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MEDIEN/017: Jahresbericht der Rheinwasserwerke (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1006, vom 24. Dez. 2012, 32. Jahrgang

Lobbyarbeit der Rheinwasserwerke stößt an finanzielle Grenzen



Der wachsende Kostendruck bei den Wasserversorgungsunternehmen könnte dazu führen, dass auch die finanziellen Aufwendungen für die Lobby- und Verbandsarbeit der Rheinwasserwerke auf den Prüfstand gestellt werden. Diese Sorge kommt im aktuellen Bericht des Präsidenten der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke Bodensee-Rhein (AWBR) zum Ausdruck. Die finanzielle Engpasssituation beschreibt JOHANN-MARTIN ROGG, AWBR-Präsident, im ABWR-Jahresbericht 2011: "Die Unternehmen sind heute einem zunehmenden Kostendruck ausgesetzt. Personelle Ressourcen [für die AWBR-Verbandsarbeit] können nur noch sehr begrenzt zur Verfügung gestellt werden."

Dies sei bedenklich, weil die Interessen der Wasserwerke im Rheineinzugsgebiet "nur durch entsprechende Präsenz in europäischen und internationalen Gremien (...) sichergestellt werden" können. Dazu gehöre auch eine personelle Kontinuität. Erfolgreich könne die AWBR-Lobbytätigkeit nur sein, "wenn mehr finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt" würden. Insofern müssten sich die AWBR-Mitgliedsunternehmen trotz des zunehmenden Kostendrucks dazu durchringen, ihre Mitgliedsbeiträge für die AWBR zu erhöhen.


Spurenstoffe im Trinkwasser - ein Kommunikationsproblem

Im AWBR-Jahresbericht 2011 wird hervorgehoben, dass "die kommunikative Behandlung von 'Spurenstoffen im Trinkwasser'" ein "zentrales Problem" für die AWBR im Jahr 2011 gewesen sei. Umfragen hätten allerdings gezeigt, dass es beim medialen "Spiel mit diffusen Ängsten vor unbekannten Stoffen in Keinstmengen im Trinkwasser" nicht gelungen sei, "das gute Image des Trinkwasser nachhaltig" zu gefährden. Zum "kommunikativ komplizierten Thema" der Mikroverunreinigungen im Trinkwasser haben die Rheinwasserwerke inzwischen einen Leitfaden erstellt. Der Kommunikationsleitfaden orientiert sich u.a. an folgenden Prinzipien:

"Mit griffigen Beispielen arbeiten, statt mit unverständlichen Grenzwertzahlen. Sich vertrauensvolle Zeugen in neutralem Status sichern, weil Zeugnis in eigener Sache abzugeben meist nicht gelingt. Transparenz herstellen und die eigene Kompetenz darlegen, dann entsteht Vertrauen." Bedauert wird im AWBR-Jahresbericht 2011, dass es an einer toxikologischen Bewertung der Mikroverunreinigungen fehlen würde.


Gegen Kühlturmlegionellen mit Chlor und Bioziden

Aufregerthema für die Rheinwasserwerke war im Jahr 2011 die Bekämpfung der Legionellenbelastung im schweizerischen Atomkraftwerk Leibstadt an der Aare. Die AKW-Betreiber hatten nämlich die Rheinwasserwerke nicht vorab darüber informiert, dass sie den Legionellen mit einer auf Chlor und Bioziden basierten Stoßbehandlung den Garaus machen wollten. Dass man das Gemisch aus Chlorlauge und Bioziden einfach in die Aare und damit in den Rhein laufen ließ, fanden die AWBR-Mitgliedsunternehmen dann doch ziemlich frech. Weil man mangels Vorankündigung bei den Rheinwasserwerken gar nicht genau wusste, was da an Giftkram den Rhein runterschwappte, wurde an den Rheinuferfiltrat-Wasserwerken die Entnahme von Uferfiltrat zeitweilig ausgesetzt. Erst später gestanden die AKW-Betreiber ein, dass man zur Bekämpfung des erheblichen Legionellenbefalls im Kühlwasserkreislauf 15 Tonnen Natriumhypochlorit-Lösung und 2,1 t des Biozids Tetrakis-hydroxymethylphosphoniumsulfat eingesetzt hatte. Im AWBR-Jahresbericht wird spekuliert, ob der im Jahr 2011 registrierte Wiederanstieg der Konzentrationen von Adsorbierbaren organischen Halogenverbindungen (AOX) im Rheinwasser auf die "mehr oder weniger regelmäßigen Desinfektionsmaßnahmen gegen Legionellenbefall" in den Kühltürmen von Atomkraftwerken zurückzuführen sei.


Röntgenkontrastmittel und Süßstoffe im Rheinwasser

Wenig Hoffnung sieht man bei den Rheinwasserwerken, dass die Gehalte an Röntgenkontrastmitteln im Rheinwasser in absehbarer Zeit reduziert werden könnten. Seit zehn Jahren seien die Frachten der praktisch nicht abbaubaren Röntgenkontrastmittel auf stabil hohem Niveau. Dabei bestehe "aus Sicht der Wasserversorgung nach wie vor dringender Handlungsbedarf", da diese Mittel teilweise auch schon im Trinkwasser nachweisbar seien.

"Trotz der inzwischen breiten fachlichen und öffentlichen Diskussion über Vorkommen und mögliche Umweltauswirkungen von Arzneimittelwirkstoffen sind derzeit keine Verbesserungen hinsichtlich der Konzentrationen und Frachten zu erwarten, da vor allem die Arzneimittelhersteller und -anwender sowie die Zulassungs- und Umweltbehörden sich bislang nicht auf technisch sinnvolle und zukunftsfähige Maßnahmen im Sinne des vorsorgenden Gewässerschutzes einigen konnten", wird im AWBR-Jahresbericht kritisiert. Trüb sind auch die Aussichten im Hinblick auf die mikrobielle Belastung des Rheinwassers: "Dauerhafte Verbesserungen konnten an den AWBR-Messstellen nicht festgestellt werden."

Der AWBR-Jahresbericht enthält auch Angaben über verschiedene Süßstoffe im AWBR-Berichtsgebiet. Die Verteilung unterschiedlicher Süßstoffe im Rheinwasser und in den Voralpenseen des schweizerischen Rheineinzugsgebiets lasse auf unterschiedliche Süßstoffpräferenzen in Deutschland und in der Schweiz zurückschließen.


Mehr Lokaldynamik beim Grundwasserschutz im Elsass

Für deutsche LeserInnen dürfte im AWBR-Jahresbericht 2011 der Aufsatz über den Grundwasserschutz im Elsass erstaunte Fragen aufwerfen - vermittelt der Aufsatz doch Einblicke in eine Herangehensweise, die sich vom deutschen Grundwasserschutz zumindest graduell unterscheidet. Die Pilotprojekte in den elsässischen Regionen mit besonders hoher Grundwasserbelastung infolge intensiver Landwirtschaft haben das Ziel eine "Lokaldynamik" zu initiieren, bei der es gilt, alle Akteure (Wasserwerker, Landwirte, BehördenvertreterInnen und andere) an einen Tisch zu bringen. Damit sollen sowohl Problembewusstsein geschaffen als auch Sach- und Fachkenntnisse über die landwirtschaftlich bedingten Grundwasserprobleme vermittelt werden. Zur Schaffung von Problembewusstsein bei der breiten Bevölkerung werden u.a. viermal im Jahr Grundwasserinfobriefe an die 60.000 Haushalte in den vier elsässischen Pilotregionen verschickt! Neben zahlreichen anderen Maßnahmen wurden auch Gartencenter in die Bewusstseinsbildungskampagne einbezogen. Statt möglichst viel Unkrautvernichtungsmittel zu verkaufen, werben die Gartencenter jetzt für ein "naturnahes Gärtnern"! Eine weitere Bewusstseinsbildungsinitiative setzt auf die Sensibilisierung sämtlicher Mitglieder der Gemeinderäte in den Pilotregionen.

In dem Aufsatz wird auch eine andere Mentalität der elsässischen Wasserversorgungsunternehmen als hierzulande deutlich: So wird beschrieben, dass die Wasserversorger bis dahin "mehr dazu geneigt" hätten, sich für die Optimierung der Aufbereitung und der Verteilung des Trinkwassers einzusetzen, "als für den Schutz der Rohwasserressourcen" einzutreten. Der Einsatz der elsässischen Wasserwerke für den (vorsorgenden) Grundwasserschutz wird in dem Aufsatz als "sehr schwach" bewertet. Die Gewässerschutzkampagne der elsässischen Wasserbehörden hat sich zum Ziel gesetzt, an allen Fließgewässern Gewässerrandstreifen von mindesten fünf Meter Breite anzulegen. Künftig soll es Bereiche entlang von Gewässern geben, die auf einer Breite von 5 bis 100 Metern vom Einsatz von Pestiziden ausgespart bleiben. Ferner soll der Flächenanteil der Ökolandwirtschaft von sechs Prozent im Jahr 2012 auf 20 Prozent im Jahr 2020 gesteigert werden. Leider ist der Aufsatz aus dem Französischen offenbar nur mit einer Google-Übersetzung ins Deutsche konvertiert worden. Auch wenn sich der Bericht aus der elsässischen Wasserwelt demzufolge sehr holprig liest, vermittelt er interessante Einblicke in die Grundwasserschutzpolitik auf der französischen Rheinseite!


Mit Nanoröhrchen zur Revolution in der Meerwasserentsalzung?

"Chancen der Nanotechnologie für die Trinkwasserversorgung" ist ein weiterer Aufsatz im AWBR-Jahresbericht 2011 überschrieben. Darin wird erläutert, wie man mit Nanoteilchen Membranen für die Nanofiltration und die Umkehrosmose so optimieren kann, dass sie weniger schnell verstopfen - also weniger Verblockung und Biofouling aufweisen. Dadurch werden die Standzeiten der Membranen erhöht und der Bedarf an problematischen Reinigungschemikalien reduziert. Darüber hinaus könnte man mit Hilfe von Nanoröhrchen Membranen so präparieren, dass "dadurch ein um mehrere Größenordnungen höherer Durchsatz als bei herkömmlichen Membranen realisiert werden" könnte. Damit ließe sich vor allem bei der Meerwassersentsalzung enorm viel Energie und Kosten einsparen - "was einen immensen Beitrag zur globalen Trinkwasserversorgung leisten würde". In dem Aufsatz wird allerdings auch betont, dass bis dahin noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten wäre. Ein weiterer Aufsatz im AWBR-Jahresbericht beschäftigt sich mit dem Nachweis von Nanoteilchen im Roh- und Trinkwasser.


Ist das Fäkalindikatorprinzip noch zeitgemäß?

In den letzten Jahren wurden vermehrt Bedenken geäußert, dass die traditionell praktizierte mikrobielle Untersuchung des Roh- und Trinkwassers unzureichend sein könnte (s. RUNDBR. 1003). Da mit der Standard-Analytik nur Bakterien nachgewiesen werden können, könnten einem die Viren durch die Lappen gehen, so der Verdacht. Ob dem tatsächlich so ist, wird in dem Aufsatz "Vorkommen und Nachweis von Mikroorganismen und Viren in Roh- und Trinkwassern" diskutiert (AWBR-Jahresbericht 2011, S. 157 ff.) Untersucht wurden verschiedene Oberflächengewässer im Hinblick auf die Häufigkeit des Vorkommens von krankmachenden Bakterien und Viren. Dabei hat sich gezeigt, dass Fäkalbakterien immer in deutlich höheren Konzentrationen als Viren vorkamen. Wenn man Fäkalbakterien in Oberflächengewässern findet, kann man davon ausgehen, dass auch krankmachende Viren im Rohwasser enthalten sein können. Den umgekehrten Sachverhalt konnte man nur in ganz wenigen Fällen nachweisen - also einen positiven Virusbefund, aber keinen positiven Fäkalindikatorbefund. Fazit der Autorin BEATE HAMBSCH vom Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe:

"Zur Beurteilung der möglichen viralen Belastung einer Messstelle ist ein Untersuchungsprogramm mit Fäkalindikatoren mit ausreichender Untersuchungsfrequenz die beste Möglichkeit, die Vulenerabilität [Verletzlichkeit] einer Messstelle für fäkale Einträge anzuzeigen, die immer potenziell mit viralen Belastungen verbunden sein können."


Vom Rückhalt der Viren

Mit einer ähnlichen Thematik wie zuvor Frau Dr. HAMBSCH beschäftigt sich auch PIA LIPP in ihrem Aufsatz "Entfernung von Mikroorganismen und Viren bei der Trinkwasseraufbereitung" - ebenfalls im AWBR-Jahresbericht 2011 (S. 173 ff.). Die Autorin konstatiert:
"Aufgrund der fehlenden eindeutigen Korrelation zwischen dem Auftreten von Viren und den in der Trinkwasserverordnung genannten Parametern sowie der Nachweisproblematik besteht eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf die tatsächliche Aufbereitungswirksamkeit der gängigen Verfahren für den Rückhalt von Viren."

Die Mitarbeiterin der Karlsruher Technologiezentrums Wasser (TZW) kommt allerdings zum Schluss, "dass eine ausreichende Entfernung von Mikroorganismen und Viren bei der Trinkwasseraufbereitung sowohl bei der konventionellen Filtration [mit Flockung und Sandfiltern] als auch der Ultrafiltration [mit Membranen] gelingt, wenn die Anlagen unter optimierten Betriebsbedingungen und nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik betrieben werden."

PIA LIPP erläutert auch, was hinsichtlich des Durchbruchs von Viren passieren kann, wenn man sich nicht der allgemein anerkannten Regeln der Technik befleißigt - beispielsweise wenn man zu hohe Filtergeschwindigkeiten oder zu starke Durchflussschwankungen riskiert.


Bezug des AWBR-Jahresberichtes
Auf der Homepage der AWBR (www.awbr.org Dokumente Jahresbericht) werden die Jahresberichte nur in Auszügen veröffentlicht. Insbesondere werden die Fachaufsätze nicht ins Internet gestellt. Wer den AWBR-Jahresbericht 2011 in voller Länge lesen will (225 A5-Seiten) kann den Bericht für 30 Euro bei der Redaktion der AWBR-Jahresberichte im Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe beziehen.
DVGW-Technologiezentrum Wasser (TZW)
Karlsruher Straße 84
76139 Karlsruhe
(Zu früheren Jahresberichten von ARW, AWBR und RIWA siehe die RUNDBR. 988/1-3, 927/2, 916/4, 914/2, 811/1-2, 776/3-4, 709/3-4, 560/2, 558/3, 411/4, 383/1-2, 382/3-4, 355, 260, 242.)

Soll man Trinkwasser auf Viren analysieren?

Kritisch mit der Forderung des Vorsitzenden der Trinkwasserkommission, Prof. MARTIN EXNER, künftig auch die Konzentration von Viren im Rohwasser zu analysieren (s. RUNDBR. 1003), setzt sich DORIS REICK vom Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg auseinander. In ihrem Aufsatz "Nachweis von Viren - ein Indikator für die Praxis?" im AWBR- Jahresbericht 2011 (S. 187 ff.) kommt die Autorin zum Ergebnis, dass die Untersuchung auf Viren nicht praxistauglich sei und dass "die Kontrolle der Fäkalindikatoren weiterhin als ausreichend angesehen werden" kann. Wollte man sicher gehen, dass die Anforderungen der Weltgesundheitsorganisation im Hinblick auf Virenfreiheit im Trinkwasser eingehalten werden, müsste man beispielsweise bei Rotaviren 32.000 Liter Trinkwasser untersuchen. "Solche Untersuchungsvolumina sind in der Praxis nicht durchführbar", mahnt die Hygiene-Expertin, die Kirche im Dorf zu lassen. Die heute zur Verfügung stehenden Methoden zur Analytik von Viren seien zudem "wenig reproduzierbar und damit nicht hinreichend aussagefähig".

DORIS REICK macht jedoch auch darauf aufmerksam, dass die Schlussfolgerung, auf einen Virusnachweis zur Ermittlung der fäkalen Belastung bei der Routineuntersuchung von Rohwässern zu verzichten, nicht auf einen "Verzicht auf eine Risikoanalyse und -bewertung des Wassereinzugsgebietes, der Schutzzonen und der Rohwassergewinnung" hinauslaufen dürfe: "Ganz im Gegenteil ist es sinnvoll und notwendig, dass die Wasserversorgungsunternehmen die Qualität ihres Rohwassers sowohl in chemischer als auch mikrobiologischer Hinsicht charakterisieren und ihnen Einflüsse aus der Umgebung der Wasserfassungen, die zu einer Verunreinigung der Rohwasserquelle führen können, bekannt sind, um gegebenenfalls notwendige Maßnahmen einzuleiten."

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1006
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2013