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WALD/238: Hambacher Forst - konfliktbewußter Friedenszank ... (Michael Zobel)


Rodungsstopp im Hambacher Wald - Appell an alle Seiten

von Michael Zobel, 30. November 2017


Guten Tag zusammen,

alle Menschen rund um den Hambacher Wald, Umweltschützer, Waldbesetzer, Politiker, Kirchen, Presse, Gewerkschaften, RWE und Polizei...

Donnerstag, 30. November 2017. Rodungssaison im Hambacher Wald, 60. Tag. Nach zwei Rodungstagen zu Beginn der Woche schweigen die Kettensägen.

Das ist ein nicht für möglich gehaltener Erfolg, ein Erfolg jahrelangen Einsatzes auf allen denkbaren Ebenen. Ein Erfolg ganz vieler Menschen und vielfältiger Aktionsformen.

Und es gibt noch viel mehr Erfolge, hier eine aktuelle kurze Aufzählung:

Die Petition von Antje Grothus hat im Moment fast 58000 UnterzeichnerInnen, täglich kommen mehr als tausend dazu [1].

Es gibt eine Welle der Solidarität mit den Waldschützern im Hambacher Wald, immer mehr Menschen kommen in den Wald, bringen Lebensmittel, Wasser und sonstige Unterstützung.

Seit gestern gibt es das Solidaritätsvideo von Peter Wohlleben:
https://player.vimeo.com/video/245033213.

Es gibt vielfältige Unterstützungs-Veranstaltungen in vielen Städten, Demonstrationen, Mahnwachen, Gottesdienste.

Zum kommenden 44. Waldspaziergang am 10. Dezember haben sich schon jetzt mehrere Hundert Menschen angemeldet. Insgesamt waren bei Führungen im Hambacher Wald bisher mehr als 10300 TeilnehmerInnen dabei.

Zu den Erfolgen gehört auch die heutige aktuelle Stunde im Düsseldorfer Landtag, das Thema Hambach ist endlich in der "großen" Politik angekommen, unsere Volksvertreter müssen sich positionieren. Vielleicht schafft der Ministerpräsident das auch bald.

Die Liste der Erfolge ließe sich fortsetzen...

Wir haben so viel erreicht, wir sind unserem Ziel, der Rettung des Hambacher Waldes und dem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung so nahe gekommen wie noch nie.

Uns Allen muss klar sein, das sind nur Teilerfolge, kleine Schritte zum gemeinsamen Ziel.

Und genauso klar muss sein, wie die aktuelle Situation sich darstellt.

Es gibt Menschen auf beiden Seiten, die gerne eine ganz andere Auseinandersetzung hätten. Im Landtag gab es heute so deutlich wie nie die Stimmen, die dem Treiben der vermeintlichen Terroristen im Hambacher Wald lieber heute als Morgen ein Ende setzen würden. Politiker, die die ganz große Lösung wollen, die sofortige Räumung von Wald und Wiese. Und so besteht die groteske Situation, dass es zwar einen Rodungsstopp gibt, dass eine Räumung den Wald allerdings genauso nachhaltig zerstören würde.

Deshalb appelliere ich erneut

  • Wer, egal auf welcher Seite, in Kauf nimmt oder sogar die Absicht hegt, dass Menschen in diesem Konflikt gefährdet und verletzt werden, zerstört den Frieden in diesem Land wie RWE mit seinen Rodungen. Das gilt für Steine genauso wie für Pfefferspray.
  • Wer vordergründig sagt, das Ziel sei, den Wald zu retten - dabei aber bewusst auf unfriedliche Mittel zurückgreift und Menschen angreift, der sorgt für Spaltung bei den unterschiedlichen Akteuren des Braunkohle-Widerstands und ist mitverantwortlich, wenn die Rodungen nicht für die Braunkohle sondern aus Sicherheitsgründen erfolgen.

Seit dreieinhalb Jahren setze ich mich zusammen mit vielen anderen im Hambacher Wald ein, für die Rettung des verbliebenen Teils des einstmals größten Waldes des Rheinlandes, für den Erhalt der Lebensgrundlagen der Menschen hier und weit über die Grenzen hinaus. Für uns und nachfolgende Generationen.

In diesen dreieinhalb Jahren ist ein großes Netzwerk entstanden, vielfältige Kontakte zu unterschiedlichsten Akteuren in diesem gesellschaftlichen Konflikt. Und es gab diverse Gelegenheiten, diese Kontakte zu nutzen, um an manchen Stellen zu vermitteln, sprichwörtlich "Dampf aus dem Kessel" abzulassen.

Das werde ich natürlich nach Kräften weiter tun. Aber ich überschätze die Möglichkeiten nicht. Was ich tue, ist eine ständige Gratwanderung. Meine Meinung ist bekanntlich sehr klar, mein Einfluss ist begrenzt, instrumentalisieren lasse ich mich nicht.

Ich will weiter an friedliche Formen der Auseinandersetzung und an friedliche Lösungen für unfriedliche Themen glauben. Dafür setze ich mich ein, nicht mehr und nicht weniger.

Mit freundlichen Grüßen,
Michael Zobel
Naturführer und Waldpädagoge aus Aachen


[1] Petition:
https://weact.campact.de/petitions/hambacher-wald-retten-klimaziele-realisieren-1

*

Quelle:
Michael Zobel, 30. November 2017
Naturführer und Waldpädagoge
E-Mail: info@zobel-natur.de
Internet: www.naturfuehrung.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2017

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