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FINANZEN/027: Wassercent in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 994, vom 02. Mai 2012, 31. Jahrgang

Jetzt bekommt auch Rheinland-Pfalz einen Wassercent



Als 13. Bundesland (von 16 Bundesländern) wird voraussichtlich zum nächsten Jahr auch Rheinland-Pfalz ein Wasserentnahmeentgelt einführen. Am 17. April 2012 hat das rheinland-pfälzische Kabinett den von Umweltministerin ULRIKE HÖFKEN (Grüne) vorgelegten Gesetzentwurf zur Erhebung eines Wasserentnahmeentgelts beschlossen. Wie zuvor in den anderen Bundesländern hatte vor allem die Industrie gegen die Pläne opponiert. Änderungsvorschläge der Kammern und Verbände wurden in dem Gesetzesentwurf jetzt berücksichtigt. So habe man wegen der hohen Energie- und Ressourceneffizienz einen reduzierten Entgeltssatz von 0,5 Cent für Wasserentnahmen zur Durchlaufkühlung beim Betrieb hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) in den Gesetzesentwurf aufgenommen. Um in den Genuss dieses reduzierten Entgeltsatzes zu kommen, dürfen die KWK-Anlagen ausschließlich erneuerbare Energieträger, Erdgas oder Abfallstoffe als Brennstoff verwenden. Zudem habe man den Entgeltssatz für Wasserentnahmen zur Durchlaufkühlung von 1,0 Cent auf 0,9 Cent pro Kubikmeter abgesenkt. Damit ist das rot-grüne Kabinett in Mainz wohl vor allem dem Wunsch der BASF in Ludwigshafen gefolgt, die das Ranking der großen Kühlwasserverbraucher in Rheinland-Pfalz mit Abstand anführt. Der auf 0,9 Cent abgesenkte Entgeltsatz soll ferner für Wasserentnahmen zur Gewinnung und Aufbereitung von Bodenschätzen gelten, wenn das Wasser einem Gewässer unmittelbar wieder zugeführt wird. Um der Lobby der industriellen Wassergroßverbraucher noch etwas entgegen zukommen, ist vorgesehen, das Gesetz erst zum 1. Januar 2013 und nicht - wie bisher geplant - rückwirkend schon zum 1. Januar 2012 in Kraft treten zu lassen.

Wie in anderen Bundesländern wird der Löwenanteil des Wasserentnahmeentgelts von der öffentlichen Wasserwirtschaft - und damit von den Trinkwasserkonsumenten - aufgebracht werden müssen. Bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs betonte Umweltministerin Höfken, dass der Wassercent in ihrem Bundesland "insbesondere zur Sicherstellung der öffentlichen Wasserversorgung und zur Gewässerrenaturierung verwendet werden" soll. Der »gute ökologische Zustand« à la EG-Wasserrahmenrichtlinie sei in Rheinland-Pfalz erst bei 27 Prozent der Bäche, Flüsse und Seen erreicht. Um weiter voran zu kommen, müssen allein bis zum Jahr 2015 rund 420 Millionen Euro investiert werden. Höfken führte zudem aus, dass die Einnahmen aus dem Wassercent zweckgebunden seien und "ausschließlich" dem Schutz der Gewässer in Rheinland-Pfalz zugute kommen würden eine Anspielung auf die Praxis in einigen anderen Bundesländern, in denen der Wassercent spurlos in den jeweiligen Landeshaushalten versackt.


"Extensives Ausnahmeregime" beim Wassercent in Sachsen-Anhalt

Vor Rheinland-Pfalz hat Sachsen-Anhalt als 12. Bundesland ein Wasserentnahmeentgelt eingeführt. Kritisch mit der Machart des sachsen-anhaltinischen Wasserentnahmeentgelts befasst sich ERIC GAWEL in dem Aufsatz "Das neue Wasserentnahmeentgelt in Sachsen-Anhalt" in WASSER UND ABFALL 3/2012, S. 32-38. Der in Wasserwerkerkreisen nicht eben beliebte GAWEL (s. RUNDBR. 984/1-2) hält das Wasserentnahmeentgelt prinzipiell für ein richtiges Instrument, übt aber lästerliche Kritik an den Ausführungsbestimmungen in Sachsen-Anhalt. Dort seien "die Schwachstellen der bisherigen Länder-Wasserentnahmeentgelte reproduziert" worden:

"Dies betrifft die ressourcenpolitisch kontraindizierte Abgabesatzdifferenzierung nach Verwendungszweck ebenso wie das extensive Ausnahmeregime, das zusammen mit großzügigen Härtefallklauseln und zurückhaltenden Abgabesätzen die ökonomische Anreizwirkung und ihre Effizienz (...) deutlich begrenzt und einseitig auf die Finanzierungswirkung der Abgabe setzt."

Damit werde die Lenkungsfunktion des Wasserentnahmeentgelts (WEE) unnötig geschwächt. Insbesondere moniert der Ökonom:

"Dass ausgerechnet Großentnehmer gezielt durch diese Ermäßigungs- und Befreiungsklausel von ihrer Ressourcenverantwortung ganz oder teilweise freigestellt werden können, entbehrt nicht der Ironie. Zum lenkungspolitischen Ziel eines WEE steht dies jedenfalls in einem ersichtlichen Spannungsverhältnis."

Und auch zur Härtefallregelung gibt es einen typischen GAWEL:

"Das dabei eingeräumte behördliche Einschätzungsermessen dürfte freilich in diesem ,Vollzugsspiel' zwischen Behörde und an Lastminderung interessiertem Unternehmen der im Vollzug umweltrechtlicher Vorschriften bekannten Gegendruckempfindlichkeit unterer Vollzugsarenen Raum geben."

Soll heißen: Der Autor hat Zweifel, dass angesichts der "Informationsasymmetrie zu Lasten der Behörden" die Wasseradministration dem wirtschaftlichem Druck gewachsen ist. Der Aufsatz hat Gebrauchswert u.a. auch deshalb, weil tabellarisch und graphisch die unterschiedlichen Länderregelungen zu den Wasserentnahmeentgelten miteinander verglichen werden.

Weitere Auskunft:
Universitäts-Professor Dr. Erik Gawel
Helmholz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ
Department Ökonomie
Permoser Str. 15
04318 Leipzig
E-Mail: erik.gawel[at]ufz.de


Analyse und Bewertung von Wasserentnahmeentgelten

Unter den Umweltverbänden hat sich insbesondere die Wassergruppe der GRÜNEN LIGA bei der Analyse und Bewertung von Wasserentnahmeentgelten profiliert. Ähnlich wie GAWEL hat auch die GRÜNE LIGA kritisiert, dass in den "Braunkohleförderländern" die enormen Grundwasserentnahmen zum Trockenhalten der Tagebaue weitgehend von den Wasserentnahmeentgelten ganz oder weitgehend befreit worden sind ("Bergbauprivileg"). In mehreren Faltblättern hat die GRÜNE LIGA das Design der Wasserentnahmeentgelte der Bundesländer miteinander verglichen und weitere ökonomische Instrumente zur Lenkung von Wassernutzungen im Zusammenhang mit der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bewertet.

Die Infos gibt es unter: www.wrrl-info.de ökonomische Aspekte

Weitere Auskunft:
Bundeskontaktstelle Wasser
der GRÜNEN LIGA
Greifswalder Straße 4
10405 Berlin
Telefon: 030/40 39 35 30; Fax: 030/20 44 468
E-Mail: wasser[at]grueneliga.de

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 994
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2012