Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → WASSER

NUTZUNG/214: In Sachen Klimawandel - Konflikt um das Wasser des Amudarya (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Dezember 2009: In Sachen Klimawandel

Das Wasser des Amudaryas

Von Tilo Arnhold


Seit Sultanbaj Umuratov denken kann, kam im Frühjahr die Flut aus den Bergen und mit ihr das Leben ins Delta. Das Flusswasser spülte Millionen Larven und junge Fische kostenlos in seine Seen. Der Fischfang bescherte den Vorfahren Umuratovs stets ein bescheidenes Einkommen am Unterlauf des Amudaryas. Wenn der alte Mann jetzt von seiner Bank aus auf den Seitenarm des Flusses schaut, dann ist dort nur noch trockener, brauner Schlamm. Bis in die 60er Jahre war das Delta des Amudaryas das zweitgrößte der Sowjetunion. Doch dann kam der Beschluss, die Baumwollproduktion auszuweiten. Regen fällt in den semiariden Ebenen Turkmenistans und Usbekistans fast nicht. Höchstens zehn Zentimeter pro Jahr. Mehr als das Zehnfache verdunstet aber im Sommer bei heißen Temperaturen und starken Winden. Das Schmelzwasser, das der Amudarya über hunderte Kilometer aus den Hochgebirgen Pamir, Tienschan und Hindukusch heranbringt, ist die einzige nennenswerte Quelle zur Bewässerung der Felder. Und diese wurde bedenkenlos ausgebeutet. Innerhalb weniger Jahrzehnte wuchsen die Baumwollflächen auf das Zehnfache. Über vier Millionen Hektar müssen heute bewässert werden. Eine Industrie, die in Usbekistan Priorität hat, denn deren Erlöse machen ein Drittel des Staatshaushaltes aus.

All das hängt am Wasser des Amudaryas. Nicht einmal ein Zehntel bleibt noch für das Delta übrig, und so existieren nur noch weniger als ein Fünftel der einst 2.600 Seen - in feuchten Jahren. Über eine Viertel Million Hektar Auenwald sind ebenfalls verschwunden. Und im südlichen Teil des Aralsees kommt nach über 2.500 Kilometern schon lange kein Wasser mehr an. Eine ökologische Katastrophe, aber auch eine soziale: Nach dem Zusammenbruch der Fischindustrie im Aralsee versuchten viele Bewohner ihr Glück stromaufwärts. In den verbliebenen Seen entstanden kommerzielle Fischfarmen, deren Produkte wieder zu einem Exportfaktor werden könnten. Doch darüber, wie viel Wasser ins Delta kommt, entscheidet das Landwirtschaftsministerium, das wenig Interesse für die Belange der Fischer zeigt. In trockenen Jahren wie 2000 und 2001 reicht das Wasser nur für die Baumwollfelder. Die Seen trocknen aus. Um mehr als einen Meter schwankt der Wasserspiegel selbst in normalen Jahren. Dabei kann schon ein Absenken um einen halben Meter die Flachwasserbereiche trocken legen und den Fischnachwuchs vernichten. "Die Feuchtgebiete des Amudarya-Deltas erfüllen aber lebenswichtige Funktionen", erklärt Dr. Maja Schlüter vom UFZ. "Fisch ist Nahrung und Einkommensquelle zugleich. Schilf wird als Baumaterial und Futter für die Rinder, Holz als Baumaterial und Heizstoff genutzt. Das Delta schützt vor Wind und Salzstürmen. Außerdem hat es eine Pufferfunktion, um trockene Jahre abzufedern." Genug Gründe aus Sicht der Wissenschaftlerin, um auch dem Delta Wasser zuzubilligen. Wasserzufluss in den kritischen Wochen könnte die Fischproduktion entscheidend unterstützen und würde die Landwirtschaft wenig kosten. Doch letztlich kollidieren die Interessen der Bewässerungslandwirtschaft am Oberlauf mit den Wassernutzern am Unterlauf. Kein Einzelfall, wie das Forschungsprojekt NeWater gezeigt hat, in dem der Amudarya eine von sieben Fallstudien war. Dabei wurden vergleichende Klimaszenarien für große Flusseinzugsgebiete in Europa, Zentralasien und Afrika entwickelt und Anpassungsmaßnahmen untersucht. Für den Umgang mit Dürren, wie sie beispielsweise an der mitteleuropäischen Theiß und am asiatischen Amudarya immer häufiger auftreten, existieren bisher jedoch kaum Rezepte. Oft dominieren ad-hoc-Strategien. Die Entwicklung von längerfristigen Anpassungsmaßnahmen wird wenig vorangetrieben.

Der Klimawandel wird die Konflikte verschärfen, denn das Wasser des Amudaryas stammt größtenteils aus Gletschern und die Prognosen sehen alles andere als rosig aus: 2050 könnte die Durchschnittstemperatur um drei Grad gestiegen sein und der Rückgang der Gletscher dazu führen, dass die Wassermenge im Fluss um 15 Prozent zurückgeht. Eine ebenso gewaltige Menge versickert momentan aber auch ungenutzt in dem maroden Leitungssystem, geht durch schlechte Planung oder illegale Wasserentnahmen verloren. "Wenn es jedoch gelingt, die Bedürfnisse verschiedener Nutzer zu integrieren und flexiblere Managementstrategien zu entwickeln sowie die Effektivität in der Landwirtschaft zu steigern, dann könnte mehr Wasser verfügbar sein, um das Delta regelmäßig zu fluten", hofft die usbekische Wissenschaftlerin Dr. Gulchekhra Khasankhanova vom Uzbek State Uzgipromeliovodkhoz Institute. Das würde dem Delta wieder neues Leben einhauchen, aber auch neue Möglichkeiten eröffnen, mit den potenziellen Folgen des Klimawandels umzugehen.

• Dr. Maja Schlüter
Dept. Ökologische Systemanalyse

Telefon: 0341 /235-1279
e-mail: maja.schlueter@ufz.de
mehr Informationen:
www.newater.info/index.php?pid 1010

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Vor dem Kollaps des Aralsees 1982 produzierte die Fischindustrie bis zu 300.000 Tonnen Fisch pro Jahr. Im Vordergrund hebt sich deutlich das Delta des Amudaryas von den Steppengebieten ab. Die Zuflüsse Surdarya und Amudarya speisten früher den Aralsee. Bild: Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum des DLR


*


Quelle:
UFZ-Spezial Dezember 2009: In Sachen Klimawandel, S. 10
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Permoserstraße 15, 04318 Leipzig
Tel.: 0341/235-1269, Fax: 0341/235-1468
E-mail: info@ufz.de
Internet: www.ufz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2009