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DEBATTE/014: Zugang zu Wasser muss ein Menschenrecht sein (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2014
Wer die Netze hat, hat die Macht? Infrastrukturen und Nachhaltigkeit

Nachhaltige Wasserversorgung in Deutschland
Zugang zu Wasser muss ein Menschenrecht sein

von Ulrike von Wiesenau



Die Privatisierung der Wasserwirtschaft in Deutschland rückt vor dem Hintergrund der allgemeinen Diskussion über Wettbewerbs- und Effizienzsteigerungen sowie die Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen zunehmend auf die Agenda der politischen Entscheidungsträger. In Zeiten von Finanznot und Schuldenbremse erwägen immer mehr Städte und Gemeinden den Verkauf der kommunalen Wasserbetriebe, auch das lebensnotwendige Gut Trinkwasser wird der Deregulierung und der Gewinnmaximierung privater Konzerne ausgeliefert. Für private Investoren ist Wasser ein Wirtschaftsgut wie jedes andere, und ein besonders gewinnträchtiges dazu. Auf eine dreistellige Milliardenhöhe schätzen Analysten das Potential des lukrativen Wassermarktes in der EU, der von internationalen Großkonzernen umkämpft wird.


Deutschland verfügt im internationalen Vergleich über ausgezeichnete natürliche Wasserressourcen, ein weitgefächertes Netz von Flüssen durchzieht das Land, die Quellen sind das ganze Jahr ergiebig.

Die privaten Haushalte verbrauchen immer weniger Wasser, im Jahr 2010 waren es 126 Liter pro Einwohner und Tag, die Industrie dominiert mit 83 Prozent des gesamten Verbrauchs, der Anteil der privaten Haushalte liegt bei 14 Prozent, der der Landwirtschaft bei 3 Prozent.

Entwicklung der Wasserwirtschaft in Deutschland
Die nationale Wasserwirtschaft verfügt über Anlagen für Trinkwasser und Abwasser, die sich lange in kommunaler Hand befanden. In der ersten Privatisierungswelle, die Deutschland Anfang der 1990er Jahre erfasste, kauften Investoren wie RWE, Vattenfall, EnBW, E.on und Veolia öffentliche Unternehmen auf. Um die Jahrtausendwende sind an die Stelle der klassischen Vollprivatisierungen die Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) (»Public Private Partnership« (PPP)) getreten, eine neue Version der öffentlichen Enteignung. Sie wird von der deutschen Regierung, der Europäischen Union, vom Internationalen Währungsfonds, von Investoren und Banken propagiert. Dem sind, gerade in Deutschland, viele Städte aufgrund finanzieller Engpässe gefolgt.

Mittels politisch erzeugter Finanznot und »Schuldenbremse« wurden die Kommunen zum Anteils-Verkauf öffentlicher Unternehmen beziehungsweise zu Verträgen nach dem ÖPP-Modell gedrängt.

Besonderheit der Wasserwirtschaft
Begründet wird die Privatisierung der kommunalen Wasserwirtschaft mit einer besseren Effizienz sowie mit geringeren Wasser- und Abwassergebühren für die Wasserkunden. Privatisierungsbefürworter vertreten die These, dass Wasser ein Konsumgut wie jedes andere sei und darum dem Wettbewerb unterworfen werden müsse. Doch in der Wasserwirtschaft kann es - anders als in den Sektoren Strom und Telekommunikation - keinen Wettbewerb geben, da es sich um ein natürliches Monopol handelt. Wird mit einer Liberalisierung die Konzession an einen privaten Wasserkonzern vergeben, ist die Kommune, die die Konzession verkauft hat, für eine Vertragslaufzeit von zumeist 30 Jahren an den Vertragspartner gebunden. Private Investoren unterliegen dem Prinzip der Gewinnmaximierung und haben deshalb naturgemäß kein Interesse an kostenaufwändigen Betrieben im ländlichen Raum und kein Interesse am aufwändigen Erhalt der Rohrleitungs- und Kanalsysteme.

Lohnabbau und Verlust von Fachwissen
Global agierende Infrastrukturkonzerne, die von international operierenden Investmentfonds kontrolliert werden, unterwerfen die Wasserbetriebe dem rigiden Diktat der Gewinnmaximierung, zu Lasten der Beschäftigten sowie zu Lasten der Ökologie und der Qualität der Trinkwassergewinnung. Die globalisierte Privatisierung der kommunalen Wasserwirtschaft hat einen massiven Abfluss von Ressourcen aus der Region zur Folge: Die Wasser- und Abwassergebühren kommen nicht mehr den Kommunen zugute, sondern fließen in die Zentralen der internationalen Wasserkonzerne, die dann ihre Maximen der kommunalen Wasserpolitik vorgeben. Die von den privaten Investoren angestrebten »Effizienzsteigerungsgewinne« münden in Entlassungen, in Lohndumping und Outsourcing. Der zumeist »sozialverträgliche« Abbau älterer MitarbeiterInnen mit einem großen Fachwissen und die mangelnde, weil teure Ausbildung von Nachwuchskräften schwächt die Qualität des Infrastrukturerhalts und somit die Zukunftsfähigkeit der Betriebe. Zu gleicher Zeit minimieren die zahlreichen von den Konzernen finanzierten Stiftungslehrstühle, wie beispielsweise die Stiftungsprofessur Wasserwirtschaft von Veolia an der TU Berlin, die Kritik an den Bewirtschaftungsmodellen der Sponsoren.

Kein Umweltschutz und Demokratieverlust
Auch Ökologie und Naturschutz werden durch den Betrieb von Wasserwerken und die Ausweisung von Natur- und Wasserschutzgebieten sowie durch den geförderten Öko-Landbau in Wassereinzugsgebieten gefördert. Doch die Renditeerwartungen der Aktionäre gehen nicht einher mit ökologischen Zukunftsinvestitionen. Auch Aufklärungsleistungen zum bewussten Umgang mit dem Gemeingut Wasser fallen diesen Erwartungen zum Opfer. Da in den Ländern zudem die staatliche Wasserwirtschafts- und Gesundheitsverwaltung ständig ausgedünnt wird, fehlt zunehmend das Korrektiv, um eine deregulierten Wasserwirtschaft staatlicherseits ausreichend zu kontrollieren.

Bei einer Privatisierung der kommunalen Wasserwirtschaft, insbesondere bei Verträgen nach dem Geschäftsmodell ÖPP, droht ein Verlust der demokratischen Kontrolle der kommunalen Verwaltung über die Unternehmen der Daseinsvorsorge. Auch Modelle der Transparenz und der Bürgerbeteiligung an der kommunalen Wasserwirtschaft dürften in den schwer durchschaubaren, komplexen Holdingstrukturen (teil-)privatisierter Betriebe der Wasserversorgung schwer zu etablieren sein. Die Möglichkeit einer kommunalen Kontrolle nach erfolgter Privatisierung hat sich noch immer als Irrglaube enthüllt.

Versprechen und Realität der Wasserprivatisierung
Die Versprechungen, die mit den Wasserprivatisierungen einhergehen, sind exorbitant: Besserer Service, sinkende Preise und Investitionen ins Wassernetz werden in Aussicht gestellt. Doch die Realität spricht eine andere Sprache. Es wird schnell offenbar: Das Gemeinwohl ist keine Kategorie gewinnmaximierender Konzerne, ihre Orientierung am Shareholder-Value, sprich am Aktionärswert, steht jeder nachhaltigen Infrastrukturpflege entgegen. Die Erfahrungen mit der Berliner Teilprivatisierung zeigen modellhaft, dass die so genannte ÖPP nur der garantierten Rendite der Privaten Unternehmen diente, die öffentliche Hand aber das Nachsehen hat. Die Berliner Wasserbetriebe waren im Jahr 1999 zum Zweck der öffentlichen Schuldentilgung und einer angeblich besseren Bewirtschaftung zu 49,9 Prozent für 1,68 Milliarden Euro an die Konzerne RWE und Veolia veräußert worden. Nach 13 Jahren ÖPP mit Geheimverträgen und Gewinngarantie waren die Wasserpreise über 35 Prozent gestiegen, drei Wasserwerke wurden geschlossen und der Personalbestand um 2000 Arbeitsplätze massiv abgebaut. Aufgaben der Nachhaltigkeit wie Netzrehabilitation, Energieeffizienz und Reinigungsqualität wurden nur unzureichend angegangen. Die Investitionen blieben hinter dem zurück, was von den Wasserkunden jährlich dafür bezahlt wurde, worunter die Substanz des Rohrleitungsnetzes zu leiden hatte. Die Gewinne waren zu Gunsten der privaten »Partner« ungleich verteilt, das Land Berlin haftete für deren Gewinne und hatte sich obendrein seiner Entscheidungsbefugnisse beraubt, denn die betriebliche Führung lag bei den privaten Minderheitseignern. Auch die Wasserprivatisierungen in London und Bordeaux sind warnende Beispiele: Verrottete Rohre, Verunreinigungen durch Lecks sowie die Dauerzugabe von Chlor mindern die Wasserqualität bis hin zur Ungenießbarkeit.

Perspektiven einer erneuerten kommunalen Wasserwirtschaft
Die alleinige Kontrolle kommunaler Wasserbetriebe durch das Parlament reicht in Zeiten, da die repräsentative Demokratie nicht mehr imstande ist, der Erosion eines von Ökonomie und Lobbyismus unterminierten Gemeinwesens entgegenzutreten, nicht mehr aus. Ein breites gesellschaftliches Bündnis aus Umweltverbänden, Mietervereinen, Verbraucherschützern und Gewerkschaftern hat sich angesichts einer zunehmenden Kommerzialisierung der kommunalen Wasserwirtschaft dazu geäußert, wie überkommene Strukturen in der Wasserwirtschaft und der Daseinsvorsorge erneuert werden können. Durch verstärkte Kooperation und Zusammenarbeit benachbarter, kommunaler Wasserversorgungsbetriebe könnten dezentrale Anlagen im organisatorischen Verbund geführt werden. Verfahren zur besseren Mitarbeiterführung und betrieblicher Förderung könnten eine bessere Orientierung an den Bedürfnissen der Wasserkunden ermöglichen. Gremien der Bürgerbeteiligung wie ökologische Beiräte oder Wasserräte könnten Betrieben der kommunalen Daseinsvorsorge zur Seite gestellt werden. So hat der Berliner Wassertisch nach der von ihm erzwungenen Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe einen Wasserrat als Gremium der Bürgerbeteiligung gegründet.

Zu einer nachhaltigen Wasserversorgung als Leitbild einer am Gemeinwohl orientierten, öffentlichen Versorgung lässt sich keine vernünftige Alternative vorstellen, die Betriebe der Daseinsvorsorge sind die Krongüter der Demokratie, deren Verlust einer Identitätskrise der Gemeinschaft Vorschub leistet und die Gesellschaft auf lange Sicht teuer zu stehen kommt. Die Erfahrungen mit der Privatisierung der Wasserversorgung lehren uns: Der Zugang zu Wasser muss ein Menschenrecht sein, das lebenswichtige Gut Wasser darf kein Konsumgut wie jedes andere werden. Sollte Wasser vom öffentlichen Gut zur Handelsware und zum milliardenschweren Spekulationsobjekt werden, hätte das fatale Folgen für die Allgemeinheit. Das gilt es mit aller Macht zu verhindern.


Autorin Ulrike von Wiesenau ist Pressesprecherin des Berliner Wassertisches und publiziert für Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB). Sie ist Mitbegründerin des direktdemokratischen Untersuchungsausschusses »Klaerwerk« und des Berliner Wasserrates.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2014, Seite 6-7
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2014