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INTERVIEW/131: Indikator Salz - Küste, Klima, Wechselwirkung ... Broder Nommensen, Johannes Michaelsen und Helga Wiederhold im Gespräch (SB)


SWIM
23. Salt Water Intrusion Meeting
16. bis 20. Juni 2014 im Husumhus in Husum

Broder Nommensen, Johannes Michaelsen und Helga Wiederhold über natürliche Versalzungserscheinungen, menschenverursachte Forcierung und was man dagegen tun kann



Solange Menschen in der privilegierten Position sind, reines, hochwertiges Trinkwasser in uneingeschränkten Mengen selbstverständlich direkt aus dem Wasserhahn zu zapfen, wird das Vorrücken von Salzwasser in die Trinkwasser-Reservoire wohl eher selten als Bedrohung, denn als exotische Ausnahmeerscheinung wahrgenommen, von der Menschen im ärmeren Süden, aber nicht hierzulande betroffen sind. Die satten Niederschlagsmengen, die durch Erdreich, Boden und Gestein sickern und in großzügiger Weise die Wasserneubildung speisen, wie auch eine vorausschauende Wasserbewirtschaftung haben die Anrainer von Nord- und Ostsee, unter anderen Deutschland, Dänemark, Schweden bisher weitgehend vor Trinkwasserengpässen bewahrt. Obwohl jede Küste, an der Salzwasser und Süßwasser zusammentreffen, naturgemäß mehr oder weniger dramatisch von Salzwasserintrusion betroffen ist, werden die Auswirkungen wie die Anpassung von Flora und Fauna an den salzhaltigen Boden als eine schützenswerte Laune der Natur bestaunt.

Eine Panoramaansicht des Naturschutzgebietes 'Brenner Moor', das größte binnenländische Salzmoor in Schleswig-Holstein, das auf dem Gebiet der Stadt Bad Oldesloe in der Traveniederung liegt. - Foto: 2009 by Wusel007 [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Laune der Natur im norddeutschen Binnenland?
Die versalzene Umgebung zieht eine einzigartige Gemeinschaft aus Pflanzen an, wie sie sonst nur im Küstenbereich zu finden sind.
Foto: 2009 by Wusel007 [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Das könnte sich im Zuge des weltweiten Anstiegs der Durchschnittstemperatur durchaus ändern, schreiben zwei Mitglieder des SWIM-23 Organisationskomitees, Helga Wiederhold vom Leibniz-Institut für angewandte Geophysik in Hannover und ihr Kollege Jörg Elbracht vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie, in "Geowissenschaftliche Mitteilungen", Heft Nr. 52 (Juni 2013), zum Thema Salzwasserintrusion:

Durch den Klimawandel ergeben sich Veränderungen im Wasserkreislauf, die Auswirkungen auf Grundwasserstände und Salzwasserintrusion haben können; der erwartete Anstieg des Meeresspiegels kann die Salzwasserintrusion beeinflussen. Durch zukünftig niederschlagsreichere Winter (Norddeutscher Klimaatlas, www.norddeutscher-klimaatlas.de/) wird ein Anstieg des Grundwasserspiegels sowie ein erhöhtes Überschwemmungsrisiko für Norddeutschland erwartet. Die Auswirkungen auf Küstenaquifere und küstennahe Gewässer sowie Salzmarschen und die Süß-/Salzwassergrenze sind noch nicht mit allen Konsequenzen verstanden. Prinzipiell muß aber davon ausgegangen werden, daß Küstenaquifere stärker versalzen und damit Süßwasserressourcen verloren gehen. Es gibt nicht nur Gefahren für das Grundwasser durch Salzwasserintrusion, sondern ebenso wichtig ist der umgekehrte Fall der Süßwassereinträge ins Meer, womit auch Schadstoffe vom Land in die Küstenökosysteme getragen werden. [1]

Das sei Grund genug, das weltweite Wissen und die zugehörigen Köpfe auf dem Salt Water Intrusion Meeting zusammenzuführen, meinte die Geophysikerin im Vorfeld der Tagung.

Am 16. Juni 2014 kamen 160 Fachleute aus 25 Ländern, sowohl aus der Wissenschaft wie aus angrenzenden praxisnahen Bereichen der Wasserwirtschaft und Ingenieurswissenschaft, zusammen, um fünf Tage lang die Hintergründe und die Prozesse von Salzwasserintrusionen ins Grundwasser zu beleuchten. Ingenieure, Wasserversorger, aber auch Berater und Entscheidungsträger aus dem Bereich Wasserwirtschaft von Hochschulen, Beratungsbüros, Fach- und Aufsichtsbehörden sowie von Wasser bewirtschaftenden Verbänden sollten aber nicht nur über den Faktor Klimawandel, sondern auch über noch offene Fragen zu

- zunehmendem Wasserbedarf durch wirtschaftliche Entwicklung und Bevölkerungswachstum
- Qualitätsverfall der verfügbaren Trinkwasser-Reserven
- Aquifer-Eigenschaften
- Design und Auswirkungen von Wassermanagement-Entscheidungen
- und zu Auswirkungen des Klimawandels und des Meeresspiegelanstiegs auf die Trinkwasser-Reserven

diskutieren.

Am ersten Tag der Tagung bot sich dem Schattenblick im Rahmen eines Pressegesprächs die Gelegenheit für eine ergiebige Frage- und Gesprächsrunde mit drei Salzwasserintrusionsexperten und Mitgliedern des SWIM-Organisationskomitees. Neben Helga Wiederhold, die als Geophysikerin zahlreiche Projekte des Leibniz-Instituts für angewandte Geophysik (LIAG) auf dem Gebiet der Hydrogeophysik leitet und koordiniert, war dazu auch Dr. Broder Nommensen bereit, der als Geologe das Dezernat Fachgrundlagen Hydrogeologie/Grundwasser in der Abteilung 5 des Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) des Landes Schleswig-Holstein Geologie und Boden leitet. Dieses erarbeitet unter anderem Karten zur Verbreitung der Grundwasserleiter oder zur Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung. Komplettiert wurde die Runde durch Dr. Johannes Michaelsen von der Hamburger Beratungsgesellschafts mbH CONSULAQUA.

Das wissenschaftliche Organisationskomitee von SWIM 23 - Foto: © 2014 by Schattenblick

Ihr Engagement hat das 23. Salzwasserintrusion Meeting nach Husum geholt.
Von links nach rechts: Helga Wiederhold, Broder Nommensen und Johannes Michaelsen
Foto: © 2014 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Das Saltwater Intrusion Meeting "SWIM" findet seit 45 Jahren alle zwei Jahre in einem anderen Land statt. Was ist SWIM eigentlich genau und wer veranstaltet diese Expertentreffen?

Broder Nommensen (BN): Wir sind eine private Gruppe von Menschen [2], die fachlich mit Salzwasserintrusion zu tun haben und von daher daran interessiert waren, daß man diese Veranstaltung, die es ja schon seit vielen Jahrzehnten gibt, hier nach Husum oder überhaupt einmal nach Deutschland holt. Das war der erste Ansatz. Herr Michaelsen kommt von CONSULAQUA, einer Ingenieurgesellschaft in Hamburg, ich selbst bin vom Geologischen Dienst für Schleswig-Holstein, Frau Wiederhold vom Leibniz-Institut für angewandte Geophysik in Hannover - das heißt, wir sind alle Mitglieder von Institutionen, die uns zwar auch unterstützen, die aber nicht für diese Veranstaltung verantwortlich sind.

Helga Wiederhold (HW): Wir sind als Einzelpersonen letztendlich selbst die Veranstalter und wir tragen auch das finanzielle Risiko.

Johannes Michaelsen (JM): Genau. So etwas wie eine Organisation "SWIM" existiert nicht. SWIM ist immer nur die Zusammenkunft von einzelnen Fachleuten, diesmal sind es fast 200, die Interesse an dem Thema haben. Und das macht auch irgendwo den besonderen Charme und die besondere Atmosphäre dieser Veranstaltung aus, die Sie vielleicht selbst wahrnehmen. Sie ist nicht ganz so formal, aber sie ist wissenschaftlich ganz vorne.

Der Einführungsvortrag von Herrn von Storch [3] hat es deutlich gemacht und auch im weiteren Programm geht es um das, was es an neuesten Entwicklungen auf den verschiedenen Gebieten der Salzwasserintrusionsforschung gibt.

SB: Repräsentieren Sie im SWIM-Organisationskomitee auch die jeweiligen Projekte Ihrer eigenen Institutionen? Wenn wir das richtig verstanden haben, sind Sie, Herr Nommensen, für ein Forschungsprojekt auf der Insel Föhr zuständig?

BN: Als Geologe hier im Geologischen Dienst Schleswig-Holstein kenne ich mich da ganz gut aus. Aber mit diesem Projekt befassen sich auch noch weitere Wissenschaftler. Jeder hat natürlich seinen eigenen fachlichen Background und seine eigene fachliche Meinung.

JM: Genau, wenn Sie jetzt in unserem Kreis Leute von Katar, von der Westküste von Australien, von Japan oder von San Diego befragen, werden Sie ganz unterschiedliche Meinungen und Erfahrungen finden - jeder hat einen anderen Erfahrungshorizont. Wir arbeiten aber alle mit denselben vergleichbaren Methoden, mit denselben wissenschaftlichen Ansätzen, auch wenn jede Gruppe andere Schlußfolgerungen daraus zieht.

SB: Ist eine der Aufgaben dieses Kongresses auch der, die unterschiedlichen Standpunkte zusammenzubringen und sich darüber auszutauschen, durchaus auch kontrovers vielleicht?

BN: Das soll durchaus auch das Motto des Schwarms symbolisieren und Sie haben den Schwarm ja gesehen: kein Fisch im Schwarm denkt das gleiche, aber man bewegt gemeinsam das Thema voran. Und genauso ist jeder hier von uns daran interessiert, andere Fachmeinungen zu hören, wissenschaftliche Ansätze auszutauschen und umgekehrt. Auf diese Weise soll sich das Wissen über Salzwasserintrusion insgesamt vermehren und verbessern, da sind wir auf einem guten Weg bei dieser Tagung.

Ein Blick vom Husumer Hafen auf die Küstenlandschaft mit Windrädern, Schiffen, Schafen und Meer. - Foto: © 2014 by Schattenblick

Schauplatz des Geschehens
Foto: © 2014 by Schattenblick


Natürliche Versalzung, anthropogen reguliert

SB: Sie sagten vorhin, Deutschland sei Ihnen als Standort wichtig gewesen. Versprechen Sie sich davon auch, daß die deutschen Forschungsarbeiten international stärker wahrgenommen werden, wenn ausländische Kollegen gewissermaßen persönlich am Schauplatz des Geschehens gewesen sind?

JM: Norddeutschland hat sehr weitreichende Erfahrungen, die einen großen Beitrag zu dieser Diskussion leisten können. Wir haben es ja hier nicht nur durch die langen Küstenlinien in Schleswig-Holstein an Nord- und Ostsee mit Salzwasser zu tun, sondern auch noch mit der sogenannten geogenen Versalzung [4], die eben durch die aufsteigenden Salzstöcke durchaus auch im Bereich der genutzten Grundwasserressourcen stattfindet. So daß wir hier gleich zwei Komponenten der Salzwasserintrusionsproblematik vor Ort haben.

BN: Dazu muß man wissen, in beiden Fällen handelt es sich um ganz natürliche Versalzungsvorgänge. Sie wurden nicht durch den Menschen verschuldet, der das Salz - sagen wir mal - als Umweltverschmutzung wie Müll oder Überdüngung, in den Untergrund eingebracht hat, sondern das sind natürliche Mineralstoffe im Boden und natürliche Vorgänge, die der Mensch aber durch sein Wissen in gewisser Weise beeinflussen kann.

SB: Sind denn die Salzstockbewegungen nicht bereits seit Millionen Jahren abgeschlossen? Oder könnten Sie uns noch etwas näher erläutern, wie Sie die menschliche Einflußnahme hier verstehen?

BN: Die Grundwasserbewegung findet natürlich auch ohne Einfluß des Menschen im Untergrund statt, ebenso die Ablaugung von Salzstöcken. Genauso wie im Küstenbereich das spezifisch schwerere Meerwasser ganz von allein landeinwärts vordringt, während das leichtere Süßwasser oben darüber ins Meer fließt. Der Einfluß des Menschen beginnt dort, wo er zum Beispiel durch starke Grundwasserentnahmen oder künstliche Anreicherungen in den Prozeß eingreift.

SB: Der vermehrte Wasserverbrauch beschleunigt die Intrusion, das ist klar. Was genau passiert durch künstliche Anreicherungen?

JM: Das wäre eine Gegenmaßnahme, die beispielsweise in Miami County durchgeführt wurde. Sie basiert darauf, daß Süßwasser neu infiltriert, also Grundwasser mit Süßwasser angereichert wird. Das muß aber eine quantitativ, mengenmäßig sehr bedeutsame Größenordnung sein, um im Rahmen des aus dem Gleichgewicht geratenen Wasserkreislaufes die Süßwasserressource zum einen wieder künstlich zu vergrößern und dadurch zum zweiten die Salzwasserintrusion aus Richtung Atlantik zu minimieren. Daß heißt, einmal eine hydraulische Barriere zu schaffen und gleichzeitig die 'Süßwasserlinse' selbst zu vergrößern.

SB: Eine hydraulische Barriere?

BN: Wenn Sie über dem Salzwasser einen gewissen Überstau an Süßwasser produzieren, dann drückt dieses Süßwasser das Salzwasser nach unten weg. Und das ist genau der Effekt, der erzielt werden soll.

JM: Ja, allerdings ist das eine Maßnahme, die nur die Kollegen aus Miami schwerpunktmäßig vertreten. Wir haben hier in Norddeutschland ganz andere Prioritäten, denn wir können auch unsere Grundwasserneubildung durchaus aktiv beeinflussen, zum Beispiel durch entsprechende Maßnahmen wie eine geringere Bodenversiegelung oder indem das Regenwasser, wie häufig in urbanen Siedlungsgebieten eben nicht gesammelt und dann in die Nordsee abgeführt wird, sondern indem man versucht, es zu reinigen, wieder zu infiltrieren und es damit unserer Süßwasserressource, dem Grundwasser, zur Verfügung zu stellen.

SB: Welche Gegenmaßnahmen gibt es denn bei der Tiefenversalzung? Läßt sich das Salz, was dabei vom Grundwasser aus den Salzstöcken angelöst wurde, nicht wieder herausfiltrieren oder das Süßwasser wie bei der Meerwasserentsalzung zurückgewinnen? Oder ist das für Norddeutschland nicht relevant, weil man hier noch genügend anderes Grundwasser hat?

BN: Also für Norddeutschland ist das tatsächlich nicht relevant. Wir haben so viele Grundwasserressourcen, die süß sind, daß wir nicht an Wassermangel leiden würden, wenn wir das Salzwasser nicht fördern und aufwendig zubereiten.

Aber wir müssen solche Prozesse beobachten und zu vermeiden suchen, daß dieser Trend der Versalzung insgesamt - regional, aber auch überregional - zunimmt. Wir sind nicht darauf angewiesen, jetzt ausgerechnet auf Helgoland unbedingt Trinkwasser zu gewinnen, obwohl genau das dort mittlerweile mit großem energetischen Aufwand gemacht wird. Aber Helgoland ist ein Sonderfall und wir müssen nicht im küstennahen Bereich, in dem das Wasser bereits versalzen ist, unbedingt Wasser fördern, weil wir genug im Inland haben.

Schema einer Umkehrosmoseanlage, mit der auf den kanarischen Inseln und auf Helgoland Trinkwasser gewonnen wird. - Grafik: by Togo [at] de.wikipedia./ Seisdrum [at] de.wikipedia. [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], from Wikimedia Commons

Die Rückgewinnung von Süßwasser aus Salzwasser kostet Fläche und Energie.
Grafik: by Togo [at] de.wikipedia./ Seisdrum [at] de.wikipedia. [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], from Wikimedia Commons

JM: Natürlich sind auch die Methoden der Meerwasserentsalzung oder überhaupt der Trinkwassergewinnung durch Süß-, der Salzwasserentsalzung ein Forschungsgebiet, in dem fortwährend weitergearbeitet wird, so daß man bereits von einem sehr hervorragenden, technisch-wissenschaftlichen Fortschritt ausgehen kann, wobei der Energieaufwand des Verfahrens pro Kubikmeter schon deutlich verringert werden konnte. Trotzdem sollte man dabei eines bedenken: Laut Herrn von Storch [3] gibt es neben möglichen weiteren Faktoren, die vielleicht noch erst zu Tage gefördert müssen, keinen grundsätzlichen Zweifel an einem kausalen Zusammenhang zwischen den Emissionen von CO2 und dem Klimawandel. Es gibt auch keine Zweifel darüber, daß die Erwärmung kommt und schon da ist. Wenn Sie jetzt trotz ausreichend vorhandener Süßwasserressourcen auf Entsalzung setzen, dann binden Sie doch wieder Ressourcen, das heißt Energie, und damit würde man diesen Prozeß, der dann über den Meerespiegelanstieg letztlich wieder zu dieser Problemsituation, also zu einer weiteren Versalzung, führt, noch beschleunigen.

Hier also Geld oder Energie zu investieren, wäre meines Erachtens bei vorhandenen Süßwasserressourcen für unsere Gemeinschaft nicht zielführend.

BN: Abgesehen von unserer Gemeinschaft stellt sich diese Frage aber noch viel mehr in anderen Regionen der Welt. Denn dort hat man es nicht nur mit einem Energieaufwand zu tun, sondern auch noch mit einem Abfallproblem, denn die Sohle, die dabei übrig bleibt, muß auch entsorgt werden. Daher ist die Position der norddeutschen SWIMMER ganz klar: unsere Süßwasserressourcen zu schützen und sie nachhaltig bewirtschaften.

Ein moderner Meßwagen mit Raupenantrieb und eine mobile Bohrstation am Strand. - Foto: mit freundlicher Genehmigung des SWIM-Organisationskomitees

Nachhaltig bewirtschaften heißt vor allem 'lokale Beobachtung'.
Zwei Raupengefährte im Watt vor der Wyker Strandstraße führen Probebohrungen durch, um die Lage der Süßwasserlinse zu ermitteln.
Foto: mit freundlicher Genehmigung des SWIM-Organisationskomitees

SB: Wie sähe nachhaltige Bewirtschaftung aus Ihrer Sicht denn aus, Herr Michaelsen?

JM: Da ist vielleicht doch Herr Nommensen der bessere Ansprechpartner. Ganz kurz aus meiner Warte: Nachhaltig bewirtschaften heißt vor allem "lokale Beobachtung", Beobachtung der Süß-/Salzwassergrenze, Beobachtung der Gesamtentwicklung und des Verbrauchs. Das ist die Grundlage jeglicher Bewirtschaftung, um daraus die Handlungsalternativen abzuleiten und dann die richtige Entscheidung zu treffen, um eben die Süßwasserressource nicht zu gefährden.

BN: Ich kann dafür mal ein Beispiel geben, das dies vielleicht erläutert: In Lübeck hat man allein durch das Beobachten der Grundwasserbeschaffenheit festgestellt, daß die Salzgehalte ansteigen. In der darauf folgenden Untersuchung zeigte sich, daß dafür eine starke, punktuelle Förderung in Lübeck verantwortlich war. Und daraus wurde dann der Schluß gezogen, daß es sinnvoll ist, eine Entzerrung der Entnahmesituation zu erreichen, um dafür zu sorgen, daß man nicht weiteres Salzwasser durch eine ungeschickte, nicht nachhaltige Förderung heranzieht. Also wurden einige Brunnen dieses Wasserwerkes geschlossen und andere Förderstellen in anderen Regionen neu gebaut, um den Bereich, in dem schon Salzwasser nach oben gekommen ist, zu entlasten und letztendlich langfristig dafür zu sorgen, daß in den ehemals gefährdeten Gebieten die Salz-/Süßwassergrenze langsam wieder nach unten absinkt. Die Trinkwasserförderung wurde über eine insgesamt größere Fläche verteilt, um dieses Problem auch nicht anderswo wieder heraufzubeschwören.

SB: Woher kommt das Salzwasser in Lübeck, ist das noch Tiefenversalzung oder kommt es schon aus dem Küstenbereich?

BN: In Lübeck kommt das eindringende Salzwasser aus der Ostsee, aber das ist nur ein Beispiel aus der Praxis. Man könnte auch andere Beispiele nennen. Auch in Hamburg wurden aufgrund von Versalzung Wasserwerksbrunnen geschlossen. Dort spielte dann vermutlich eher die Untergrundversalzung eine Rolle.

JM: In Hamburg stehen derzeit sieben von sechzehn Wasserwerken unter ständiger Beobachtung, weil das Risiko einer sogenannten geogenen Versalzung gegeben ist. Dort gibt es Salzstöcke, die sich an Schwachstellen durch das Gestein nach oben schieben können und dann in Bereichen, in denen sie von Grundwasser umströmt werden, Kissen oder Dome aus salzhaltigen Mineralien bilden. Diese Risikobereiche werden von einer Gruppe von Wissenschaftlern und Ingenieuren ständig überwacht, um gegebenenfalls Maßnahmen anzuordnen. Wie gesagt, sind das vor allem Konzeptanpassungen - sprich Förderraten und Brunnenstandorte -, die Hauptinstrumente oder Stellschrauben, die man hierfür hat.

Unscheinbarer, einfacher Metalldeckel im Boden mit dem eingeprägten Hinweis und einem vervielfachten Schreibfehler in Ermangelung eines Großbuchstabens im alten Alphabet: GRUNDWASSERMEBSTELLE. - Foto: 2007 by Nightflyer [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Es gibt sie schon lange ...
Eine Grundwassermeßstelle zwischen den beiden Gleisen des ehemaligen Bahnhofs Edendorf in Itzehoe
Foto: 2007 by Nightflyer [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

BN: Ein wichtiger Punkt sind auch Grundwassermeßstellen. Das sind praktische Probebrunnen, an denen man die Grundwasserbeschaffenheit und auch die Grundwasserstände, also die Entwicklung des Grundwassers, beobachten kann. In Schleswig-Holstein gibt es ungefähr 300 offiziell eingerichtete Grundwassermeßstellen und dort wird ständig die Grundwasserbeschaffenheit beobachtet. [5] Auf diese Weise werden kleine Veränderungen sofort bemerkt, so daß man entsprechend darauf reagieren und seine Förderstrategien anpassen kann.

SB: Werden dort auch andere Wasserqualitätswerte überprüft, chemische Parameter oder die Nitrat-Belastung zum Beispiel?

BN: Natürlich, für die Überwachung und Beurteilung des chemischen Zustands des Grundwasserkörpers sind solche Meßstellen genauso gedacht wie zur Beobachtung der Süß-/Salzwassergrenze.

SB: Wie wird das gemacht? Werden dort regelmäßig Wasserproben gezogen und auf ihre Qualität überprüft?

BN: Ja, zum größten Teil sind das analytische Verfahren, die man verwendet. Durch Leitfähigkeitsmessung läßt sich aber ebenfalls der Zustand der Versalzung erkennen. Dafür gibt es speziell eingerichtete Meßstellen. Im Moment werden aber vor allem Analysen durchgeführt: also Wasserprobe nehmen, ins Labor geben und gucken, wie die Werte aussehen.

SB: In Ihrer Presseinfo wurde auch von Fernbeobachtung gesprochen?

BN: Ja, auch die wird eingesetzt. Während aus Bohrungsdaten detaillierte, punktuelle Informationen gewonnen werden können, eignen sich geophysikalische Messungen für flächenhafte Untersuchungen. Darüber kann Ihnen Frau Wiederhold als Geophysikerin wesentlich mehr sagen. Mit meinen einfachen Worten: Wenn man Salz löst, werden elektrisch geladene Natrium- und Chlorid-Ionen frei, die den elektrischen Widerstandes der Gesteinsschichten im Grundwasserbereich herabsetzen. Je nachdem, wie bei der Messung dann die Widerstandsverteilung ausfällt, kann man, wenn man die Zusammensetzung der Erdschichten kennt, daraus schließen, wie die Salzgehalte im Untergrund sind. Und so was haben wir zum Beispiel auch auf Föhr gemacht.

Ein sogenanntes Peilrohr ragt aus dem Boden heraus. Es ist mit einem Klappdeckel verschlossen. Der obere Rand des Deckels ist ein Bezugsparameter für den Wasserstand. - Foto: 2007 by Johann H. Addicks -jha- [at] the German language Wikipedia [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Voraussetzung für alle Maßnahmen ist die Überwachung
Moderne Grundwassermeßstelle
Foto: 2007 by Johann H. Addicks -jha- [at] the German language Wikipedia [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons


Küstenschutz vor Wasserschutz?

SB: Im Generalplan Küstenschutz des Landes Schleswig-Holstein, d.h. der Fortschreibung 2012 des Landes Schleswig-Holstein, wird das Thema Salzwasser nur in Zusammenhang mit Salzwiesen und Salzstöcken angesprochen, aber das Hauptthema der heutigen Tagung, die Salzwasserintrusion taucht dort nicht auf. Ist das so, weil mit diesem Problem erst in Zukunft, also mit zunehmender Erderwärmung als eine Folgeerscheinung des Klimawandels gerechnet wird?

BN: Der Generalplan Küstenschutz hebt natürlich nicht auf die Wassergewinnung ab, sondern da geht es vor allem um den Küstenschutz, das heißt um Deichbau und andere Baumaßnahmen. Das Thema Grundwasser ist eigentlich gar nicht Inhalt dieses Planes. Insofern taucht es da auch nicht auf.

JM: Ich habe mich vor kurzem mit den Niederlanden beschäftigt, auch dort kommt zuerst der Küstenschutz, also der Schutz vor der Flut, Deichmaßnahmen, Schutz der Köge, der Polder und dann kommt der Schutz des Trinkwassers vor Salzwasserintrusion und dergleichen. Natürlich sind es integrative Konzepte, das heißt, wenn man eine Maßnahme des Küstenschutzes durchführt, werden gleichzeitig natürlich auch die Belange in Bezug auf unsere Süßwasserressourcen berücksichtigt, aber die Prioritäten, auch was die finanziellen Ressourcen bei dem großen Masterplan in den Niederlanden angeht, sind doch ganz klar gesetzt.

Mit SWIM möchten wir ja auch einen Beitrag leisten, daß die Gefahr der Versalzung mehr wahrgenommen wird und die Gesamtproblematik eine höhere Relevanz erhält, als es zur Zeit der Fall ist. Denn viele Entscheidungsträger, wie es der Bürgermeister von Husum selbst in seiner Begrüßung offen zugegeben hat, kennen das Phänomen gar nicht. Herr Schmitz hat sich inzwischen aktiv damit auseinandergesetzt und als wir ihn besucht haben, war er ein Diskussionspartner. Das ist schon ein Erfolg. Hier ist jetzt ein Entscheidungsträger mit diesem Thema vertraut und kennt das Risiko. Es geht ja auch um die Trinkwasserversorgung der Husumer Bevölkerung. Das hat SWIM nun schon bereits zustande gebracht und darüber freuen wir uns gemeinsam mit dem Bürgermeister.

SB: Was streben Sie zum Ende dieser Tagung an? Werden Sie gemeinsame Beschlüsse fassen und wen werden Sie über die Ergebnisse dieser Tagung informieren?

BN: Wir sind ja keine staatliche Institution. Deswegen können wir keine Beschlüsse fassen, sondern wir können hier bei dieser Tagung nur die Arbeitsergebnisse darstellen, die wir ganz sicher auch erreichen. Von daher verstehen wir uns ein bißchen als das wissenschaftliche Gewissen, das die notwendigen Informationen an die Personen weitergibt, die dann konkret handeln können.

HW: Für die Teilnehmer der Tagung werden wir die Proceedings, also kurze Beiträge von etwa vier Seiten zu den einzelnen Fachbeiträgen, auch ins Internet stellen, so daß man sich über die wissenschaftlichen Ergebnisse informieren kann. Und möglicherweise soll auch ein Sonderband über diese Tagung in einer Fachzeitschrift erscheinen. Darüber verhandeln wir noch.

JM: Wichtiger als ein Beschluß oder Endergebnis ist uns aber, einen dynamischen Informationsfluß in Gang gesetzt zu haben. Und wenn Sie sich hier unter die Teilnehmer mischen, die eine Tasse Kaffee zusammen trinken - da laufen überall Gespräche. Erfahrungen werden ausgetauscht: 'Wie ist das denn bei euch gewesen?' - 'Was hast du denn bei dem Problem für eine Erfahrung gemacht, wie hat dieses oder jenes Modell bei euch funktioniert?' Oder auch: 'Hast du nicht Lust, bei uns im Projekt mitzuarbeiten?' Oder: 'Dafür sollten wir in Verbindung bleiben'... Sie finden allein in den Kaffeepausen hier einen Marktplatz von Initiativen. Darüber hinaus hat das, was die 160 Wissenschaftler hier gemeinsam auf der horizontalen Ebene machen, auch Einfluß auf die Vertikale, sprich: vom einfachen Menschen, der morgens an den Wasserhahn geht, um seinen Kaffee zuzubereiten, bis zum Politiker, der in seinem Zuständigkeitsbereich Entscheidungen trifft und Rahmenbedingungen setzt. Darauf, auf beiden Vernetzungswegen - horizontal und vertikal - bereits etwas in Bewegung gebracht zu haben, sind wir als Initiatoren auch ein bißchen stolz.

SB: Vielen Dank für das informative Gespräch.

Einblick in das Foyer des Husumhus, in dem sich gerade einige Teilnehmer in Gesprächsgruppen zusammenfinden. - Foto: © 2014 by Schattenblick

Die Kaffeepausen: ein Marktplatz von Initiativen
Foto: © 2014 by Schattenblick


Anmerkungen:

[1] Nachdruck aus GMIT, Geowissenschaftliche Mitteilungen Heft Nr. 52 (Juni 2013), Im Fokus: "Salzwasserintrusion - Gefahr für unser Trinkwasser?" von Helga Wiederhold und Jörg Elbracht, abrufbar auf der Seite:
http://www.swim23.com/

[2] SWIM Organisationskomitee:
Johannes Michaelsen (CONSULAQUA, Hamburg)
Broder Nommensen (Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein - Geologischer Dienst (LLUR), Flintbek)
Helga Wiederhold (Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG), Hannover)
Jörg Elbracht (Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), Hannover)
Klaus Hinsby (Geological Survey of Denmark and Greenland (GEUS), Kopenhagen)
Wilfried Schneider (Technische Universität Hamburg Harburg)
Renate Taugs (Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt - Geologischer Dienst, Hamburg)
sowie die Federal University Rio de Janeiro (Organisation 2012) und die Flinders University Adelaide in Australien (Organisation 2016)

[3] Zum 23. Salt Water Intrusion Meeting im Husumhus sind bisher in den Pools
INFOPOOL → UMWELT → REPORT → BERICHT
und
INFOPOOL → UMWELT → REPORT → INTERVIEW
unter dem kategorischen Titel "Indikator Salz" ein Bericht über das Expertentreffen und ein Interview mit Prof. Hans von Storch erschienen.

BERICHT/081: Indikator Salz - eingekreist und nicht geflohen (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0081.html

INTERVIEW/119: Indikator Salz - Sachlicher Leisten rührt noch am meisten ... Prof. Hans von Storch im Gespräch (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0119.html

[4] Die geogene oder Tiefenversalzung ist eine Grundwasserversalzung, die im Binnenland auftreten kann, wenn durch das zirkulierende Grundwasser salzhaltiges Gestein abgelaugt wird. Eine Quelle dieser Tiefenversalzung stellen die in Schleswig-Holstein weit verbreiteten Salzstöcke (bestehend aus Salz, Gips und Tonen) dar. Diese sind im Laufe der Erdgeschichte aus großer Tiefe aufgestiegen, einige davon bis in unmittelbare Nähe zum Grundwasser (siehe auch Bericht/081 [3]).

[5] Um Beeinträchtigungen des Grundwassers rechtzeitig erkennen zu können, unterhält das Land Schleswig-Holstein Meßnetze und etwa 300 Grundwassermeßstellen zur Ermittlung des mengenmäßigen und des chemischen Zustands. Drei Viertel davon dienen der Überwachung des Hauptgrundwasserleiters und ein Viertel erfaßt die tiefen Grundwasserleiter.

http://www.schleswig-holstein.de/UmweltLandwirtschaft/DE/WasserMeer/10_Grundwasser/02_Grundwasserbeschaffenheit/02_Grundwassermessnetze/ein_node.html

10. Juli 2014