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INITIATIVE/121: Berliner Wasser - Sand in die Augen der Öffentlichkeit (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 157 - August/September 2010
Die Berliner Umweltzeitung

Sand in die Augen der Öffentlichkeit
Informationsfreiheitsgesetz führt NICHT zu einer vollständigen Offenlegung der geheimen Wasser-Verträge

Thomas Rudek


In der öffentlichen Berichterstattung wird der Eindruck vermittelt, mit der Neufassung des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) könne "das Volksbegehren "Wassertisch" als faktisch erledigt" angesehen werden, so Sven Kohlmeier und Michael Müller (SPD-Fraktion) Mitte Juni. Es werden Behauptungen in den Raum gestellt, die nur einen Zweck erfüllen, nämlich den SPD-Parteimitgliedern und der Berliner Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen.

Wer den Gesetzestext des Volksbegehrens der Bürgerinitiative "Berliner Wassertisch" gelesen hat, kennt das Ziel: Es geht um die vollständige Offenlegung aller Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden, die im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe stehen und zwischen dem Land Berlin und den privaten Anteilseignern geschlossen worden sind.

Es ist kein juristischer Sachverstand erforderlich, um zu erkennen, dass die Neuregelung des Informationsfreiheitsgesetzes nicht auf die Offenlegung abgeschlossener Verträge abzielt. Sondern darauf, bestehende Verträge neu zu verhandeln, mit dem Ziel, diese in eine für die Öffentlichkeit geeignete Form zu bringen. Unter der Annahme, dass sich die Vertragsparteien einvernehmlich verständigen, wird lediglich der neue Vertrag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, nicht jedoch der alte Vertrag. Der bleibt weiterhin unter Verschluss und kann somit NICHT einer öffentlichen und unabhängigen Überprüfung zugeführt werden. Doch genau DAS ist das Ziel des Wasser-Volksbegehrens: Die abgeschlossenen Geheimverträge sollen auf den Prüfstand, sollen offen gelegt werden, damit sie so einer öffentlichen und unabhängigen Kontrolle zugeführt werden können. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Novellierung des IFG nicht zu einer Offenlegung der Geheimverträge führen wird, sondern zu einer Neuverhandlung. Das entspricht nicht der Zielsetzung des Volksbegehrens.

Die Verteidiger der Novellierung des IFG könnten anführen, dass mit der Neufassung ein wichtiges Druckmittel gewonnen ist, um die privaten Investoren zu Neuverhandlungen zu zwingen. Denn, wenn diese sich Neuverhandlungen verweigern würden, dann wäre die Offenlegung der bestehenden Verträge die Folge. Diese Argumentation unterschlägt, dass davon auszugehen ist, dass die privaten Vertragspartner vor der Offenlegung Widerspruch einlegen werden und damit einen Rechtsstreit provozieren, der erst nach Jahrzehnten enden wird!

Auf zwei weitere Schwachstellen des IFG sei an dieser Stelle verwiesen. In der öffentlichen Darstellung wird positiv hervorgehoben, dass zukünftig abgeschlossene Verträge, die in bestimmten Bereichen der Daseinsvorsorge eine Beteiligung Privater enthalten, "grundsätzlich dem Informationsrecht" unterliegen. Dieses grundsätzliche Offenlegungspflicht wird jedoch zugleich einschränkend an den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Privaten gekoppelt: So erfolgt die Offenlegung nicht, wenn "durch deren Offenbarung dem Vertragspartner ein wesentlicher wirtschaftlicher Schaden entstehen würde", Paragraph 7a, Absatz 2 des IFG. Immerhin ist der private Vertragspartner nachweispflichtig: Er muss nachweisen, dass ihm wirklich ein wesentlicher schwerer Schaden entstehen würde. Entscheidend ist, dass dieser Beweis nicht öffentlich erbracht werden muss, sondern nur gegenüber der Behörde, mit der der Vertrag abgeschlossen wird. Und genau in diesem pikanten Detail offenbart sich die Fehlkonstruktion des IFG: Wenn über die Frage, ob das öffentliche Interesse oder das private Schutzinteresse der privaten Vertragspartner schwerer wiegt, nicht eine unabhängige Stelle entscheidet, sondern die "aktenführende Stelle", also die Behörde, die den Vertrag mit dem privaten Vertragspartner unter Dach und Fach gebracht hat, dann ist vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Berliner Filz nicht viel Fantasie erforderlich, um sich vorzustellen, zu wessen Gunsten dieser Abwägungsprozess in besonders "sensiblen" Fällen entschieden wird.

Auch der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Peter Schaar, hatte kürzlich öffentlich beanstandet, dass die Behörden besonders erfindungsreich sind, wenn es darum geht, Informationsgesuche der Bürger abzuschmettern, mit dem lapidaren Hinweis, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse würden dem öffentlichen Informationsinteresse entgegenstehen. Vor dem Hintergrund dieser gravierenden Mängel kann die Novellierung des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes nicht überzeugen. Im Gegenteil: Der behauptete Anspruch, einen wichtigen Beitrag für eine erhöhte Transparenz zu liefern, bleibt weit hinter dem zurück, was - wenn es den politischen Willen gegeben hätte - juristisch möglich gewesen wäre.

Gerade vor dem Hintergrund dieses Verzichts auf Gestaltungsoptionen muss die IFG-Novellierung als fauler Kompromiss bezeichnet werden, und deshalb bleibt der Gesetzesentwurf des Volksbegehrens unverzichtbar. Am Volksbegehren "Schluss mit Geheimverträgen - Wir Berliner wollen unser Wasser zurück" führt daher kein Weg vorbei.

Thomas Rudek
Sprecher des Volksbegehrens für die
GRÜNE LIGA und den Berliner Wassertisch.
www.berliner-wassertisch.net
www-grueneliga-berlin.de


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Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 157, August/September 2010
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2010