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NUTZUNG/229: Naturnutzung versus -schutz. Windelschnecke hemmt Karlsruher Wasserwerker (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 988 vom 20. Febr. 2012 31. Jahrgang

Die Windelschnecke - der Alptraum der Karlsruher Wasserwerker


Weil im Einzugsbereich des bisherigen Karlsruher Wasserwerks Altlasten ausbluten, wollen die dortigen Stadtwerke in der ehemaligen Rheinaue ein neues Wasserwerk bauen. Die Ex-Rheinaue im Süden von Karlsruhe ist allerdings ein vielfach geschütztes Naturrefugium. Die deutsche Naturschutzgesetzgebung, die EG-Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) und die EG-Vogelschutzrichtlinie sind hohe Hürden, wenn man in diesem NATURA-2000-Gebiet trotzdem Grundwasser abpumpen will. MICHAEL SCHÖNTHAL ET. AL. diskutieren im AWBR-Jahresbericht 2010 die Frage "Naturnutzung versus Naturschutz - kann ein Wasserwerk in der Rheinniederung bei Karlsruhe umweltverträglich realisiert werden?" (S. 81-102). Die Autoren beschreiben die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen, die erforderlich sind, um den Naturhaushalt in dem grundwasserabhängigen Feuchtgebiet nur unwesentlich zu beeinträchtigen. Vor allem gilt es, das Absinken des Grundwasserspiegels so vorsichtig anzugehen, dass die Wurzelhorizonte der Vegetation dem fallenden Kapillarsaum nachwachsen können "und der Anschluss ans Grundwasser für die Pflanzenbestände (besonders Waldbestände) erhalten bleibt". Um das sicherzustellen, soll nicht sofort die beantragte Jahresmenge von rund 6 Mio. Kubikmetern gefördert werden. Über fünf Jahre hinweg will man sich schrittweise an diese Entnahmemenge herantasten. Besonders gefährdet wäre durch die Grundwasserentnahme eine ehemalige Altrheinschlinge, die Lebensraumtypen und Arten beherbergt, die nach der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie streng geschützt sind. U.a. haust in diesem Feuchtgebiet die Bauchige Windelschnecke, die unter dem besonderen Schutz der EU-Kommission steht. Eine Vernichtung der Bestände der nur wenige Millimeter großen Windelschnecke wäre das Aus für die Wasserwerksplanungen. Die Autoren gehen allerdings davon aus, dass durch eine Dotierung der Altrheinschlinge mit Frischwasser sowie mit wasserstandsregulierenden Maßnahmen der Bestand der raren Windelschnecke gerettet werden kann.


Was sind vorgezogene Ausgleichs- bzw. Kohärenzmaßnahmen?

Bei schädigenden Eingriffen in ein NATURA-2000-Gebiet - sei es durch ein Wasserwerk, einen Autobahnneubau oder einen Hochwasserrückhaltepolder - haben die Planer nur dann eine Chance auf Genehmigung, wenn es ihnen gelingt, für die streng geschützten Lebensraumtypen und Arten erfolgreich Ersatzbiotope zu schaffen. Der Knackpunkt: Bevor mit irgendwelchen Baumaßnahmen angefangen werden kann, muss nachgewiesen werden, dass die geschützten Arten sich in dem ihnen zugedachten Ersatzbiotop auch tatsächlich breit gemacht haben - und das kann dauern! Mit der Verpflichtung zu den "vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen" beschäftigen sich auch die Autoren in dem vorgenannten Beitrag zu den Wasserwerksplanungen in Karlsruhe: "Diese Ausgleichsmaßnahmen sichern im Verfahren die ununterbrochene ökologische Funktion von Fortpflanzungs- und Ruhestätten für die betroffenen geschützten Arten ab und entsprechen den von der Europäischen Kommission eingeführten CEF-Maßnahmen (continuous ecological functionality-measures). Sie müssen artspezifisch ausgestaltet sein und in einem räumlichen Bezug zu den betroffenen Lebensstätten stehen. Darüber hinaus müssen sie bereits zum Eingriffszeitpunkt wirksam sein und ihre Wirkung sodann über den gesamten Zeitraum des Vorhabens, beim geplanten Wasserwerk also über die komplette Bau- und Betriebsphase, entfalten."

Um das sicherzustellen sind im Planfeststellungsantrag für das neue Wasserwerk auch umfangreiche Monitoringmaßnahmen vorgesehen. Ferner muss sich die Fahrweise des künftigen Wasserwerkes an Umweltindikatoren orientieren. Die umfangreiche Darstellung der Umweltfolgenprüfungen sowie die ausführliche Beschreibung der diffizilen Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen haben die Autoren auch deshalb unternommen, um ein "Anschauungsobjekt für ähnlich gelagerte Planungen" zu offerieren.

Weitere Auskunft zu den Bemühungen ein Wasserwerk in der ehemaligen Rheinaue mit der Naturschutzgesetzgebung in Übereinklang zu bringen:

Prof. Dr. Matthias Maier
Hauptabteilungsleiter bei der
Stadtwerke Karlsruhe GmbH
Daxlander Straße 72
76185 K a r l s r u h e
Tel.: 0721/599-3200; Fax: 599-3209
E-Mail: matthias.maier[at]stadtwerke-karlsruhe.de

[Die nordbadischen Naturschutzverbände hoffen, dass trotz der Umweltverträglichkeitsbemühungen der Wasserwerker das geplante Wasserwerk an der Naturschutzgesetzgebung scheitern wird.]


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 988
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Rennerstr. 10, 79106 Freiburg i. Br.
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2012