ergänzt, denn ich konnte schließlich nicht die ganze Politik des Aristoteles auf das Blatt drängen.

In der Antike waren die Naturwissenschaft, die Sozialwissenschaft und die Geisteswissenschaft noch nicht voneinander getrennt. Aristoteles war ein Universalgelehrter, wie es eigentlich heute kaum noch welche gibt. Vielleicht gibt es bald wieder welche. Das letzte Referat [4] war ein Hinweis darauf, daß die Universalgelehrtheit im Durcheinander vielleicht wieder relevant werden könnte. Aber die gesamte Philosophie des Aristoteles und nicht nur seine, sondern auch das, was nachher kam, im Mittelalter Thomas von Aquin bis hin zur modernen Theologie, ist so strukturiert: der Herrgott ganz oben und die unbelebte Materie ganz unten. Und dazwischen diese Abstoßungen, die sich jeweils gegenseitig definieren und gegenseitig kontrollieren. Genau das kriegen wir eben nicht so schnell aus unseren Köpfen raus.

Es ist eigentlich für jeden wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, mit welchen Wörtern wir im Alltag immer noch umgehen. Begriffe wie "Materie" oder "Spiritualität" spielen auch heute in den medizinisch-ethischen Debatten wieder eine Rolle. Da will man die Religion eigentlich hinter sich lassen und setzt statt dessen die Spiritualität ein. Was nimmt man dadurch mit? Den Dualismus von Geist und Körper. Der Spiritus beherrscht den Corpus und solange man dieses Wort nicht ändert, schleppt man diese Tradition mit sich.

SB: Das Begriffspaar "Mensch gleich Mann", über das sich die Schattenblick-Redaktion vor kurzem ebenfalls ein paar sprachgeschichtliche Gedanken gemacht hat, wäre dafür sicher auch ein Beispiel [6]. Es bleibt in dem Durcheinander offenbar zusammen. Ist das nicht schon ein Standpunkt oder eine transportierte Blickrichtung, die man mitschleppt?

IP: Es geht bei dem postpatriachalischen Denken auf jeden Fall darum, die Blickrichtung zu ändern. Den bösen Patriarchen, der uns "unterdrückt", aus dieser alten Ordnung, die ich aufgezeigt hatte, gibt es eben nicht mehr. Die wirkt zwar noch, aber sie besteht schon mindestens seit der Jahrtausendwende nicht mehr. Ich habe über die Identifizierung von Mensch und Mann promoviert. Dazu untersuchte ich Texte in der theologischen Ethik von 1949 bis 1991. Tatsächlich läßt sich darin ein wissenschaftlich akzeptiertes Ergebnis finden: "Mensch ist gleich Mann". Aber Mensch ist nicht nur Mann, sondern auch "weiß", "erwachsen", "besitzend", "männlich". Was ich nicht erforscht habe, aber annehme, ist, daß seit dem Anfang der 90er Jahre sehr viel passiert ist. "Der Mensch" wird nicht mehr so einfach mit "der Mann" gleichgesetzt. Diese Identifikation hat sich aufgelöst oder ist zumindest dabei, sich aufzulösen, was natürlich nicht konfliktfrei geschieht. Das heißt, wir haben es mit diesen berühmten "Flashbacks" zu tun. Männer werden aggressiver, wenn sie sich aus den ihnen ehemals zugestandenen Territorien rausgedrängt fühlen.

Noch in diesem Jahr, 2014, habe ich in einer renommierten Zeitschrift wieder mal so einen Satz von einem berühmten Religionssoziologen gelesen, der dort sagte: "Ja, der Mensch macht dies und jenes ... und wenn er dann zu seiner Frau nach Hause geht..." Da haben wir wieder diese alte Identifikation: "Der Mensch geht zu seiner Frau nach Hause". Also das kommt noch vor. Aber insgesamt wurde sie doch so stark bestritten, daß diese Identifikation nicht mehr funktioniert. Vor allem stelle ich in den letzten zwei, drei Jahren fest, daß die jüngeren Frauen und auch Männer sich wieder sehr viel stärker für die Geschlechterthematik interessieren. Und zwar auch in diesem weiten Kontext. Es geht ihnen tatsächlich nicht nur darum, "ein bißchen mehr zu verdienen", sondern vor allem darum, wirklich gesamtkulturell diese Geschichte wieder ins Auge fassen.

Die Theologin Dr. Ina Praetorius auf dem Symposium in Berlin - Foto: © 2014 by Schattenblick

'Zum Glück hält das Patriarchat noch ein bißchen.'
Foto: © 2014 by Schattenblick

SB: Wie siehst du dann die Rolle der institutionalsierten Kirchen in dieser Hinsicht? Zumindest die katholische Kirche scheint doch sehr unbeweglich, wenn es um irgendwelche Veränderungen geht.

IP: Die verhält sich allerdings sehr ambivalent. Interessant ist ja die evangelische Kirche, die deutsche EKD. Die hat gerade zwei Stellungnahmen herausgegeben: einmal die sogenannte Orientierungshilfe zur Familienfrage und dann das Sozialwort. Nun, das Sozialwort geht eigentlich nicht über das hinaus, was die große Koalition auch erzählt. Und die Orientierungshilfe zur Familienfrage ist ganz stark umstritten. Meiner Ansicht nach ist aber die Orientierungshilfe das eigentliche Sozialwort. Weil darin gefordert wird, daß "Care", also Fürsorglichkeit, zu einem Kriterium der gesamten Wirtschaft werden müsse. Dort heißt also nicht: "Wir müssen das nur ein bißchen besser organisieren", sondern der Begriff "Care/Fürsorglichkeit" wird für die gesamten Wirtschaftsentscheidungen relevant. Das ist bahnbrechend. Nicht aus Zufall waren in der Redaktion der Orientierungshilfe zehn Frauen und vier Männer. Und jetzt? Die EKD hat das zwar nicht zurückgenommen, hält sie aber für zu umstritten und nicht fundiert genug. Aber persönlich finde ich diese Orientierungshilfe zur Familienfrage, so trocken sie ist, sehr wichtig.

Was in der Kirche passiert, ist ganz ambivalent. Selbst der neue Papst ist ambivalent. Was er bisher über Frauen sagt, kann man nur als die ewig alte Leier bezeichnen. Nichts Neues. Immerhin kann man, was alles andere betrifft, das aus dem Vatikan kommt, jetzt wieder neugierig sein. Von daher würde ich sagen, das "postpatriachale Durcheinander" spielt auch innerhalb der Kirchen eine ganz große Rolle - und zwar in allen Kirchen.

SB: Du hast in deinem Vortrag an einer Stelle sehr deutlich gemacht, daß Menschen ohne "Ordnung" nicht leben können. Jetzt haben wir den Zettel genommen und dort die Ordnung, das heißt den trennenden Strich zwischen Oben und Unten, einfach mit einem Schwung durchgestrichen. Wie ist das zu verstehen? Ist die Ordnung, symbolisiert durch den Strich, nun aufgehoben? Was bedeutet Ordnung eigentlich für dich?

IP: Es gibt ja nicht nur eine Ordnung, zum Glück. Es ist doch schön, daß man diese Erfahrung machen kann: Ich streiche diese Mittellinie durch, alles fliegt durcheinander, aber deshalb geht die Welt nicht unter. Dabei rekurriere ich eigentlich auf zwei Dinge. Erstens, die materielle Ordnung, also zum Beispiel die Erdanziehung, bricht nicht mit dem Patriarchat zusammen. Wir bleiben auf dem Boden stehen. Die die Kühe fressen weiter, wir scheißen, alles läuft eigentlich normal. Die primäre Ordnung geht durch die Aufhebung des Patriarchats nicht kaputt. Und zum anderen denke ich - vielleicht ein bißchen paradox - tatsächlich manchmal: Zum Glück hält das Patriarchat noch so ein bißchen.

SB: Warum? Das würde mich jetzt interessieren.

IP: Also wenn alles zusammenbricht, und es bricht ja schon viel zusammen - zum Beispiel verliert die Autorität des Militärs, der Professoren und Experten, des Papstes, der Kirchenfürsten massiv an Bedeutung -, wenn diese Autoritäten jetzt aber plötzlich überhaupt nicht mehr da wären, dann würde es gefährlich werden. Tatsächlich passieren ja auch schon gefährliche Dinge, vielleicht nicht gerade hier, aber in Osteuropa und im Nahen Osten. In all dem erkenne ich auch einen Zusammenhang mit dem Ende des Patriarchats. Wenn man dann aber mit ansehen muß, wie Menschen erschossen werden, denke ich bei mir, manchmal ist es doch ganz gut, wenn das Alte noch ein bißchen hält, selbst wenn das noch so angreifbar ist oder auch bereits angegriffen wird. Da bin ich pragmatisch.

SB: Wie stehst du selbst zu dem Begriff des Durcheinanders? Wie würdest du dich darin einsortieren oder welche Beziehung sollte man zu diesem konstatierten Durcheinander deiner Meinung nach eingehen?

IP: Ich bin ja schon länger unterwegs mit dem Begriff. Und meistens gibt es die Reaktion wie heute auch: "Ah, endlich sagt mal jemand ein Wort über das, was ich schon so lange empfinde." Von daher ist es erstmal ein inspirierendes Wort, gerade durch diese drei Schreibweisen [6], das den Leuten zeigt, wo sie eigentlich stehen. Denn wir befinden uns in diesem Durcheinander ja schon längere Zeit. Für mich ist das ein einerseits befreiendes, aber auch pragmatisches Wort. Ich habe mich persönlich dafür entschieden, weiterhin von Gott zu reden und meiner protestantischen Matrix treu zu bleiben. Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, daß sich solche Sachen auflösen lassen, indem man zum Beispiel die Religion wechselt, aus der Kirche austritt, atheistisch wird oder so. Gut, das ist meine persönliche Entscheidung.

Die Tradition ist so reich. Wenn man allein schon die Weihnachtsgeschichte nimmt und was darin steckt, das Geborensein Gottes, daß Gott Mensch geworden ist durch Geburt und die Heilige-Geist-Kraft, die immer irgendwo herumschwebt. Was will ich denn mehr? Das ist doch toll. Das wurde zwar bis heute über Jahrhunderte totgeschwiegen, falsch interpretiert oder auch nur mißverstanden. Aber das heißt ja nicht, daß das nicht in Zukunft anders werden kann. Ich habe jetzt das Glaubensbekenntnis neu ausgelegt und das war ein sehr interessanter Prozeß. [7] Ich kann praktisch aus jedem Dogma, aus jeder Bibelstelle irgendwas Tolles machen, wenn ich einen anderen Blick drauf habe, wenn ich nicht mit der aristotelischen Brille lese.

SB: Bei den drei Interpretationsmöglichkeiten von Durcheinander - einmal das Kuddelmuddel, einmal das sich auf andere beziehende "durch einander" oder das transzendente "Durch ein ander(es)" -, welches davon gilt für dich selbst, wenn du von postpatriachalem Durcheinander sprichst?

IP: Na, alle drei. Die gehören zusammen. Das ist ja das Tolle an dem Wort.

SB: Eine sehr theologische Antwort ...

IP: Auf jeden Fall. Man kann damit spielen. Mir ist natürlich die dritte Auslegungsform das "Durch ein ander" [7] ganz besonders wichtig. Gut, wenn ich nur dieses Chaos- oder dieses "Alles ist schrecklich"-Gefühl habe, dann gibt es ein Vertrauen auf die Zwischenmenschlichkeit, und das ist das "durch einander". Aber ganz wichtig ist mir wirklich die dritte Dimension. Selbst wenn ich mit anderen kooperiere, wenn ich tolle neue Auswege finde, bin ich immer darauf angewiesen, und es ist auch einfach Fakt, daß ein großer Bereich dessen, was wirkt und die Geschichte bestimmt, mir nicht verfügbar ist. Von daher ist die dritte Schreibweise in drei Wörtern "Durch ein ander" einfach tröstlich.

SB: Kannst du dir ein Christentum ohne Kirche vorstellen?

IP: Also ich glaub', daß die Kirche sich stark transformieren muß, weil sie selbst im Protestantismus diese ganzen traditionellen Hierarchien noch sehr stark lebt. Aber Kirche ohne Tradition, Religion ohne Gemeinschaft, das geht nicht. Und wenn du sagst, die Kirche ist erstens die Verwirklichung von Gemeinschaft und zweitens die Hüterin der Tradition, dann geht Christentum nicht ohne Kirche. Aber vielleicht sieht sie in hundert Jahren total anders aus als heute.

SB: Vielen Dank Ina Praetorius für das Gespräch.


Fußnoten:

[1] Weitere Berichte und Interviews zum Berliner Symposium "Die Farbe der Forschung II" vom 7. und 8. März 2014 finden Sie unter dem kategorischen Titel "Treffen der Wege":
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/ip_umwelt_report_bericht.shtml
und
http:/www.schattenblick.de/infopool/umwelt/ip_umwelt_report_interview.shtml

[2] Ina Praetorius (Hg): Sich in Beziehung setzen. Zur Weltsicht der Freiheit in Bezogenheit. Ulrike Helmer-Verlag, Königstein 2005.

[3] Die feministische Theologin Dr. Ina Praetorius hat Germanistik und Evangelische Theologie studiert und war lange am Institut für Sozialethik der Universität Zürich tätig. Sie beschreibt sich offiziell selbst als postpatriachiale Denkerin, freie Hausfrau, Theologin und Autorin.
http://www.inapraetorius.ch/index.php

[4] Aristoteles, Politik, übersetzt und herausgegeben von Olof Gigon, München 1973, 53-56

[5] In diesem Zusammenhang ist das Referat von Saira Mian "Am Schnittpunkt von Kommunikationstheorie, Kryptographie und Agrarökologie" gemeint, in dem beispielhaft angedeutet wird, der Landwirt müsse heutzutage auch Kryptograph und Kommunikationstheoretiker sein, um die Botschaften der Natur zu verstehen.

[6] Infopool → Die Brille → Redaktion
Stich-Wort/005: Sprachgeschichtliche Betrachtungen, "Mensch Mann!" (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/d-brille/redakt/dbrs0005.html

[7] Die Referentin hat es in ihrem Vortrag als "Durcheinander" (zusammengeschrieben) "Durch einander" (zwei Worte) und "Durch ein ander" (drei Worte) beschrieben, die dadurch unterschiedliche Bedeutungen erhalten. "Durcheinander" wäre danach dann das normale Chaos oder Kuddelmuddel im Alltag, das Gefühle der Unsicherheit oder sogar Angst auslöst. "Durch einander" verweist laut Ina Praetorius auf einen möglichen Ausweg aus der hierarchischen, symbolischen und sozialen Ordnung heraus. Durch einander, sagt sie, also nicht durch Herrschaft und Kontrolle, sondern durch Beziehungen bewegten wir uns in eine neue Richtung. Das sei mit "Beziehungen leben und denken" gemeint. Nicht ganz grammatikalisch korrekt wäre dagegen mit dem "Durch ein ander" schließlich die Schreibweise gefunden, um das wieder einzubringen, was lange als Herrgott und oberste Kontrollinstanz über allem gethront hat und heute in dieser Form zumeist entthront ist: die Transzendenz. Das Unverfügbare, das andere, das Überraschende, das Unverhoffte. Das große Umunsherum, das wir nie und nimmer in den Griff kriegen und begreifen werden, uns also "Durcheinander" werden läßt.

Einen ausführlichen Bericht über den Vortrag von Ina Praetorius finden Sie unter dem Index:

BERICHT/070: Treffen der Wege - Von Auflösungen auf Lösungen (SB)
Über den Vortrag von Ina Praetorius "Beziehungen leben und denken. Eine philosophische Spurensuche"
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0070.html

[8] Ina Praetorius, "Ich glaube an Gott und so weiter. Eine Auslegung des Glaubensbekenntnisses", Gütersloh (Gütersloher Verlagshaus) 2011
http://www.inapraetorius.ch/d/publikationsliste.php

18. März 2014