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FORSCHUNG/479: Giftcoctails im Sediment - Gestartete Forschungsreise soll Aufschluss bringen (idw)


Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Dr. Katharina Jeorgakopulos, 22.06.2015

Giftcoctails im Sediment: Gestartete Forschungsreise soll Aufschluss bringen


Eine Forschergruppe untersucht derzeit auf einer jüngst gestarteten Forschungsreise Mikroplastik als Schadstoffsammler in Flüssen und Küstengewässern. Mikroplastik in Flüssen könnte für Menschen schädlicher sein als bisher angenommen, da insbesondere Mikroplastikteilchen auf ihrem Weg durch Flüsse und Meere weitere Giftstoffe an sich binden, die dann letztendlich über Meerestiere wieder vom Menschen aufgenommen werden könnten.


Forscherin beugt sich über eine Probe - Foto: © ALDEBARAN / Niklas Felix Tomczak

Für Forschungszwecke im Verbundprojekt NOAH fuhr Prof. Dr. habil. Gesine Witt bereits auf der ALDEBARAN mit ihrem Forschungsteam
Foto: © ALDEBARAN / Niklas Felix Tomczak

Ein Forschungsteam der HAW Hamburg unter der Leitung Prof. Dr. Gesine Witt untersucht derzeit in großen Flüssen und in Küstennähe von Nord- und Ostsee die Konzentration von Schadstoffen im Sediment, die sich an Mikroplastikteilchen angelagert haben. Speziell an der Hochschule entwickelte Schadstoffsammler - das sind in diesem Fall trinkbechergroße Kupfer-Gefäße, die mit mikroskopisch kleinen Silikonfasern bestückt sind -reichern die Umweltgifte an.

HAW-Forscherteam kooperiert mit führenden deutschen Universitäten und Forschungsinstituten: Nach drei Monaten werden die Schadstoffsammler wieder aus dem Schlick gezogen. Im Labor von Prof. Witt am Camps Bergedorf werden die aufgenommenen Schadstoffe dann genau untersucht. Begleitet wird das Team der HAW Hamburg von Forscherinnen und Forschern der Universität Bayreuth unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Laforsch, der Ludwig-Maximilian-Universität München und des Deutschen Geoforschungszentrums Potsdam. Erstmalig soll mit Hilfe aktueller Satellitenaufnahmen herausgefunden werden, ob man mit hochsensiblen Spektralkameras die Mikroplastikfracht in Flüssen und Küstengewässern verfolgen kann. Zur Kalibrierung der Satellitendaten werden an Bord des segelnden Forschungsschiffes ALDEBARAN Gewässerpoben mit Spezialnetzen genommen, die später auf ihre Mikroplastikkonzentration hin untersucht werden.


Fünf Forscher an Deck - Foto: © ALDEBARAN / Niklas Felix Tomczak

Das gelbe Forschungsschiff ALDEBARAN ist auf dem Gewässer ein echter Hingucker
Foto: © ALDEBARAN / Niklas Felix Tomczak

Fataler Kreislauf: Unter Mikroplastik verstehen die Forscher winzige Kunststoffteilchen, die kleiner als 5 mm sind. Häufig sind diese mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen. Diese kleinsten Plastikpartikel entstehen im Meer aus achtlos entsorgtem Plastik, das vorwiegend durch Sonneneinstrahlung, Wind und Wellen verwittert und zerkleinert wird. Diese kleinen Bruchstücke lagern sich am und im Gewässerboden, dem sogenannten Sediment, ab und werden dort mit der Nahrung von den Bodenbewohnern wie kleinen Würmern, Muscheln und Krabben gefressen.

Reagieren biologische Organsimen auf den Giftcoctail? Ein Ziel der Untersuchungen ist die Ermittlung der Aufnahmekapazität von Mikroplastik für Schadstoffe. Mit Hilfe der Silikonsammler kann die Kapazität für andere Kunststoffe ermittelt werden wie für das weltweit am häufigsten verwendete Polyethylen. Um die Giftwirkung der vom Silikon gesammelten Schadstoffe zu testen, wird es anschließend in biologischen Testsystemen untersucht. Falls Bakterien, Algen oder Fischeier auf den Giftcoctail in den Silikonfasern reagieren, beispielsweise durch ein gehemmtes Wachstum oder Fehlbildungen, dann ist damit auch eine reale Bedrohung der marinen Umwelt und - durch die Nahrungskette - auch für den Menschen nachgewiesen.

Von Miesmuscheln weiß man durch neuste Forschungsergebnisse inzwischen, dass sie kleineste Körnchen Polyethylen (PE) im Gewebe anreichern und diese dort Entzündungsreaktionen und Geschwüre verursachen. Als weitere Gefahr sammeln Plastikteilchen im Meer ähnlich wie ein Schwamm Schadstoffe, wie Dioxine oder PCBs. Diese Stoffe sind teilweise krebserregend und erbgutschädigend. Zudem enthalten viele Plastikteilchen von vorn herein giftige Stoffe, wie Weichmacher, die ähnlich wie Hormone wirken. All diese Schadstoffe können sich im Körper der Organismen wieder vom Kunststoff lösen und ihre schädigende Wirkung dort entfalten.

Was die Grundlagenforschung bringen soll: Mit Hilfe der Ergebnisse der Forschungsfahrt durch das Team um Prof. Dr. Gesine Witt und Prof. Dr. Christian Laforsch können Eintragsquellen (Qualität) und Höhe (Quantität) sowie das Risiko der Schadstoffbelastung des Sediments abgeschätzt werden. Dem Ziel, die Europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) von 2008 umzusetzen, käme die Forschergruppe durch ihre Grundlagenforschung einen entscheidenden Schritt näher.


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.haw-hamburg.de/news-online-journal/newsdetails/artikel/plastikmuell-in-gewaessern-sammelt-schadstoffe-ein-haw-forschungsteam-auf-expedition-mit-der-adebar.html
http://aldebaran.org

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news633398

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution399

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg,
Dr. Katharina Jeorgakopulos, 22.06.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2015

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