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INTERVIEW/150: Klimarunde, Fragestunde - defensiv zur Sicherheit ...    Prof. Jürgen Scheffran im Gespräch (SB)


Climate Engineering Conference 2014: Critical Global Discussions

Scandic Hotel, Berlin, 18. - 21. August 2014

Prof. Jürgen Scheffran über einen differenzierten Sicherheitsbegriff, das Konfliktpotential des Klimawandels und die Frage, ob Militär und Wirtschaft Interesse an Geoengineering haben



Prof. Jürgen Scheffran zählt zu den wenigen Wissenschaftlern in Deutschland, die sowohl ein Standbein in den Naturwissenschaften als auch in der Friedens- und Konfliktforschung haben. Seit August 2009 ist er Professor für Klimawandel und Sicherheit im Fachbereich Geographie des KlimaCampus der Universität Hamburg. Davor hatte er fünf Jahre lang in verschiedenen Funktionen an der Universität von Illinois in Urbana-Champaign gelehrt und geforscht. Zwischen 2001 und 2004 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Beim Interview - Foto: © 2014 by Schattenblick

Prof. Jürgen Scheffran
Foto: © 2014 by Schattenblick

Zugleich ist Prof. Scheffran Mitbegründer des International Network of Engineers and Scientists Against Proliferation (INESAP), das im Jahr 2000 den Göttinger Friedenspreis erhalten hat, und Mitglied im Council des International Network of Engineers and Scientists for Global Responsibility (INES). Außerdem sitzt er im Beirat der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW), die 1959 von einer Gruppe Atomwissenschaftler gegründet worden war, die sich als "Göttinger 18" öffentlich gegen eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr ausgesprochen hatten.

Auf der "Climate Engineering Conference 2014: Critical Global Discussion", zu der das IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) vom 18. bis 21. August 2014 nach Berlin eingeladen hatte, leitete Prof. Scheffran gemeinsam mit Achim Maas von der IASS die Session "Risks and Conflict Potential of Climate Engineering" (Risiken und Konfliktpotential von Climate Engineering). Im Anschluß an die Session beantwortete Prof. Scheffran dem Schattenblick einige Fragen.


Schattenblick (SB): In der Session zum Thema Risiken und Konfliktpotential des Climate Engineering, an der Sie als Referent teilgenommen haben, wurde die Frage aufgeworfen: "What kind of security?" Ich möchte die Frage an Sie weiterreichen, denn angesichts der politischen Spannungen in der Welt wird es deutlich, daß jede Regierung einen anderen Sicherheitsbegriff hat. Wie definieren Sie Sicherheit?

Prof. Jürgen Scheffran (JS): Die Sicherheit wird immer von den Akteuren definiert, die betroffen sind. Wenn man Staaten nimmt, dann sprechen die von nationaler Sicherheit und dann ist alles, was sozusagen die Institutionen gefährdet, auch eine Sicherheitsbedrohung, inklusive der militärischen Bedrohung. Aber auch die Beeinträchtigung der Gewaltmonopols etwa stellt für einen Staat eine Bedrohung dar. Wenn man die menschliche Ebene nimmt, dann kann jedes Individuum in seiner Existenz gefährdet sein, und dann spricht man in der Regel von menschlicher Sicherheit - wenn also wesentliche Werte von Individuen beeinträchtigt werden, inklusive des Verlustes von Menschenleben und der Gesundheit. Es gibt aber auch die Möglichkeit, von internationaler Sicherheit zu sprechen, wenn das Staatensystem in seiner Wechselwirkung und die internationalen Beziehungen gefährdet sind, oder auch von ökonomischer Sicherheit, wenn es um die Bedrohung von ökonomischen Systemen geht.

SB: Heißt das, daß es keinen übergreifenden Sicherheitsbegriff gibt und dieser immer differenziert werden muß?

JS: Nein, die Gemeinsamkeit ist letztlich die Bedrohung von bestimmten Werten für bestimmte Akteure.

SB: In der Wissenschaft wurde in den Jahren 2009, 2010 eine Debatte über die Frage begonnen, ob ein Zusammenhang zwischen Klimawandel und Konflikten nachweisbar ist. An der Debatte waren unter anderem auch Sie beteiligt. Wie kommt es zu so unterschiedlichen Bewertungen?

JS: Es kommt daher, daß verschiedene Daten zugrunde gelegt werden. Jede wissenschaftliche Frage ist ja auch aus einem bestimmten Interesse her abgeleitet. Wenn man zum Beispiel zeigen möchte, daß Klimawandel zu Gewaltkonflikten führt, konzentriert man sich möglicherweise auf die Daten, die die eigene These stützen. Wenn man dagegen zeigen möchte, daß Klimawandel keinen Einfluß auf Gewaltkonflikte hat, kann man sich nur auf die Daten beschränken, die die eigene Ansicht bestätigen. Die Frage ist nun, ob es letztlich eine übergeordnete Instanz gibt, die alle Daten auswertet und zeigt, unter welchen Bedingungen Klimawandel zu Konflikten führt oder nicht. Denn es gibt ja Studien, die das gezeigt haben, und es gibt Studien, die das nicht gezeigt beziehungsweise die keinen signifikanten Zusammenhang gefunden haben. Deswegen ist die Crux bei der gesamten Diskussion eigentlich, das als universelle These anzusehen, und da denke ich, kann man nicht sagen, daß Klimawandel universell zu Gewaltkonflikten führt. In bestimmten Regionen, in bestimmten historischen Kontexten für bestimmte Ressourcen, in Verbindung mit anderen Faktoren führt er zu Konflikten und in anderen Fällen nicht.

SB: Läßt sich ein Beispiel für einen aktuellen Konflikt oder einen aus der jüngeren Zeit nennen, von dem Sie sagen würden, daß das Klima einen nennenswerten Einfluß darauf ausgeübt hat?

JS: Es wurden schon mehrere Konflikte als Klimakonflikte charakterisiert, beispielsweise der Darfur-Konflikt in Sudan. Da gibt es Elemente, die durch Ressourcen und klimatische Variablen beeinflußt werden, zum Beispiel das Verhältnis zwischen Bauern und Nomaden. Allerdings haben diese beiden gesellschaftlichen Gruppen in der Vergangenheit immer wieder Konfliktlösungsmöglichkeiten gefunden, indem sie zum Beispiel bestimmte Regeln aufstellten, wann die Nomaden durch die Felder der Bauern ziehen dürfen und wann nicht.

Nun wurde dieses Regelwerk durch den Gewaltkonflikt zwischen der Regierung und den Rebellen gestört. Das Verhältnis der gesellschaftlichen Gruppen ist durch die staatliche Frage sozusagen transformiert worden, insbesondere durch die Separation von Südsudan, wobei hier die Ölressourcen ein wichtiger Faktor waren. Natürlich wird das Verhältnis der gesellschaftlichen Gruppen, das auch von klimatischen Variablen geprägt ist, viel stärker durch solch eine politische Konstellation beeinflußt. Ähnliches kann man für Konflikte in Kenia und anderen Ländern aufzeigen: Umwelt ist ein Faktor, wenngleich es schwer ist zu sagen, wie groß sein Anteil an den Konflikten ist.

SB: Sind neben den Voraussetzungen von Konflikten auch deren Lösungen Bestandteil Ihrer geographischen Forschungen?

JS: Ja, Konfliktlösungen, Kooperationen und die Frage, unter welchen Bedingungen sie entstehen. Denn die Menschheit könnte gar nicht existieren, wenn sie sich nur in Kriegen und Konflikten entwickelt hätte. Dann wären die Kosten, Schäden und Opfer einfach zu groß. Von daher bringt, evolutionär gesehen, Kooperation einen Vorteil.

Der Zeitraum 1950-1970 war ungewöhnlich feucht, der Zeitraum 1970 bis 1990 extrem trocken. - Diagramm: Benedikt.Seidl, freigegeben als gemeinfrei via Wikimedia Commons

Abweichung der Niederschlagsmenge vom Mittelwert des 20. Jahrhunderts in der Sahelzone. Die Balken unterhalb der Nullinie zeigen, daß die Niederschlagsmenge ab Ende der 1960er Jahre deutlich abgenommen hat. Diagramm: Benedikt.Seidl, freigegeben als gemeinfrei via Wikimedia Commons

SB: Im Oktober dieses Jahres wird der Synthesebericht des 5. Sachstandsberichts des Weltklimarats veröffentlicht. Inwiefern wird in diesem Bericht oder den ihm vorausgegangenen drei Teilberichten der Problembereich Klimawandel und Sicherheit thematisiert?

JS: Im wesentlichen von der Arbeitsgruppe 2 zu Anpassung und Vulnerabilität, also der Verwundbarkeit, und zwar im Kapitel 12, das sich mit humaner Sicherheit beschäftigt, und Kapitel 19, wo verschiedene Risiken, insbesondere Gewaltkonflikte, in den Blick genommen werden. Die beiden Kapitel kommen teilweise zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das zu humaner Sicherheit ist etwas vorsichtiger hinsichtlich des empirisch nachgewiesenen Zusammenhangs formuliert, während das Kapitel zu den Risiken etwas dramatischer ausgefallen ist.

SB: Sie kommen bei Ihrer Arbeit vermutlich häufiger mit Regierungsvertretern zusammen. Wie ist Ihr persönlicher Eindruck, werden von seiten der Politik die unterschiedlichen Sicherheitsbedürfnisse von Menschen, von Regionen oder von anderen Regierungen wahrgenommen und berücksichtigt oder sehen Sie da manchmal noch Nachholbedarf?

JS: Das hängt ganz von der Abteilung innerhalb der Regierung ab. Wenn man zum Beispiel das Außenministerium nimmt, so hat das andere Interessen als das Verteidigungsministerium oder das Innenministerium. Noch wieder anders sieht das das Wirtschaftsministerium. Die haben ganz andere Schwerpunkte. Es gibt auch den Begriff der Inneren Sicherheit, der ganz anderes ausfällt als der der äußeren Sicherheit. Die Ministerien kommen dann zu unterschiedlichen Ergebnissen gerade auch bei der Bewertung von Klimawandel.

SB: Vor einigen Jahren pflanzte Rußland eine Flagge in den Meeresboden am Nordpol. In den Medien wurde die Diskussion aufgebracht, daß die Arktis zu einem neuen Konfliktgebiet werden könnte. Nun scheint sie sich aber als politisch stabil zu erweisen, denn trotz der Ukrainekrise wollen Rußland und die USA dort gemeinsam Öl fördern. Wie kommt diese Stabilität zustande?

JS: Ich würde nicht von Stabilität sprechen. Das liegt einfach daran, daß die Entdeckung neuer Vorräte die Frage aufwirft, wem sie gehören und innerhalb welcher nationalen Grenzen sie liegen. Da gibt es schon Differenzen in der Grenzziehung zwischen den USA, Kanada, europäischen Staaten und Rußland. Und Rußland wollte mit der Aktion symbolisch dokumentieren, daß es Teil dieses "Spiels" um die Ressourcen ist.

Nun ist Rußland kapitalistisch geprägt wie die anderen Länder auch. Das heißt, da spielen private Interessen eine massive Rolle, und diese privaten Firmen sind oftmals grenzüberschreitende Konzerne. Denen ist es egal, ob sie in Rußland Gewinn machen oder in Europa. Von daher haben diese Unternehmen zunächst einmal Interesse an der Ausbeutung der Ressourcen und nicht unbedingt daran, das Problem kriegerisch zu lösen. Aber die Konfliktlage kann in Zukunft weiter verschärft werden, weil das Verhältnis zwischen Rußland und dem Westen angespannter wird, und da ist dann die Ressourcenfrage neu zu stellen.

SB: In der heutigen Session hat der britische Wissenschaftler Nightingale [1] die These vertreten, daß das Militär ein massives Interesse daran hat, Geoengineering zu betreiben. Gibt es denn schon Hinweise konkreterer Art darauf, daß die Manipulation des Klimas ebenso wie die des Wetters das Interesse des Militärs geweckt hat? Wurden dazu schon Forschungsberichte aus dem militärischen Bereich öffentlich gemacht?

JS: Ich denke, das Militär verhält sich zunächst einmal abwartend und vorsichtig. Es existieren Berichte, wonach über die mögliche Gefahrenlage Informationen zusammengezogen werden sollen, um politische Entscheidungen vorzubereiten. Das Militär denkt generell in zukünftigen Risiken, Gefahren und Bedrohungen, die es zunächst einmal verstehen will. Das heißt nicht, daß das Militär sich selbst schon als Lösung all dieser Probleme ansieht.

Das Militär selbst ist prädestiniert für die Entwicklung und den Einsatz von Gewaltmitteln. Die Frage lautet nun: Welche Gewaltmittel können zusammen mit Climate Engineering zum Einsatz kommen? Und da gibt es einige Technologien - Flugzeuge, Raketen, Schiffe, vielleicht sogar Satelliten -, die als Teil des komplexen Gesamtsystems von Climate Engineering eine Rolle spielen und vom Militär verwendet werden könnten. Aber das könnte möglicherweise auch an private Unternehmen, die Auftragnehmer vom Militär sind, ausgelagert werden.

SB: Bei dieser Konferenz sind aus verschiedenen Weltregionen Geoengineering-Experten zusammengekommen, die sicherlich unterschiedliche Interessen haben und unterschiedliche Schlußfolgerungen ziehen. Rechnen Sie damit, daß irgendwo in der Welt in Zukunft Geoengineering im Sinne von Solar Radiation Management - SRM - betrieben wird?

JS: Allgemein sind SRM-Technologien, die auf das Management der Sonneneinstrahlung zielen, nicht sehr hoch angesehen, weil sie mit vielen Unsicherheiten, Unwägbarkeiten und auch Risiken verbunden sind. Aber viele Experten sind der Ansicht, daß es die wirksamste Technologie ist - wirksam, aber auch riskant. Die Frage ist nun, wie eine Weltsituation aussehen muß, damit relevante Akteure dieses zusätzliche Risiko in Kauf nehmen. Letztlich läuft das somit auf eine Risikoabwägung hinaus. In der jetzigen Situation ist das Risiko nicht hoch genug, um diese Technologien für sich zu implementieren. Aber teilweise werden sie zumindest erforscht. Wobei andere Technologien, die aufgrund der geringeren Risiken eine höhere Akzeptanz erreichen, wie zum Beispiel das Anpflanzen von Wäldern und die Produktion von Biomasse, einen Vorteil haben.

Kartenprojektion des Nordpolarmeeres mit dem Nordpol im Zentrum und davon ausgehend farblich voneinander abweichenden Sektoren der Anrainerstaaten Rußland, USA, Kanada, Dänemark und Norwegen - Karte: rdb, freigegeben als CC BY-SA 3.0 [http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/] via Wikimedia Commons

Vorschlag zur sektoralen Aufteilung des Nordpolargebietes zwischen den Anrainerstaaten. Die Hoheitsrechte über den größten Teil der Arktis sind nach dem Internationalen Seerechtseinkommen geregelt und gehören zu den Ausschließlichen Wirtschaftszonen der Anrainerstaaten. Nur im unmittelbaren Bereich des Nordpols gibt es ein kleines Gebiet, das von mehreren Staaten beansprucht wird.
Karte: rdb, freigegeben als CC BY-SA 3.0 [http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/] via Wikimedia Commons

SB: Sie hatten in Ihrem Vortrag ungefähr 20 offene Fragen zum Climate Engineering gestellt. Stellt sich angesichts so großer Unsicherheiten nicht die Frage, ob das Risiko insgesamt zu groß ist, als daß man sich überhaupt weiter damit beschäftigen sollte?

JS: Ja, aber was heißt "beschäftigen"? Beschäftigen kann vieles heißen, beispielsweise darüber nachdenken, Modelle entwickeln, Meßapparaturen installieren oder selbst schon kleine Experimente durchführen. Die Frage des Beschäftigens ist sehr weit gefaßt. Was wir jetzt machen, darüber zu reden und zu denken - auch ein Journalist denkt darüber nach -, ist das schon Beschäftigung? Ist das schon riskant? Man gewöhnt sich natürlich schon an gewisse Dinge. Wenn man dreißigmal auf einer Konferenz darüber nachgedacht und sich mit anderen Wissenschaftlern ausgetauscht hat, gewöhnt man sich an den Gedanken, daß das irgendwann existiert. Und damit gibt es einen schrittweisen Übergang von dem Gedachten zum Realisierten, mit allen möglichen Grauzonen dazwischen.

SB: Sie haben eine Zeitlang in den USA geforscht und gelehrt und kennen vermutlich die amerikanische Mentalität des In-die-Hände-Spuckens und Anpackens genauer. Wissen Sie, wie konkret Geschäftsmodelle in Verbindung mit Geoengineering bereits gediehen sind?

JS: Im Moment ist noch nicht viel Geld damit zu holen. Ich schätze es eher so ein, daß bestehende Unternehmen ihren jeweiligen Produktionszweig in der Richtung weiterentwickeln würden, wenn es ihnen Gewinnperspektiven eröffnet. Am weitesten gediehen sind solche Vorhaben vielleicht bei der Bioenergie und der Biotreibstoffproduktion. Da gibt es ein großes Unternehmen in Illinois, das versucht, das mit Carbon Capture and Sequestration [2] zu verknüpfen. Ein bereits bestehender Unternehmenszweig macht dann Pilotprojekte, um Kohlenstoff unterirdisch zu speichern. So kann natürlich sukzessive eine Infrastruktur entstehen. Das gleiche gilt für andere Technologien, zum Beispiel wenn man erforscht, wie bestimmte Substanzen im Ozean auf das Ökosystem wirken oder auch auf die Bodenstruktur an Land. Da wird also sukzessive die eigene Expertise ausgebaut. Das macht eigentlich jeder, der sich mit Climate Engineering beschäftigt. Er geht von dem Bestehenden aus und bewegt sich in diese Richtung weiter.

SB: In der Session vorhin wurde über die Frage diskutiert, ob in Zukunft China und die USA auf dem Gebiet des Climate Engineerings zusammenarbeiten oder nicht. Die Europäische Union, so wurde konstatiert, werde dann nur Zaungast sein. Warum wäre das ein Problem, wenn die EU nicht an vorderster Stelle mitmischte?

JS: Die EU setzt weiterhin sehr stark auf die Vermeidung von Emissionen und möchte diese Politik auch nicht aufgeben. Gleichzeitig will sie sich nicht alle Perspektiven der Zukunft verbauen, wenn andere Länder jetzt auf Climate Engineering setzen würden. Die EU würde sicherlich noch eine ganze Weile dagegen argumentieren - aus gutem Grund -, daß Climate Engineering implementiert wird. Das läßt andere Länder dann zögern, denn die EU ist ein mächtiger Akteur. Ich sehe aber nicht, daß die USA, Rußland oder China jetzt schon stark vorpreschen. Deswegen kann die EU ruhig in einer Wartehaltung bleiben und schauen, wie sich das Ganze entwickelt.

SB: Wobei es innerhalb der EU durchaus große nationale Unterschiede zu geben scheint. Die Briten haben mit ihrem SPICE-Projekt [3] schon einen Schritt voran gemacht, sind aber wieder zurückgekehrt. In Deutschland gibt es Wissenschaftler wie Prof. Schellnhuber [4], der sich deutlich dagegen ausgesprochen hat. Er sagt, es sollte um Klimaschutz- und -anpassung sowie um Energieeffizienz gehen. Demnach ist die EU kein einheitlicher Block.

JS: Nein, das ist sie nicht, aber es wird dazu sicherlich so etwas wie einen Vereinheitlichungsprozeß geben.

SB: Mit Climate Engineering befassen sich verschiedene Forschungsrichtungen. Sie selbst forschen zu Klimawandel und Konflikten, andere beispielsweise zu Modellen, wieviel CO2 der Atmosphäre entzogen werden muß, um die Erderwärmung zu stoppen. Wie läuft die Kommunikation mit Forschern jenseits des eigenen Tellerrands?

JS: Die kommt in Gang. Das sind ja alles auch wieder eigene Communities, selbst zu jeder einzelnen Technologie. Da kennen sich die Leute untereinander natürlich besser, das gilt auch für die Konfliktforscher oder die Ökonomen. Hier auf der Konferenz ist natürlich einmal eine Gelegenheit, bei der die Vertreter der verschiedenen Fächer zusammenkommen und an den gleichen Sitzungen teilnehmen.

Es ist immer auch ein Kommunikationsproblem. Die Ökonomen und die Soziologen und die Geographen, die haben alle ihre eigene Sprache, ihr eigenes Wissenschaftssystem im Kopf. Sie verstehen einander nicht immer. Aber man muß einfach auch die Sprache der anderen Disziplinen lernen, damit man zusammenarbeiten kann. Das gilt jetzt nicht nur für dieses Thema!

SB: Nein, sicherlich nicht. Herr Scheffran, vielen Dank für das Gespräch.

Kurvendiagramm der Aerosolanteile der Atmosphäre von 1981 bis 2005. Hohe Aerosolwerte durch Vulkanausbrüche des El Chichon (1982) und Pinatubo (1991) - Grafik: Michael Mishchenko, NASA

Die Sonneneinstrahlung reflektierenden Aerosole haben weltweit seit dem Ausbruch des philippinischen Vulkans Pinatubo 1991 abgenommen (rote Linie). Auswertung von Satellitendaten im Rahmen des Global Aerosol Climatology Project.
Ein an den natürlichen Vulkanismus angelehntes, theoretisches Konzept zum Climate Engineering sieht vor, den Aerosolanteil der Atmosphäre künstlich zu erhöhen, um einen Abschattungseffekt zu erzeugen. Die Unsicherheiten dieses Solar Radiation Managements (SRM) werden von Wissenschaftlern als sehr hoch eingeschätzt.
Grafik: Michael Mishchenko, NASA


Fußnoten:


[1] Prof. Paul Nightingale, University of Sussex. Er hielt den Vortrag: "The Security Implications of Geoengineering. Blame and Critical Infrastructure." (Die Sicherheitsimplikationen von Geoengineering: Schuld und kritische Infrastruktur)
Ein Schattenblick-Interview mit dem Referenten folgt in Kürze.

[2] Carbon Capture and Sequestration - Abfangen und Verflüssigen von Kohlenstoff aus den Kraftwerksabgasen zum Zwecke seiner Lagerung, so daß das klimawirksame Gas nicht in die Atmosphäre gelangt.

[3] SPICE Project - Stratospheric Particle Injection for Climate Engineering (Stratosphärische Partikelinjektion für Climate Engineering).
Bestandteil dieser Forschung war ein Experiment, bei dem mittels eines Ballons Wasserdampf erzeugt werden sollte, um zu erforschen, ob und wie das technisch machbar ist. Wasserdampf in der Atmosphäre könnte unter Umständen die Sonneneinstrahlung verringern, was die Erderwärmung bremsen würde, so die Vorstellung.

[4] Prof. Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung. Er hat am ersten Tag der Konferenz an einer Podiumsdiskussion teilgenommen, die den Titel trug: "Climate Politics at the Crossroads: Is Climate Engineering a Wrench in the Works or a Tool in the Toolbox?" (Klimapolitik am Scheideweg: Ist Climate Engineering Sand im Getriebe oder ein Werkzeug aus dem Werkzeugkasten?)


Zur "Climate Engineering Conference 2014" sind bisher in den Pools
INFOPOOL → UMWELT → REPORT → BERICHT
und
INFOPOOL → UMWELT → REPORT → INTERVIEW
unter dem kategorischen Titel "Klimarunde, Fragestunde" erschienen:

BERICHT/088: Klimarunde, Fragestunde - für und wider und voran ... (SB)
Ein Einführungsbericht

INTERVIEW/149: Klimarunde, Fragestunde - Hört den Wind ...  Pene Lefale im Gespräch (SB)

31. August 2014