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POLITIK/429: Mehr Grundwasserschutz durch die neue Grundwasserverordnung? (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1096, vom 19. Okt. 2016 - 36. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Mehr Grundwasserschutz durch die neue Grundwasserverordnung?


Hauptaufreger in der geplanten Novelle zur Grundwasserverordnung dürften die sogenannten "nicht relevanten Metaboliten" sein. Dabei handelt es sich um einen Fachbegriff aus dem Zulassungsrecht für Pestizide ("Pflanzenschutz- und -behandlungsmittel"). Nach der EG-Trinkwasserrichtlinie und der deutschen Trinkwasserverordnung muss beim Einsatz von Pestiziden gewährleistet werden, dass für das einzelne Pestizid und seine relevanten Abbauprodukte ("Metabolite") eine Konzentration von 0,1 Mikrogramm pro Liter (µg/l) - also einem Zehnmillionstel Gramm - nicht überschritten wird. Wenn allerdings auf dem Weg von der Pflanze bis in Grundwasser nur mindertoxische Metabolite entstehen, gilt nach dem EU-Pestizid-Zulassungsrecht ein deutlich lascherer Grenzwert - nämlich 10 µg/l. Das sind dann die "nicht relevanten Metabolite" - nicht relevant deshalb, weil sie "eine deutlich geringere Toxizität" als das Ausgangspestizid aufweisen. Hinzu kommt, dass die Masse der Pestizide ohnehin nicht als "giftig", "sehr giftig", "kanzerogen" oder "reproduktionstoxisch" eingestuft ist. Und wenn schon das Ausgangspestizid als harmlos angesehen wird, gilt das dann auch für die Abbauprodukte - die sind dann allesamt "nicht relevant".

Die Administration in Deutschland war schon immer der Ansicht, dass diese Vorgehensweise der EU dem Vorsorgeprinzip widersprechen würde. Der Grenzwert von 10 µg/l für "nicht relevante Metabolite" wurde von den deutschen Fachbehörden (Umweltbundesamt, UBA & Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR) mit einigem Unbehagen gesehen. Das Umweltbundesamt hat deshalb für die "nicht relevanten Metaboliten" einen "Gesundheitlichen Orientierungswert" (GOW) von 3 µg/l festgelegt. Bei der jetzt vorliegenden Neufassung der Grundwasserverordnung geht es zum einen darum, ob die "nicht relevanten Metaboliten" überhaupt in die Parameterliste der neugefassten Grundwasserverordnung aufgenommen werden sollen. Und zum anderen wird die Diskussion entbrennen, welcher Schwellenwert festgelegt werden soll: Die soften 10 µg/l à la EU oder der strengere GOW von 3 µg/l, wie es vom UBA empfohlen wird. Mehr über diese Auseinandersetzung in den nächsten Notizen. Und wer mehr zu den "nicht relevanten Metaboliten" wissen will, bekommt durch das Eingeben dieser Begrifflichkeit in eine Suchmaschine gleich in den ersten zehn Treffern eine Fülle von Unterlagen zur Verfügung gestellt - so u.a. vom Umweltbundesamt, von diversen Unis und von einigen Landesämtern für Umweltschutz.

"Nicht relevante Pestizide" in die Grundwasserverordnung!

Weil zumindest einige der "nicht relevanten Metabolite" vielleicht doch nicht so harmlos sind, wie das die EU meint, hatte die 85. Umweltministerkonferenz (UMK) der deutschen Bundesländer am 13.10.2015 den Bund aufgefordert, bei der anstehenden Neufassung der Grundwasserverordnung die "nicht relevanten Pestizide" in den Anhang 2 der Verordnung aufzunehmen. Die UMK und die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) hatten dieses Ansinnen damit begründet, dass an rund 45% der insgesamt etwa 8.400 einbezogenen Messstellen die "nicht relevanten Metaboliten" mit Konzentrationen über 0,1 µg/l festgestellt worden seien. Ferner hat die LAWA darauf hingewiesen, dass die Anzahl an Messstellen mit Positivbefunden und die daraus errechneten prozentualen Fundhäufigkeiten ohnehin nur Minimumangaben darstellen würden, da nicht an jeder Messstelle alle Stoffe untersucht werden.
"Es sei daher möglich, dass Einzelsubstanzen auch häufiger und in höheren Konzentrationen auftreten, durch das Untersuchungsprogramm jedoch nicht erfasst wurden."

Das Bundesumweltministerium hat sich jetzt das Ansinnen der Bundesländer zu Eigen gemacht: Die "nicht relevanten Pestizide" wurden mit dem gesundheitlichen Orientierungswert von 3 µg/l als noch tolerierbarer Schwellenwert in den Anhang 2 des Entwurfs für die neu zu fassende Grundwasserverordnung aufgenommen. Wir gehen davon aus, dass sich die agrarindustriellen Lobbyverbände sowie das Bundeslandwirtschaftsministerium gegen dieses Vorhaben aussprechen werden. Wir haben demgegenüber in unserer Stellungnahme zur geplanten Novelle der Grundwasserverordnung die Aufnahme der "nicht relevanten Metabolite" in den Parameterkatalog der Verordnung ausdrücklich begrüßt. Das Ende der Verbändeanhörung zum Referentenentwurf der Neufassung der Grundwasserverordnung hatte das Bundesumweltministerium auf den 09.09.2016 festgelegt. Den Referentenentwurf können interessierte LeserInnen des WASSER-RUNDBRIEFS bei uns via nik@akwasser.de kostenlos anfordern.

Wann ist ein Grundwasserkörper im "guten chemischen Zustand"

In der Regel haben die Bundesländer gigantisch große Grundwasserkörper - teilweise von Tausenden von Quadratkilometern - ausgewiesen. Das hat für die Bundesländer den Vorteil, dass "kleinräumige" Kontaminationen in der schieren Größe des Grundwasserkörpers "verschwinden": Auch wenn partiell beispielsweise der Schwellenwert von 50 Milligramm pro Liter (mg/l) für Nitrat überschritten wird, kann der Grundwasserkörper gleichwohl "als im guten Zustand befindlich" nach Brüssel gemeldet werden (vgl. zur "doppelten Mittelung" bei der Bewertung von Grundwasserkörpern auch RUNDBR. 528/1). Die geplante Neufassung der Grundwasserverordnung sieht nun in § 7 (3) vor, dass sich ein Grundwasserkörper nur dann im guten Zustand befindet, wenn "die Summe der Flächen, bei denen der Schwellenwert eines relevanten Stoffs oder einer relevanten Stoffgruppe überschritten wird, weniger als ein Fünftel der Gesamtfläche des Grundwasserkörpers beträgt".

In der bisher gültigen Verordnung gilt der Grundwasserkörper als okay, wenn die kontaminierte Fläche nicht mehr als ein Drittel der Gesamtfläche ausmacht. Die Tendenz der Bundesländer, kontaminierte Teilflächen in groß ausgewiesenen Grundwasserkörpern verschwinden zu lassen, wird damit zumindest stärker als bislang eingegrenzt. Diese Eingrenzung wird noch durch die Bestimmung flankiert, dass die Summe der kontaminierten Flächen innerhalb eines Grundwasserkörpers nicht größer als 25 Quadratkilometer sein darf. Bislang konnte ein Grundwasserkörper mit dem Prädikat "im guten Zustand" versehen werden, wenn die kontaminierten Flächen nicht größer als 75 Quadratkilometer waren. Die jetzt vorgesehene Eingrenzung auf "nur" noch 25 Quadratkilometer haben wir in unserer Stellungnahme zum Referentenentwurf ebenfalls begrüßt.

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1096
Herausgeber:
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2017

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